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Recycling: Wie die Industrie neue Wege geht

18.02.2025 02:31 Uhr | Lesezeit: 3 min
Recycling Windschutzscheibe
Recycling von Windschutzscheiben.
© Foto: VW

Um Rohstoffe umsichtig zu verwenden, führt kein Weg am Recycling vorbei. Um bereits bei der Konstruktion eines Autos alle Möglichkeiten auszuschöpfen, geht die Industrie neue Wege.

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Wenn Thomas Taddigs über Recycling im Automobilbau spricht, hat Langeweile keine Chance. Man merkt dem Leiter des Bereichs Werkstofftechnik Interieur in der Technischen Entwicklung bei Volkswagen an, dass ihn sein Job begeistert. Und, dass seine Motivation dazu auf einer gesunden Grundlage steht.

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Die befestigte er, als er auf der letzten IAA in München die Besucher der Messe zum Mitmachen und Bewerten der Ergebnisse eingebunden hat, und aufgrund des positiven Echos verkrustete Abläufe in der Konstruktion bei VW aufbrechen konnte.

Recycling: Klare Vorgaben der EU

Klar, die "End-of-LifeVehicle" Direktive der EU, die für 2031 geplant ist, zwingt letztlich jeden Autohersteller dazu, das Recycling-Thema mit Leben zu erfüllen. Es ist bereits so, dass ein Automobil zu 85 Prozent recycelbar sein muss und 95 Prozent des Fahrzeugs wiederverwertbar. Ab 2031 soll dann ein Auto zu 25 Prozent aus allgemeinen Rezyklaten, wie dem Inhalt aus dem Gelben Sack, und weiteren 25 Prozent aus dem Auto, wie der Mittelkonsole, gefertigt werden. Die Plastikflaschen, Fischernetze etc., die heute bereits in vielen Autositzstoffen enthalten sind, und von der Industrie PR-wirksam hervorgehoben werden, sind also keineswegs rein zufällig.

Taddigs und sein Team sind seit rund vier Jahren auf diesem Forschungsgebiet tätig und haben jetzt den Vorhang für die Öffentlichkeit gehoben, was sie sonst noch auf der Pfanne haben. Denn Recycling im Automobilbau ist mehr, als einen alten Wagen zu schreddern und zu prüfen, was man wieder verwenden kann.

Bei der Suche, welches Rezyklat oder welcher Biorohstoff geeignet ist, also für einen Kreislauf taugt, kommt noch die ökologische Skalierbarkeit ins Spiel. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Frage, ob das Material auch in der benötigten Masse verfügbar ist, ohne dass dafür andere wichtige Umweltaspekte vernachlässigt werden. Als Beispiel erwähnt der Materialforscher einen zugleich anschaulichen und bedrohlichen Aspekt: Denn es hätte absolut keinen Sinn, das Amazonas-Gebiet abzuholzen, nur um dort die Bäume zu plündern oder auf der frei gewordenen Fläche den geeigneten biologischen Rohstoff anzubauen. Allein diese Blickrichtung zeigt, wie vielgestaltig der Check für das geeignete Material aussieht.

Kreislaufgerechtes Recycling

Taddigs spricht in diesem Zusammenhang davon, wie man von der konventionellen zur kreislaufgerechten Entwicklung kommen kann. Dazu gehört es, schon bei der Konstruktion mehr das Material als das Bauteil im Fokus zu haben. Es hört sich wie eine steile These an, wenn Taddigs formuliert: "Das am besten geeignete Material ist wichtiger als das technisch beste." Das bedeutet nicht, dass die Qualität in die Knie geht. Und deswegen ist es auch so wichtig, bereits in diesem frühen Stadium mit dem Kunden zu sprechen. Denn was nützt es, wenn ein neuer Weg in der Konstruktion machbar ist, das Bauteil aber vom Kunden nicht als hochwertig empfunden wird?

