_ Herr Tietje, seit Ende 2016 ist die französische Mobivia-Gruppe neuer A.T.U-Eigentümer. Was ändert sich für den Flottenkunden?
Thomas Tietje: Zunächst einmal freuen wir uns über den Einstieg eines strategischen Gesellschafters, der langfristig an der Entwicklung unseres Unternehmens interessiert ist. In der Vergangenheit haben ja nicht alle unsere Eigentümer dieses langfristige Interesse gezeigt. Gemeinsam mit unseren französischen Partnern sind wir nun die Nummer eins in Europa mit knapp 2.000 Werkstätten und mehr als 21.000 Mitarbeitern in 19 Ländern. Wann genau unsere Business-Kunden die ersten Vorteile aus dieser Entwicklung ziehen, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber natürlich sind wir aktiv auf der Suche nach Synergien, und mit unserer B2B-Fokussierung werden wir sicher großes Gehör finden, da Mobivia dieses Geschäftsmodell in dieser Form noch nicht betreibt.
_ Das heißt, für den Flotten- und Gewerbekunden in Deutschland ändert sich kurzfristig nichts?
T. Tietje: So wie wir prüfen, ob sich Geschäftsmodelle aus Deutschland erfolgreich auf andere Märkte übertragen lassen, prüfen wir das natürlich auch für ausländische Geschäftsmodelle in Deutschland. Klar ist aber auch: Die Bekanntheit der Marke A.T.U liegt in Deutschland bei über 90 Prozent. Es wäre also töricht, diese Marke aufzugeben, um beispielsweise unter der Marke Mobivia zu arbeiten. Nein, die für uns tolle Nachricht ist: Die Marke A.T.U bleibt bestehen und mit ihr auch das Filialnetz und das bekannte Leistungsportfolio.
_ Ihr Geschäftsjahr endet am 30. Juni. Was haben Sie sich bis dahin im Businesskunden-Bereich vorgenommen, um Ihr Geschäftsjahr erfolgreich abzuschließen?
T. Tietje: Der Fokus liegt hier ganz klar auf unserer A.T.U-Anschlussgarantie, die wir auf unseren Fuhrparktreffs im letzten Jahr vorgestellt haben und mit der wir jetzt am Markt starten. Mit der Anschlussgarantie möchten wir verstärkt auch Neukunden gewinnen. Sie ist ein Baustein, der Fuhrparkbetreuern auch die Angst vor freien Werkstätten nehmen soll. Fuhrparkbetreuern, die vielleicht den Wegfall der freiwilligen Kulanz in Vertragswerkstätten fürchten. Außerdem bieten wir Fuhrparks mit der Anschlussgarantie natürlich ein großes Stück Planungssicherheit.
_ Was sind die genauen Rahmenbedingungen der Garantie?
T. Tietje: Wir bieten die Anschlussgarantie zusammen mit unserem Partner Cargarantie an. Geschäftskunden können sie für zwölf oder 24 Monate abschließen, und zwar bis zu zwölf Monate nach Erstzulassung der Fahrzeuge. Bei Abschluss dürfen die Autos maximal 20.000 Kilometer auf dem Tacho haben, die Höchstlaufleistung beträgt dann je nach gewähltem Tarif 200.000 Kilometer.
_ Was kostet den Kunden die Garantie und was deckt sie ab?
T. Tietje: Die Garantie deckt alle wesentlichen Fahrzeugbaugruppen gemäß ZDK-Standard ab. Im Schadenfall werden dann unter Berücksichtigung einer generellen Selbstbeteiligung von 150 Euro 100 Prozent der versicherten Material- und Lohnkosten erstattet. Die Preise unterscheiden sich nach Vertragslänge und Fahrleistung sowie nach Motorleistung. Bei den Pkw starten wir bei 5,42 Euro monatlich, der höchste Tarif liegt bei 43,69 Euro pro Monat. Das gilt dann für eine 24-monatige Garantie für Pkw mit 201 bis 300 PS und mit bis zu 200.000 Kilometern auf dem Tacho.
_ Gibt es die Garantie nur für Pkw?
T. Tietje: Nein, wir bieten die Garantie auch für Nutzfahrzeuge an. Allerdings nur für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 Tonnen. Und ab 2,8 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht berechnen wir pro Monat 2,78 bis 4,17 Euro Prämienaufschlag.
_ Seit Ende 2015 sind Sie auch mit der proaktiven Terminierung unterwegs, mit der Sie Kunden aktiv auf anstehende Werkstattarbeiten hinweisen. Wie ist da die Resonanz?
