_ Der letzte große Indianer-Häuptling in den USA namens Joe Medicine Crow ist im biblischen Alter gestorben. Das meldete "Die Welt" just an jenem Tag, an dem VW Nutzfahrzeuge technische Einblicke auf seinen kommenden Großindianer im Transportergeschäft präsentierte - nämlich den Crafter. Seit elf Jahren wird er gemeinsam mit Mercedes-Benz (Sprinter) gebaut. Nun wird eine eigene Generation aus der Taufe gehoben, die dem Anspruch genügen soll, ein echter Volkswagen zu sein - pragmatisch, variantenreich und zumindest beim Fahrgefühl auch Pkw-ähnlich.
Wie das gehen soll, dazu haben die Niedersachsen einfach ihre Kunden befragt. Nach dem Motto: Jeder Neubeginn startet mit dem Zuhören. Man vertraute dabei aber nicht allein auf die oftmals anonyme Marktforschung, sondern ging auf Tuchfühlung mit den Handwerkern, Kurierfahrern und Kommunaldienstleistern - bis hoch zur Vorstandsebene hieß es, ran an den Kunden. Schließlich soll der Neue ein Volkswagen-XXL werden.
Bis 7,40 Meter
Wer viel fragt, bekommt in der Regel mannigfalltige Antworten. So rollen ab Frühjahr 2017 vorerst 69 Varianten im eigens gebauten Werk im polnischen Wrzesnia vom Band. Einem Credo soll sich diese neue variantenreiche Crafter-Welt aber vollends unterordnen, dem der Wirtschaftlichkeit, gepaart mit Qualitätsanspruch und Alltagstauglichkeit. Entsprechend nüchtern und aufgeräumt zeigt sich das Interieur. Große durchdachte Ablagen, zahlreiche 12-Volt-Anschlüsse, langstreckentaugliche Sitze, all das wird der Neuling bieten, wenn man den in drei Längen (5,90 Meter, 6,80 Meter und 7,40 Meter) sowie in drei Höhen (2,30 Meter, 2,60 Meter und 2,80 Meter) erhältlichen Crafter mit Heck- oder Allradantrieb - und ganz neu auch als Fronttriebler - bewegen wird.
Zweite Premiere: Neben einem Handschalter (Sechsgang) bringt eine ZF-Automatik (8 Schaltstufen) den maximal 18-Kubikmeter-Lastesel in Schwung. Fahrt nimmt der VW-Riese indes erst auf, wenn er seinen Ausbau erhalten hat - das ist heute schon bei rund 70 Prozent der verkauften Crafter der Fall. Hier kommt der Universalladeboden ins Spiel. Dank vorgestanzter Elemente kann der Boden klassische Ausbautenelemente aufnehmen, ohne dass ein neuer Boden gelegt werden muss, verspricht der Hersteller. Ein vorhandenes Regalsystem könnte damit in Eigenregie in den neuen Transporter wandern. Vorsorglich verbaut ist in der Front auch die Schnittstelle zur Flottentelematik. Intelligente Technik wandert auch mit dem City-Notbremsassistenten, der Einparkhilfe, die auch über seitliche Sensoren verfügt, und dem Ausparkradar, das den Querverkehr auch im hektischen Stadteinsatz im Blick behält, in den Transporter. Der adaptive Abstandswarner hilft auf der Autobahn ebenso wie der Spurhalteassistent, der aktiv zur Fahrbahnmitte drängt und dabei von der elektromechanischen Lenkung geführt wird.
Lenkung
Diese soll nicht nur für ein Pkw-ähnliches Fahrgefühl sorgen, sondern auch bis zu 6 g CO2 je 100 Kilometer sparen helfen. Die Aggregate basieren auf einem neuen 2,0-Liter-TDI und leisten zwischen 102 und 177 PS bei 280 bis 410 Newtonmeter Drehmoment. Als kostengünstige Variante wird für 3,5- bis 4-Tonner der Fronttriebler angeboten, der baubedingt gut zehn Zentimeter näher am Boden weilt als der klassische Hecktriebler.
Große Ziele
Die Abgase werden dank eines SCR-Systems gereinigt, wobei 28 Liter Adblue im Tank auf Reise sind, was laut VW für gut 19.000 Kilometer reichen sollte. Auf eine weite Reise kann sich auch der Vertrieb einstellen. So soll mittelfristig der Marktanteil mit dem neuen Crafter verdoppelt werden. Parallel will Konzernbruder MAN den Crafter als MAN TGE selbst vermarkten. Der neue Hoffnungsträger sollte also viel Ausdauer mitbringen. Als Vorbild könnte ihm Häuptling Joe Medicine Crow dienen, der sagenhafte 102 Jahre alt wurde - bis dahin hat das neue Transporteroberhaupt noch einiges vor sich.
- Ausgabe 05/2016 Seite 42 (153.8 KB, PDF)