Ja, auch als „Petrolhead“ kann man jetzt weiterlesen. Zumindest dann, wenn man aktuellen Verbrennern mit potenten Benzinern huldigt. Denn auch diese sind keineswegs vor pubertärem Getue gefeit. Denken Sie mal kurz an die Vierzylindermodelle von AMG. „Guter“ Sound kommt da seit Jahren nicht mehr aus dem Auspuff heraus. Ein Teil der empfundenen Emotionen (sofern überhaupt) werden künstlich erzeugt. Zudem schnurren die Motoren nicht mehr, sie plärren. So, wie es Vierzylinder-Turbos eben tun. Doch auch Achtzylinder – die wenigen, die es noch gibt – klingen längst nicht mehr mit so feinem Timbre und bassig-ruhigem Blubbern, wie es zuletzt vielleicht ein Audi S5 Coupé von 2007 bis 2011 tat. Niemals aufdringlich und doch stets eindringlich daran erinnernd, dass große Motorenbaukunst mit einem eleganten Coupé verknüpft wurden. Heute klingen selbst Achtzylinder wie Silvesterböller aus dem Ostblock – und ja, die nerven.
Da ist es umso schöner, dass die „neue Welt“ Lösungen bietet, die Petrolheads glücklich machen kann und niemanden sonst nervt. Ein konkreter Vorschlag aus der neuen Welt lautet seit Sommer 2024: Ioniq 5 N. Das ist der Sportbruder vom Hyundai Ioniq 5, den Autoflotte über drei Jahre und 60.0000 Kilometer als Poolfahrzeug im Firmeneinsatz hatte. Das Resümee nach drei Jahren war gespalten (hier geht es zum Video des Dauertests). Doch einige der Kritikpunkte, die in unserem Video aufgezeigt wurden, hat Hyundai zum Modelljahr 2025 behoben, nicht nur für die Sportversion Ioniq 5 N.
Hyundai Ioniq 5 N
BildergalerieHyundai Ioniq 5 N: ein Sportwagen, brockig, krawallig, anders
In der sitzen wir nun. Eingezwängt von den etwas zu hoch montierten, aber dennoch famosen Sportsitzen, die an Schalensitze erinnern wollen. Elektrische Verstellung? Pahh, hier ist Purismus angesagt. Sitz arrangieren, Lenkrad einstellen: passt. Die starre Mittelarmlehne könnte bei einigen Sitzpositionen beim schnellen Lenken im Weg sein – suboptimal. Wohl fühlt man sich dennoch, vorn wie hinten. Denn Platz hat der Ioniq 5 N wie ein Van.
Klick, klick, summ, summ und schon sind die Außenspiegel perfekt innerhalb von wenigen Sekunden justierter. Schalter in der Türverkleidung machen es möglich. Hat man sich komplett eingerichtet und sogar die Gurthöhe auf die Körpermaße angepasst, blickt man auf einen Wust an Schaltern und Tasten im Lenkrad. Das kann überfordern. Drive Mode, NGB, Schaltpaddel hier, N-Dreh-Drückknöpfe dort und nochmals auf der anderen Seite des Lenkrads. 17 haptische Bedienelemente befinden sich am Lenkrad, Lenkstockhebel links und rechts, Schaltpaddles beidseitig sowie den horizontalen Gangwahlknüppel rechts unten nicht mitgezählt. Wer da sofort durchblickt, dürfte sich an Spielekonsolen auch erfreuen. Das ist eh ein Vorteil, will man im Fahrzeugmenü durchblicken und die Anzeigenflut im Kombiinstrument und im Infotainmentdisplay verstehen. Klar, die N-Fans werden sich jetzt denken: „Was’s Typ, keine Ahnung von den Systemen“. Korrekt, habe ich nicht, will ich nicht. Mir ist es wurscht, ob ich Lenkung, Motor und elektronische Differenzialsperre in 74 Modi feinjustieren kann, deren Unterschied eh nur ein Prozent der N-Piloten spüren und vor allem (aus-)nutzen können. Ein Sportwagen sollte sich per se wie einer fahren – immer. Denn sonst benötigt man keinen Sportwagen.
