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Opel-Carsharing "Maven": Geteilte Freude

09.12.2016 14:07 Uhr
Opel importiert nun die ersten Bausteine des GM-Projekts "Maven", das in den USA bereits eine große Nummer ist
© Foto: Opel

Nach Mercedes und BMW steigt jetzt auch Opel ins Carsharing ein und importiert das erfolgreiche US-Projekt "Maven" nach Deutschland. Glaubt man Chefplaner Dan Ammann, ist das Ende des Eigentums erst der Anfang der Umstellung.

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Von Benjamin Bessinger/sp-x

Seine Zahnbürste möchte er schon gerne für sich behalten. Doch viele andere Gebrauchsgegenstände würde Dieter Zetsche durchaus mit wildfremden Menschen teilen, verriet er im September auf der Bühne des Pariser Salons: von der Bohrmaschine bis zum Gästezimmer und  natürlich auch das Auto. Denn "Sharing" ist einer der großen Trends unserer Zeit, sagt der Daimler-Chef und hat das mit einem "S" neben Connected, Autonom und Elektrisch auch in der neuen Unternehmens-Strategie CASE festgeschrieben.

Nachdem Daimler die Idee vom geteilten Nutzen und Teilzeit-Eigentum mit Car2go in Deutschland bei Autofahrern populär gemacht und sich zum weltweiten Marktführer der sogenannten "Freefloater" aufgeschwungen hat und nachdem Konkurrenten wie BMW mit Drive Now diesem Beispiel gefolgt sind, rollt jetzt die nächste Welle von Sharing- und Mobilitätsdiensten auf die Autofahrer zu. Und diesmal gibt es einen neuen Schrittmacher: Opel.

Denn die Hessen importieren nun die ersten Bausteine des GM-Projekts Maven, das in den USA bereits eine große Nummer ist. Dazu zählt nicht nur das klassische Carsharing. Der Opel-Mutterkonzern stellt mit "Maven Residental" zudem auch designierte Fahrzeugflotten für Mieter in ausgewiesenen Wohnanlagen zur Verfügung, organisiert mit " Maven Campus" das Carsharing für Unternehmensflotten oder große Gemeinschaften und stellt den Maven-Mitgliedern mit "Express Drive" die passenden Autos zur Verfügung, wenn sie sich ein Zubrot als Aushilfstaxler beim Uber-Konkurrenten Lyft verdienen wollen.

Bereits nach zehn Monaten meldet Maven eine rege Geschäftstätigkeit: Es gibt über 14.000 Mitglieder in 15 US-Städten von Ann Arbor bei Detroit bis San Francisco, die mehr als 10.000 Fahrzeuge gebucht und damit bereits 46 Millionen Kilometer zurück gelegt haben, sagt Maven-Chefin Julia Steyn und hat gelernt: "Das Verhalten unserer Kunden hat sich geändert. Car- und Ridesharing-Angebote sind daher wichtige Säulen unserer künftigen Mobilitätsstrategie."

Deutschland-Start mit Rumpfprogramm

Ganz so groß wie in den USA steigt Opel in Deutschland allerdings erst einmal nicht ein. Hier gibt es erst einmal den Dienst "Maven Home", der ab 2017 eine Flotte von Opel Adam und Ampera-E unter anderem für die Gäste der Meininger Hotel Gruppe zum Beispiel in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München bereitstellt, die Tiefgaragen moderner Wohnanlagen befüllt und Studenten in ausgewählten Wohnheimen mobil macht. Parallel dazu lotet Opel mit einem Pilotprojekt am Stammsitz in Rüsselsheim die Chancen für "Maven Pro" aus und startet so das Carsharing für Mitarbeiter: 12.000 Opelaner haben damit elektronisch Zugriff auf einen Pool von rund 2.000 Werkswagen. "Zwar beginnen wir in Deutschland erst einmal mit einem Rumpfprogramm", räumt Dan Amann ein, der als zweiter Mann im GM-Konzern die Mobilitätsdienste verantwortet und die Brücke zwischen Detroit und dem Silicon Valley schlägt. "Doch es gibt keinen Grund, weshalb wir dort nicht nach und nach das gesamte Portfolio ausrollen sollten", ist der Vice President optimistisch.


Opel Maven

Opel Maven Bildergalerie

So ganz neu ist die geteilte Freude bei Opel nicht. Im Gegenteil: Bereits seit einem Jahr betreiben die Hessen mit "CarUnity" als erster Hersteller eine Plattform, über die das so genannte Peer-to-Peer-Carsharing organisiert wird. Anders als etwa bei Car2Go gehören die Autos dort nicht einem Dienstleister. Man fährt vielmehr in Privatwagen, die ähnlich vermittelt werden wie Mitschlafgelegenheiten beim Betten-Portal AirBnB. Vor allem im Rhein-Main-Gebiet und in Berlin hat sich bereits "eine fünfstellige Zahl" von Nutzern registriert, die zwischen rund 5.000 Fahrzeugen wählen können.

