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Mobilität im Umbruch

01.02.2017 06:00 Uhr
Ausgabe 01/02/2017 Seite 60

Der Anstieg der Neuzulassungen ist auch dort stark vom Verkauf an Firmen geprägt. Neue Mobilitätskonzepte und Gesetzesinitiativen führen jedoch zu Veränderungen.

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_ Der belgische Fahrzeugmarkt ist in 2015 mit über 500.000 privaten und gewerblichen Neuzulassungen auf einen neuen Höchststand geklettert. Es wurde damit das höchste Volumen seit 2011 erreicht. Als Gründe hierfür werden die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone, niedrige Zinsen und Treibstoffpreise genannt.

Auffällig ist, dass die Zahl der neu zugelassenen Diesel-Fahrzeuge signifikant gesunken ist. Demgegenüber haben Elektro-Fahrzeuge leicht zugelegt.

Wichtiger Treiber für das Wachstum war in Belgien der Flottenmarkt, der in 2015 um zirka neun Prozent wuchs. Volkswagen führte mit dem Golf die Liste der 15 meistverkauften Modelle an, gefolgt von Fiat mit dem 500 und Mercedes mit der C-Klasse (siehe Tabelle 1, rechts).

KMU kaufen, große Firmen leasen

Die Finanzierungsform in belgischen Flotten hängt stark von der Unternehmensgröße ab. Laut Fuhrparkbarometer des Corporate Vehicle Observatory (CVO) von Arval liegt bei kleinen und mittleren Unternehmen der Kauf mit 48 Prozent klar vorne, gefolgt von Autokrediten mit 28 Prozent. Das Full-Service-Leasing kommt hier nur auf einen Anteil von sieben Prozent, das Finanzleasing auf 17 Prozent.

Dieses Bild dreht sich komplett, wenn man die großen und sehr großen Unternehmen betrachtet. Hier liegt der Anteil des Full-Service-Leasings bei 54 Prozent und der Anteil der Unternehmen, die ihre Fahrzeuge kaufen, sinkt auf 24 Prozent. Dazwischen liegt das Finanzleasing mit einem Anteil von 19 Prozent. Autokredite nutzen nur drei Prozent der großen Firmen.

Top-Leasinggeber in Belgien

Die Top 5 Leasinggesellschaften im belgischen Markt sind Leaseplan, ALD Automotive, Athlon, Alphabet und KBC Leasing. Damit sind hier auch die international tätigen Anbieter stark präsent. KBC Leasing ist dagegen ein lokaler Leasinggeber.

Die Firmenfahrzeuge werden in Belgien auf Basis der Motorgröße versteuert. Der CO2-Ausstoß spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, welchen Anteil der Fahrzeugkosten das Unternehmen steuerlich absetzen kann: je umweltfreundlicher das Auto, desto höher die Quote der Absetzbarkeit.

Trends im belgischen Flottenmarkt

Zu den Trends im belgischen Flottenmarkt habe ich mit Jan van Delft, CEO der VDMS Groep, gesprochen, der mit seinem Unternehmen Kunden in Belgien und den Niederlanden berät. Er ist Partner von Fleetcompetence Europe in diesen Märkten. "Der belgische Flottenmarkt war in der Vergangenheit stark dominiert vom Finanzleasing in Kombination mit einem hohen Anteil an Dieselfahrzeugen", erläutert Jan van Delft. "Häufig waren hier Luxusfahrzeuge gefragt - mit höchster Ausstattung und schweren Motoren. Dies ändert sich nun sehr stark."

Laut van Delft sind die Gründe hierfür in geänderter Gesetzgebung in Belgien zu finden: Die Besteuerung von Firmenwagen soll neu und schärfer geregelt werden - hinzu kommt die Umwelt-Gesetzgebung mit zusätzlichen Auflagen. "Insgesamt erwarte ich daher eine klare Fortsetzung des Trends hin zum Benzin-Fahrzeug oder alternativen Antrieben. Zudem wird der Anteil des Full-Service-Leasings ansteigen", so Jan van Delft.

Drei Herausforderungen

Nach Ansicht des Flottenexperten sehen sich belgische Fuhrparkbetreiber aktuell drei wesentlichen Herausforderungen gegenüber. "Die erste hängt mit der Ungewissheit des künftigen Steuersystems für Firmenwagen zusammen", erklärt Delft."Das bisherige System basiert auf der Größe der Motoren (sogenannte ,steuerliche Pferdestärken'). Dieses System hat die Regierung auf den Prüfstand gestellt - mit dem Ziel, ab 2017 eine stärker multimodal ausgerichtete betriebliche Mobilität zu fördern. Da das neue System aber noch nicht steht, führt dies zu erheblichen Unsicherheiten", so van Delft.