T. Tietje: Die Resonanz ist besser als wir erwartet haben. Wir haben 2016 rund 30.000 Kunden kontaktiert, und davon haben etwa 50 Prozent einen Termin ausgemacht. Viele davon einen Reifenwechseltermin, aber das ist ja auch ein relevantes Thema: Wenn es schneit, wollen alle die Reifen wechseln lassen. Gerade für gewerbliche Kunden bedeutet die proaktive Terminierung durch die bessere Verteilung unserer Kapazitäten einen erheblichen Zeitvorteil. Denn Wartezeiten entfallen und die Aufträge werden pünktlich abgearbeitet. In Zukunft wollen wir deshalb auch andere Themen proaktiv ansprechen, zum Beispiel die Führerscheinkontrolle oder die UVV.
_ Durch die proaktive Terminierung erhalten Sie auch relevante Kundendaten. Welche Services sind auf dieser Grundlage denkbar?
T. Tietje: Wenn wir die Kundendaten haben, ergeben sich daraus sicherlich Möglichkeiten, Fuhrparkverantwortliche weiter zu entlasten. Unser Außendienst hat deshalb den klaren Auftrag, sich näher mit dem individuellen Fuhrpark vor Ort auseinanderzusetzen, um so die Grundlage für eine intensivere Zusammenarbeit zu legen. Konkret könnten wir uns dann zum Beispiel Reportings für bestimmte Themen vorstellen, nehmen Sie nur die UVV als Beispiel.
_ Ein Schritt mehr in Richtung Fuhrparkmanagement. Die Idee hierzu gab es ja auch bereits in Ihrem Haus.
T. Tietje: Die Einführung eines kompletten Fuhrparkmanagements ist sicherlich eine Option, über die es nachzudenken lohnt. Konkret haben wir das bislang aber noch nichts entwickelt. Was aber natürlich nicht heißt, dass wir dies für die Zukunft ausschließen.
_ Ihr zweites Standbein im B2B-Geschäft ist das Thema Versicherungen. Entwickelt sich A.T.U auch zum Schadenmanager?
T. Tietje: Ja und nein. Wir sind und werden kein klassischer Schadenmanager oder Schadensteuerer. Und weil wir klassischerweise auch keine Karosserie- und Lackzentren haben, können wir im Bereich Schäden nur die von uns angebotenen Dienstleistungen routen und steuern. Dabei geht es primär um Glasschäden oder kleinere Schäden, die wir über Smart-Repair-Verfahren beheben können. Da gibt es natürlich Vereinbarungen mit Versicherungen und spezielle Tarife. Und weil wir über alle Kalibrierungstools verfügen, können wir Glasschäden auch bei Fahrzeugen mit Assistenzsystemen professionell beheben.
_ Wie sind Ihre Filialen denn für das Thema Smart Repair aufgestellt?
T. Tietje: Smart Repair bieten wir in allen unseren Filialen an. Derzeit testen wir in 25 Pilotfilialen die Einführung von Schadenmanagern. Das sind neutrale Schadengutachter, die aufgrund marktüblicher Standards entscheiden, ob ein Schaden ein Fall für Smart Repair ist oder doch für den Lackierer.
_ Wie sind Sie technisch dafür gerüstet?
T. Tietje: Ab April werden die ersten zwei von mittelfristig bundesweit über 100 Filialen mit Lackierboxen ausgestattet, in denen wir Smart-Repair-Maßnahmen besser durchführen können als in der Vergangenheit. Denn da wird geschliffen, da muss abgesaugt werden. Damit können wir eine ganz neue Qualität in diesem Segment anbieten.
_ Welche Rolle spielt das Thema E-Mobilität für Sie zum jetzigen Zeitpunkt?
T. Tietje: Die E-Mobilität wird kommen, wenn auch vielleicht langsamer als erwartet. Und auch nicht sofort als reine E-Mobilität, sondern auch über den Zwischenschritt der Hybridtechnik. Deshalb wird A.T.U in 90 Prozent der Filialen einen Hochvolttechniker bis zum Sommer 2017 eingesetzt und ausgebildet haben. E-Mobilität geht bei uns aber auch noch weiter: A.T.U hat auch das Zweiradprogramm neu aufgelegt, dessen integraler Bestandteil E-Bikes sind. Sie sehen, wir setzen uns mit dem Thema E-Mobilität in mehreren Facetten auseinander.
_ Herr Tietje, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian F. Merten
- Ausgabe 03/2017 Seite 76 (146.1 KB, PDF)