Als Experte für das Interieur des Autos spricht er hier gezielt die Wirkung von Oberflächen an, die der Kunde im täglichen Gebrauch seines Autos wahrnimmt. Wie fühlt sich eine Türinnenverkleidung an? Welche Haptik geht vom Armaturenbrett oder der Mittelkonsole aus? Welchen Eindruck hinterlässt eine Fußmatte, wenn man sie mit Füßen tritt? Welche Prägungen von Oberflächen und Sitzstoffen kommen beim Kunden gut an? Welche Farben sind möglich, und wie sollen sie kombiniert werden?

Langlebigkeit und Recycling

Zudem soll der "Wohnraum" des Fahrzeugs selbst dann nicht schäbig aussehen, wenn er länger und intensiv genutzt wird. Neben den beschleunigten Alterungsprozessen im Labor, die auch bisher schon Auskunft über die Dauerhaltbarkeit geben, setzen die Materialforscher bei VW für die Prognose der denkbaren Materialien einen speziellen Roboter ein, der ziemlich destruktiv zu Werke geht: Er scheuert und kratzt unter stets vergleichbaren Bedingungen intensiv an den Oberflächen, um Auskunft darüber zu erhalten, welche Gebrauchsspuren im Material entstehen.

Welche Riefen entstehen, wenn der Fingernagel drüber schrammt? Werden die Kanten weiß, wenn es zum Kratzer kommt? Was passiert, wenn die bekannten Pflegemittel verwendet werden? Hält der Stoff oder das Leder-Imitat des Sitzes den permanenten Druck und das dauernde Hin- und Herwetzen des Allerwertesten oder des Rückens aus? Der fleißige Roboter gibt sein Bestes, um dann den Materialkundlern möglichst schnell brauchbare Antworten zu liefern.

Um ja keine Chance auszulassen, geeignete Rohstoffe zu finden, geht Taddigs mit seinem Team jeder Spur nach, selbst wenn sie auf den ersten Blick abwegig erscheint. Innerhalb des Konzerns kann weltweit jeder Mitarbeiter seine Ideen melden. Um die Machbarkeit, daraus Fahrzeugteile zu gewinnen, geht es erst im zweiten Schritt. Gibt es dafür schon anschauliche Beispiele? Auf dem Prä-sentationstisch in der Forschungsabteilung bei VW liegen drei parat: sortenreines Polyester, Industriehanf (der derzeit als Restmüll auf Felder aufgebracht wird) und alte Arbeitskleidung von Beschäftigten aus den Montagehallen der Fabriken.

Recycling in der Serienproduktion

In allen Fällen sind bereits Ergebnisse zu sehen und anzufassen, die durchaus den Weg in die Serienproduktion gehen könnten. Der sortenreine Polyester wird zu Fußmatten, der Indus-triehanf zum Flächenmaterial im Innentrim und der "Blaumann" zum Autositzstoff. Die Sortenreinheit bei der Fußmatte gewinnt deswegen große Aufmerksamkeit, weil man die Außenkanten bei einem weiteren Recycling-Vorgang nicht von der flächigen Matte trennen muss. Bei den Trägern für die Türinnenverkleidungen und die Oberflächen der Armaturenbretter sehen die Materialspezialisten schon ein Ziel erreicht: Sie sind nicht nur optisch besser, sondern auch leichter zu verbauen.

Und damit ist auch klar, dass Klebstoffe, soweit sie am Ende des Autolebens nicht ebenfalls wiederverwendbar sind, in der Produktion eines Neuwagens einem leicht trennbaren Verbund mit Clips weichen werden. Verbundwerkstoffe, zum Beispiel PVC, haben deswegen in Zukunft wenig Chancen in der Fertigung.

Um den Besuchern in der "Autostadt" von VW - wo der erfolgreiche IAA-Auftritt fortgesetzt wird - diese beiden Aspekte griffig zu demonstrieren, endet das kleine Materialseminar jeweils mit einem netten Gag: In ein Band aus Polyester-Ersatz dürfen die Interessenten zuerst mit einem Prägewerkzeug ein GTI-Emblem einstanzen und es dann mit einem edel aussehenden Metallclip zu einer Schlaufe verbinden.

Fertig ist ein Schüsselanhänger, den man gern in die Hand nimmt - auch wenn man selbst keinen GTI in der Garage hat.

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