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Argumente für nötige Gespräche

01.02.2017 06:00 Uhr

Es wurde viel über die Gefahren von Ablenkung am Steuer geschrieben. Nun präsentiert die Allianz Zahlen, die zeigen, dass Unachtsamkeit längst Alkohol am Steuer als größtes Risiko abgelöst hat.

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_ Das Ziel der EU, die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten bis zum Jahr 2020 zu halbieren, ist auf keinem guten Weg. Im Jahr 2015 stieg dieser Wert um ein Prozent. Nicht nur Mathias Scheuber, Schaden-Vorstand bei der Allianz, klagt deshalb: "Dieser Trend geht leider in die falsche Richtung." Eine Sensibilisierung für die Verkehrssicherheit ist also weiter angebracht, denn mit Prävention erreicht man bekanntlich am meisten. Neue Zahlen, die den Handlungsdruck in den Flotten erhöhen könnten, präsentierte das DAX-Unternehmen bei der Vorstellung seiner Studie, die den Fokus auf einen der gravierendsten Unfallgründe lenkt: Ablenkung.

Mehr als nur das Handy

Im Vergleich zur letzten Erhebung vor fünf Jahren sei der Stellenwert der Ablenkung in der Unfallforschung und in der breiten Öffentlichkeit deutlich höher geworden, so Scheuber. Dabei zielt das Zahlenwerk nicht allein auf die Unsitte des Handynutzens während der Fahrt ab. Vielmehr könne man mittlerweile einen klaren statistischen Zusammenhang nachweisen, dass die Komplexität der Bedienung von Endgeräten oder Festeinbauten stärker zur Ablenkung führe, was wiederum in mehr Unfälle münde, so die Grundthese. Kronzeugen sind hier die traurigen Zahlen der Unfallstatistik. Nach Expertenzählung ist jeder zehnte Unfall mit Getöteten im Straßenverkehr auf Ablenkung zurückzuführen, was den Unfallgrund "Alkohol am Steuer" in den Schatten stellt. Im vergangenen Jahr starben fast 3.500 Verkehrsteilnehmer auf deutschen Straßen, 256 davon, da einer der Unfallbeteiligten alkoholisiert war, erklärten die Studienherausgeber bei der Präsentation Ende November in München. Deutlich mehr Personen - etwa 350 - kamen durch Ablenkungsunfälle ums Leben.

Laut Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer AZT Automotive, hat diese Zunahme damit zu tun, dass man weitaus weniger mit dem Handy am Ohr erwischt wird als bei einer Alkoholfahrt. Statistisch liegt die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, im ersten Fall bei 1 zu 3.400 und im zweiten aber bereits bei 1 zu 600. Etwas paradox mutet die Statistik an, dass in Autos mit Freisprechanlage die Zahl der Handyverstöße deutlich höher lag als in Fahrzeugen ohne Bluetooth, wie die Ablenkungsstudie deutlich macht.

Die Gründe für diese Unachtsamkeiten lieferte eine repräsentative Befragung von 1.600 Autofahrern in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch die Institute Mensch-Verkehr-Umwelt und Makam Research im Auftrag von Allianz Zentrum für Technik (AZT). So berichteten 60 Prozent der Fahrer, die in den zurückliegenden drei Jahren Unfälle hatten, dass sie ihr Mobiltelefon beim Fahren händisch genutzt hatten. Bei Fahrern ohne Unfallerlebnis waren es nur 37 Prozent. Wer hier als Flottenmanager agieren will, muss laut Ralph Feldbauer, Leiter Risk Management Kraft Flotten bei der Allianz, als Change-Manager auftreten. Das heißt, sowohl die Fahrer für die Gefahren durch Ablenkung zu sensibilisieren als auch im Unternehmen für das nötige Budget für Präventivmaßnahmen zu kämpfen. Denn Prävention beginnt bereits beim Einkauf.

Das "Gut" Fahrer

"Fuhrparkmanager in den Firmen berichten mir im Rahmen der schadenspräventiven Projektarbeit häufig, dass viel Kapital ins Recruiting der neuen Mitarbeiter gesteckt wird, sobald diese Mitarbeiter aber den ersten Dienstwagen fahren, wird genau auf die Kosten geschaut und sinnvolle Investitionen in Sicherheit eher gescheut werden. Das mündet darin, dass vielleicht nicht überall die möglichen Assistenzsysteme fürs Auto mitgeordert werden, obwohl sie das wertvollste Gut im Unternehmen, den Mitarbeiter, schützen können", stellt der Chef-Riskmanager der Allianz Deutschland fest."Wenn ein Mitarbeiter durch einen Unfall ausfällt, der aus unserer Sicht und Analyse häufig durch Assistenzsysteme verhindert oder zumindest in der Schadenhöhe vermindert worden wäre, ist der materielle Schaden am Fahrzeug oft schnell zu beheben. Die Ausfallzeit des Mitarbeiters aber deutlich schmerzhafter und schwieriger. Deshalb gehört eine Car Policy, die diese Anschaffungen vorschreibt, in die strategische Ausrichtung eines Unternehmens, denn dort werden die Grundlagen gelegt. Die Investition in Sicherheitsfeatures ist der beste Return on Invest, den ein Unternehmen realisieren kann. Dieses Verständnis muss oft noch in die Köpfe der Unternehmenslenker und folglich auch in die der Einkäufer der Fuhrparks und in jene aller Beteiligten hinein."