Konzentrationsprozesse

Hinzu kommt für die Flottenbetreiber, dass sich die Zahl der Anbieter im Leasing- und Flottenmanagement deutlich verringert. Nicht nur durch die internationalen Übernahmen, sondern auch durch eine Welle von Konzentrationen im Bereich der Automobilhändler. Dies beeinträchtigt den künftigen Wettbewerb und die Kosten.

Insgesamt eine Situation, die eine Planung im Flottenmanagement für die kommenden Jahre erschwert.

Der Flottenmarkt in den Niederlanden

Nach einem 2012 beginnenden Abwärtstrend in den Gesamtzulassungszahlen in den Niederlanden war 2015 mit ca. 450.000 neu zugelassenen Fahrzeugen zum ersten Mal wieder eine Zunahme zu verzeichnen. Die fünf führenden Hersteller waren dabei 1.Volkswagen mit 56.323 Neuzulassungen und einem Marktanteil von 12,5 Prozent, 2. Peugeot (49.221/10,9 Prozent), 3. Renault (35.209/7,8 Prozent), 4. Opel (25.447/5,7 Prozent) und 5. Ford (25.219/5,6 Prozent).

Auch in den Niederlanden war der Flottenmarkt bedeutsam für die Zunahme der Neuzulassungen. So konnte dort in 2015 ein "Allzeithoch" verbucht werden: laut Dataforce legten die Zulassungen in diesem Segment um 34 Prozent auf über 45.000 Fahrzeuge zu. Auffällig war bei der Wahl der Antriebsarten, dass Hybridfahrzeuge über 30 Prozent ausmachten.

Der Kauf als Finanzierungsform ist in den Niederlanden dem CVO-Fuhrparkbarometer zufolge für 80 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen und damit noch häufiger als im Nachbarland Belgien erste Wahl. Das Full-Service-Leasing wählen in diesem Unternehmenssegment dagegen nur sechs Prozent, das Finanzleasing elf Prozent. Bei großen und sehr großen Unternehmen liegt das Full-Service-Leasing mit einem Wert von 42 Prozent vor dem Kauf (39 Prozent). Finanzleasing haben 19 Prozent als Hauptfinanzierungsmethode gewählt.

Die Top 10 der Leasinggesellschaften werden in den Niederlanden von Leaseplan, Athlon und Alphabet angeführt (siehe Tabelle 2, auf S. 61). Leaseplan und Athlon lagen zu dieser Zeit mit über 100.000 Fahrzeugen deutlich vor ihren Verfolgern.

Anreize für Umweltschutz

Die Niederlande haben ihr System für die Zulassungssteuer 2013 komplett auf die CO2-Emissionen umgestellt. Dies wird der Grund sein, warum nun ein starker Anstieg beispielsweise bei den Hybrid-Fahrzeugen feststellbar ist. Eine Unterscheidung nach Kraftstoffart gibt es nicht mehr, die steuerliche Begünstigung von Diesel-Fahrzeugen ist seit Januar 2015 entfallen. Daneben wird noch eine straßenbezogene Steuer fällig, die sich nach dem Gewicht des Fahrzeugs richtet. Nutzer von Diesel-Fahrzeugen zahlen zudem noch einen Aufschlag.

Für die Besteuerung der Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs (geldwerter Vorteil) werden grundsätzlich 25 Prozent des Listenpreises als zusätzliches Einkommen angesetzt. Für Fahrzeuge mit niedrigen CO2- Emissionen ist dieser Betrag geringer. Bei Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen liegt er bei sieben Prozent und bei Elektro-Fahrzeugen sogar nur noch bei vier Prozent. Somit wird über die Besteuerung ein wichtiger Anreiz für die Beschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge gesetzt. Mit Jahresbeginn 2017 hat eine wesentlich vereinfachte Fahrzeugbesteuerung Einzug gehalten.

Niederländische Flottentrends

"Der Firmenwagen-Leasingmarkt hat sich stabilisiert, wird aber voraussichtlich in den kommenden fünf Jahren aufgrund von Veränderungen beginnen zu schrumpfen", erläutert van Delft. Als Gründe hierfür nennt er zum einen die zunehmende Zahl von selbstständigen (Einzel-)Unternehmern und zum anderen die steigende Nachfrage nach dem Konzept des Mobilitätsbudgets: Nicht mehr klassisch ein Firmenwagen wird als wesentliches Mittel für die geschäftliche Mobilität zur Verfügung gestellt - vielmehr kann der Mitarbeiter seine Mobilitätsbausteine (Auto, Carsharing, Mietfahrzeug, Bahn, Fahrrad etc.) selbst zusammenstellen. Hierfür erhält er von seinem Arbeitgeber ein festes Budget. "Diese Entwicklung wird voraussichtlich das private Leasing boomen lassen. Entsprechende Anzeichen sind bereits feststellbar", stellt van Delft fest.

