Deutschland will weniger abhängig sein von russischen Energielieferungen - daher werden Forderungen nach einem Tempolimit auf Autobahnen lauter. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir müssen ab sofort noch mehr auf den Verbrauch von Energie schauen. Deshalb plädieren wir dafür, jetzt ein Tempolimit zu prüfen. Damit könnten wir sofort ein Einsparpotenzial heben."
Ein russischer Gas- oder Öl-Lieferstopp sei ein realistisches Szenario, sagte Dedy. "Wir wollen keine Hysterie, aber ein stärkeres Bewusstsein der Menschen und der Wirtschaft, dass es zu einer Krise großen Ausmaßes kommen kann."
Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Umweltverband BUND, sagte der dpa: "Um die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren, müssen sofort Erfolge beim Energiesparen realisiert werden. Im Verkehrsbereich sind dafür kurzfristig wirksame Maßnahmen, wie ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, autofreie Sonntage und ein Stopp von Kurzstreckenflügen sofort umzusetzen."
Bisherige Bemühungen eines Tempolimits gescheitert
Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP war die Einführung eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen am Widerstand der Liberalen gescheitert. Auch bei einem vor kurzem von den Koalitionsspitzen beschlossenen Maßnahmenpaket auch zum Energiesparen fehlte ein Tempolimit.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief am Mittwoch die Frühwarnstufe eines Notfallplans Gas aus, die erste von drei Stufen. Damit soll die Vorsorge für einen möglichen russischen Lieferstopp gestärkt werden. An Verbraucher und Firmen ging der Appell, Energie einzusparen. Die Wirtschaftsministerium betonte, die Versorgungssicherheit sei aktuell weiterhin gewährleistet. Aus Sicht von Habeck ist die von Russland geforderte Zahlung von Gaslieferungen in Rubel ein Bruch von Lieferverträgen.
Dedy sagte, die Städte unterstützten die von Habeck ausgerufene Frühwarnstufe. "Wir müssen auf allen Ebenen und mit allen verfügbaren Mitteln Vorkehrungen treffen, um uns auf einen Lieferstopp aus Russland vorzubereiten. Das gilt sowohl strategisch als auch ganz praktisch."
Signale setzen
Die 'Wirtschaftsweise' Veronika Grimm hatte am Mittwoch gesagt, es sei wichtig, Signale zu setzen, die darauf hindeuteten, dass es im Falle eines Lieferstopps russischer Energielieferungen eine brisante Lage geben könnte. Ein solches Signal könnte die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen sein.
"Die Menschen müssen jetzt weniger verbrauchen", sagte Monika Schnitzer, wie Grimm ebenfalls Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Sie sollten Fahrgemeinschaften bilden, langsamer fahren und wenn möglich den öffentlichen Nahverkehr nutzen, sagte die Ökonomin.
Tempolimit mindert Spritverbrauch
Insbesondere auf der Autobahn ist der Verbrauch pro Kilometer stark von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Laut Umweltbundesamt verbraucht beispielsweise ein typisches Fahrzeug mit 90 Stundenkilometern auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometer pro Stunde.
Umweltverbände fordern seit langem die Einführung eines generellen Tempolimits. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte vor drei Wochen kurzfristig wirkende Maßnahmen vorgeschlagen, um Deutschlands Ölverbrauch zu senken - und damit die Importabhängigkeit von russischem Öl. Dazu zählt die Einführung eines temporären, auf die Dauer des Konflikts bezogenen Tempolimits von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h in Städten. Dies könnte den Verkehrsfluss verbessern, verbrauchsintensive Geschwindigkeitswechsel reduzieren und die Effizienz von Verbrennungsmotoren erhöhen.
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