Ist das Sicherheitspaket bestellt, folgt der zweite Schritt: die Einweisung in die Techniken. "Nehmen Sie das Beispiel des Poolwagens. Fahren können diesen viele, aber alle Systeme ad hoc richtig bedienen wohl nur die wenigsten. Bei neuen Dienstwagen ist das nicht anders. Deshalb nehmen wir im Riskmanagement die Einweisung des Fahrers in die Sicherheitssysteme seines neuen Dienstwagens mit auf. Entsprechend gibt es die jährliche Pflicht zur Unterweisung im Sinne der Unfallverhütungsvorschriften - kurz UVV", skizziert der Präventionsexperte Feldbauer die ersten Maßnahmen.

Reale Zahlen

Das ist aber nur die halbe Miete. "Die neue Studie ist ja die wissenschaftliche Bestätigung der Dinge, die wir in der Praxis von den Dienstwagenfahrern und den Flottenverantwortlichen verstärkt hören und was wir in der Schadensanalyse der Flotten sehen, nämlich wie groß die Gefahren durch Ablenkung sind", bekräftigt Feldbauer."So veröffentlichen wir beispielsweise in den Informationsmaterialien der Dienstwagenfahrer bewusst plakative Fälle, die zum Beispiel durch Ablenkung zu Unfällen geführt haben. Darüber sollte dann im Unternehmen offen gesprochen werden, um die Mentalität der Fahrer hierfür zu sensibilisieren." Auf der anderen Seite wird die über hohe Jahresfahrkilometer gewonnene Fahrroutine allzu leichtsinnig mit Sicherheit verwechselt. "Dienstwagenfahrer glauben oft, dass man aus dem Unterbewusstsein heraus viele brenzlige Fahrsituationen routiniert meistern kann. Das trügt. Denn die Studie belegt, dass gerade der Vielfahrer ein wesentlich höheres Ablenkungsrisiko trägt als der Wenigfahrer", betont Feldbauer. Auch sollten die Vorgesetzten jene Unfallrisiken kennen, die entstehen, wenn sie fast schon selbstverständlich mit ihnen Mitarbeitern während der Fahrt telefonieren.

Fürsorgepflicht

"Die erste Frage eines Vorgesetzten, der seinen Mitarbeiter per Handy erreicht, sollte deshalb lauten: Sind Sie gerade mit dem Auto unterwegs und fühlen Sie sich in der Lage zu telefonieren?", moniert Feldbauer. Die Grundfrage dahinter lautet für den Experten: Ist für ein Unternehmen die Fahrzeit auch gleich die Arbeitszeit? "Einige Firmen sagen ganz bewusst, dass ihre Mitarbeiter während der Fahrten trotz Freisprechanlage nicht telefonieren sollten, da die Risiken durch Ablenkung zu groß werden." Das sei der richtige Ansatz.

Auch die Studienherausgeber der Allianz leiten Forderungen aus dem Zahlenwerk ab: Während des Fahrens sollte die Zieleingabemöglichkeit der Navis deaktiviert werden. Zweitens sollte die Bedienergonomie der verschiedenen Geräte vereinfacht sowie harmonisiert werden. Und drittens sollte der Notbrems-Assistent bei allen Neufahrzeugen Pflicht werden.

In diesem Sinne begrüßt die Versicherung die geplante Änderung des sogenannten Handy-Paragraphen (§ 23 StVO). So dass nicht nur die Nutzung von Smartphones, sondern auch von Tablets während der Fahrt für den Fahrer untersagt werden soll. Ausgenommen sind davon explizit die Informationen vom Head-up-Display und der Verkehrszeichenerkennung. Auch sollte künftig in der Unfallstatistik die Ursache "Ablenkung" separat erfasst werden, wie es bereits in Österreich und in der Schweiz passiert, um deren Wichtigkeit herauszustellen.

Zudem würden es die Fachmänner begrüßen, wenn - wie geplant - die betreffenden Bußgelder deutlich höher als bislang ausfallen würden. Für Pkw-Fahrer, die beim Tippen oder Handyhalten erwischt werden, würden dann 100 Euro statt bisher 60 Euro Strafe fällig. Bei Fahrradfahrern, die im E-Bike-Boom auch im beruflichen Umfeld stetig mehr werden, sollen sich die Strafgebühren von derzeit 25 Euro auf 55 Euro mehr als verdoppeln. Dies wären für jeden Fuhrparkleiter genügend triftige Argumente und Zahlen, die auch für seine Flotte greifen. Denn will man den Trend der Zunahme an Verkehrstoten stoppen, ist jede Flotte gefragt.

Die gesamte Studie mit Zahlen und Interpretationen finden Sie auf der Seite der Allianz unter folgendem Link: https://www.allianz.com/v_1480518196000/media/press/photo/Allianz_Ablenkungsstudie_2016.pdf

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