Für die Flottenbetreiber in den Niederlanden sieht der Mobilitätsexperte diverse Herausforderungen. "Die erste liegt darin, dass mit der wirtschaftlichen Erholung die Dichte des Verkehrs und die Staulängen deutlich zunehmen. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter nach Alternativen suchen", erklärt van Delft. Hinzu komme eine immer stärkere Individualisierung, die den Firmenwagen nicht mehr zum typischen Mittel zur Gewinnung neuer Mitarbeiter macht. Dies zwingt dazu, die Rahmenbedingungen der Arbeit neu zu überdenken: Flexible Arbeitsplätze und Arbeit von zu Hause rücken dort in den Fokus.

Außerdem kommt auf die Fuhrparkbetreiber bei emissionsreichen Fahrzeugen ein verstärkter Druck des Gesetzgebers zu. Aber sowohl für die Unternehmen als auch für die Dienstleister im Flottenmanagement ist noch unklar, wie ein überzeugendes wirtschaftliches Konzept mit Elektrofahrzeugen aussehen kann.

Mobilität im Wandel

Für beide betrachteten Märkte wird deutlich, dass sie stark von einer Umbruchphase in der geschäftlichen Mobilität geprägt sind, die noch keine fertigen Lösungen kennt. Dies führt zu Unsicherheiten sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite.

Belgien und die Niederlande

Mobilitätsbudget und die getriebenen deutschen Hersteller

_ Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden ist der Flottenmarkt bedeutsam für die Zunahme bei den Zulassungszahlen. Auch wenn in Deutschland seit kurzem auch der Privatmarkt wieder anziehen konnte, ist auch hier die Flotte die tonangebende Komponente. Das "Mobilitätsbudget" erfreut sich in den Benelux-Staaten steigender Beliebtheit. Auch für den deutschen Markt gibt es gute und passende Angebote, die derzeit allerdings noch zögerlich in Anspruch genommen werden.Belgiens auf Umweltfreundlichkeit ausgerichtete steuerliche Absetzbarkeit ist ein Beispiel für die Wirksamkeit von Anreizsystemen. Aber Unsicherheit, ausgelöst durch Hängepartien und Diskussionen über derzeit noch nicht sauber definierte Gesamtmobilitätskonzepte, kann dabei zu Kaufzurückhaltung führen.Die Umstellung der Besteuerung in den Niederlanden auf CO2-basierende Werte setzt allerdings auch Vertrauen in die diesbezüglichen Herstellerangaben voraus. Hier könnte man sich für den deutschen Markt sicherlich etwas abschauen.Diskussionen über die "Abschaffung" von Verbrennungsmotoren in Europa, Marktbarrieren für andere als Elektroantriebe in China und die noch nicht ausgestandene Diskussion um das Abgasverhalten bei Diesel- und Ottomotoren deutscher Hersteller sollten die Zeitpläne für die Entwicklung von Elektrofahrzeugen bei den Herstellern deutlich gestrafft haben. Ob dabei die Entwicklung attraktiver Fahrzeuge reicht oder ob auch die Belange der Flottenbetreiber bezüglich Nutzungsprofile, Finanzierungskonzepte und vor allem Abrechnungssysteme für Strom und Batteriewartung zukünftig besser berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten. Roland Vogt, Fleetcompetence Deutschland

Thilo von UlmensteinManaging Partner bei Fleetcompetence Europe. Das Schweizer Beratungsunternehmen unterstützt mit seiner Expertise Unternehmen im Bereich Flotten- und Mobilitätsmanagement. Es ist mit einer Tochtergesellschaft in Deutschland vertreten und verfügt darüber hinaus über ein Netzwerk spezialisierter Fachexperten in Europa. Das Unternehmen bietet nationales und internationales Consulting für Flottenbetreiber und Dienstleister an und führt für sie Schulungen und Trainings sowie Marktstudien durch. Mit dem "International Fleet Meeting Geneva" hat Fleetcompetence Europe zudem innerhalb weniger Jahre eine anerkannte Networking-Plattform am Autosalon Genf für die internationale Flotten-Branche geschaffen.Weitere Informationen: www.fleetcompetence.com

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