Hyunai Ioniq 5 N: kein Sportwagen – aber sauschnell
Und da sind wir beim Kernthema. Der Hyundai Ioniq 5 N ist kein Sportwagen, auch wenn er sich mit der richtigen „Performance-Einstellung“, die man nach etwa zwei Stunden feinjustiert hat, kurzzeitig so fahren lässt. Dieser Wagen ist ein gut 2,2 Tonnen schweres Monster, das sauschnell sein kann – sofern der Akkustand sich oberhalb von 30 Prozent befindet (drunter wird die Leistung gedrosselt) und alle fürs Schnellfahren benötigten Paramater genau dahingehend aktiviert wurden und die Strecke nicht mehr als rund 150 Kilometer beträgt, denn dann ist der Akku meistens leergefahren. Ioniq-5-typisch lädt auch der N mit maximal 240 kW schnell und die Ladepause kann zum Trocknen des rückennassen T-Shirts genutzt werden.
Die Lenkung ist scharf und exakt. Das hilft, den Koreaner auf Linie zu halten, denn die Reifen (275/35 ZR 21) laufen jeder Spurrille nach – jeder. Aber damit arrangiert man sich, sofern man sich in einem Sportwagen wähnt. Um die Kurven geht es mit einem Speed, dass jedem Beifahrer schlecht werden kann – dank der Elektronikeinstellung „N Drift Optimizer“ auch geschmeidig quer, und dass, obwohl die Pneus warmgefahren ziemlich klebrig agieren und spät mit dem Wimmern anfangen. So spät, dass man beim Blick aufs Tempo ruckartig Gas rausnimmt und rückblickend die Straßen nach eventuellen Blitzern absucht.
Ioniq 5 N: In 3,2 Sekunden auf 100? Kann jeder
Die Fahrperformance dieses 75.000 Euro (Basisausstattung) teuren Elektroautos ist abartig. Hyundai hat tatsächlich ziemlich Aufwand betrieben, um aus dem Ioniq 5 einen „N“ zu machen. Strukturelle Änderungen an der Karosserie versteifen das Setup und optimieren den 4,71 Meter Boliden fürs Schnellfahren. Den Standardsprint handelt der Ioniq 5 N in 3,4 Sekunden ab. Die Köpfe der Insassen fliegen dabei in jedem Fall an die Kopfstützen. Vier Mal wiederholt, heißt es garantiert anhalten, denn eine Person lässt sich das eben erlebte nochmals durch den Kopf gehen. Muss man mögen.
650 PS sind es nominell (im Bestfall) mit zuvor aktiviertem „N Grin Boost“ via roter NGB-Taste im Lenkrad. 260 km/h sind maximal möglich. Begleitet wird der Vortrieb auf Wunsch von einem Sound (im Auto), der ziemlich perfekt einen Verbrenner simuliert. Mittels Schaltpaddle lassen sich ebenso simulierte Schaltvorgänge durchführen. Wer möchte, kann den Ioniq 5 N sogar in einen Begrenzer „sprotzen“ lassen. Klingt im Innenraum nach Realität, ist aber alles nur programmiert. Dennoch ist der nicht nur imaginär, der Vortrieb endet tatsächlich bei einer von Hyundai festgelegten „Maximaldrehzahl“ bis man am Paddle zieht und in den nächsthöheren „Gang“ schaltet und der Vortrieb irrwitzig weitergeht. Alles surreal, wie an der Konsole aber eben auf echter Straße. Und ganz ehrlich: Das macht wirklich Spaß. Zumindest für den Augenblick und bei den ersten paar Mal. Im Alltag rollt aber auch der Hyundai Ioniq 5 N eher im Schwall der Fahrzeuge mit und auf der Autobahn (und bei längeren Etappen) ist oft bei 140 km/h Ende. Denn sparsam ist der N freilich nicht – das war auch nicht das erklärte Entwicklungsziel. Die riesigen Räder und Krawall-Spoiler versauen den CW-Wert, mit 0,291 ist er vom Eintrag ins Guinness-Buch weit entfernt – sehr weit.
Ja, mit dem Ioniq 5 N kann man auf der Rundstrecke glücklich werden. Mehr als vier Runden werden es aber beispielsweise in der Grünen Hölle eher nicht werden, dann ist der 84-kWh-Akku leergesaugt. Immerhin hält der Ioniq 5 N dieses Tempo durch, darf man denen glauben Schenken, die es ausprobiert haben. Nicht ohne Grund bietet die Hyundai-Driving-Experience für 129 Euro eine Taxifahrt auf der Nordschleife an – sofern nicht ausgebucht. Das spezielle Thermo-Management ist einer der Gründe, warum man den 5 N durchaus auch längere Strecken mit Maximalkraft fahren kann, was bei den meisten anderen E-Autos zur automatischen Leistungsreduktion und führt 400-Millimeter-Bremsscheiben mit Vierkolben-Bremsanlage vorn sichern die Verzögerung lang genug.