Das passt perfekt in die Zeit, sagt der Schweizer Zukunftsforscher Lars Thomsen, und nennt dafür vor allem drei Gründe:

1) Das neue Miteinander: "Facebook & Co haben das Verhältnis zwischen den Menschen verändert. Freunde und Bekannte kommen nicht mehr nur aus der Familie, der Nachbarschaft oder dem Kollegenkreis. Sondern wir 'teilen' so viel Privates mit vermeintlich Fremden, dass die Distanz zwischen den Menschen kleiner wird und die Bereitschaft wächst, auch persönliche materielle Dinge weiter zu geben", ist er überzeugt.

2) Die neuen Technologien: Apps und Portale erleichtern die Buchung, Connectivity-Boxen, Codes und Chips ersetzen den Fahrzeugschlüssel vereinfachen die Übergabe und automatisierte Abrechnungsmodelle verhindern Ärger, wenn es ums Geld geht. "All das macht die Mehrfachnutzung eines Autos für beide Seiten so bequem, dass die Hemmschwellen sinken", sagt Thomson.

3) Die neue Einstellung zum Auto: Natürlich ist die Bereitschaft zum Teilen für Thomsen auch ein Ausweis für den schleichenden Bedeutungsverlust des eigenen Autos. "Früher mal das Ein und Alles, das man selbst dem Lebenspartner oft nur mit einem unguten Gefühl überlassen hat, ist der eigene Wagen für viele einfach nicht mehr das wichtigste Gut im Leben und wird deshalb bereitwilliger weitergegeben."

Kein Wunder also, dass mittlerweile auch andere Hersteller auf diese Peer-To-Peer-Lösungen aufspringen. So startet Daimler jetzt in München mit dem Angebot "Groove", wird in San Franzisco Partner der Plattform "Getaround", die in den USA bereits 200.000 Mitglieder meldet, und hat für den elektrischen Smart ein Zugangssystem entwickelt, mit dem auch Fremde nach erteilter Berechtigung das Auto per Handy öffnen und starten können. BMW bereitet eine entsprechende Lösung für Mini vor, und Nissan forscht im Großraum Paris gerade daran, wie man die Fahrgewohnheiten der Micra-Kunden elektronisch so analysieren kann, dass ein Server Fahr- oder Nutzergemeinschaften zusammenbringt.

Rückzug aus dem privaten Autoteilen

Ausgerechnet jetzt, wo das Thema weiter an Fahrt gewinnt, zieht sich Vorreiter Opel aus diesem Geschäft erst einmal zurück. "CarUnity-User finden ihre neue Heimat bei unserem langjährigen Partner Tamyca – und wir konzentrieren uns voll auf Maven", sagt Marketingchefin Tina Müller. Das klingt nach einem Rückschritt, ist aber eher einer zur Seite. Denn erstens ist Peer-to-Peer-Sharing zumindest in den USA bereits ebenfalls Bestandteil von Maven. Und zweitens ist die die Idee vom Teilen ohnehin nur die halbe Miete, meint Amman: "Mindestens genauso interessant wie das Carsharing ist das autonome Fahren. Und so richtig interessant wird das Ganze, wenn man beide Themen zusammenbringt."

Der Chefstratege ist überzeugt, dass es deshalb früher autonome Shuttle- und Sharing-Flotten geben wird, als viele annehmen. Und vor allem werden solche Autos schneller kommen, als Luxuslimousinen mit voll funktionsfähigen Autopiloten, wie sie Tesla oder Mercedes versprechen. Damit ist er auf einer Linie mit dem Konkurrenten Ford, der bereits zum Ende des Jahrzehnts viele tausende fahrerlose Kurzzeitmietwagen in zumindest einer ersten US-Großstadt einsetzen will.

Ohne großes Trara hat die Opel-Mutter GM ein ähnliches Projekt bereits gestartet – zumindest im kleinen Maßstab. Denn in San Francisco seien nicht nur Maven-Autos unterwegs, sondern auch autonome Chevrolet Bolt, die US-Variante des Opel Ampera-E, sagt Ammann und es ist für ihn nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Flotten wachsen und fusionieren. Dafür hat seine Firma bereits tief in die Tasche gegriffen, sich im Frühjahr für 500 Millionen Dollar am Uber-Konkurrenten Lyft beteiligt und für noch einmal knapp 600 Millionen das aufs autonome Fahren spezialisierte Start-Up-Unternehmen Cruise Automation gekauft.

All diese Projekte sind getrieben von der Überzeugung, dass Autohersteller mit dem Verkauf ihrer Fahrzeuge alleine nicht mehr über die Runden kommen werden. "Der Wandel vom reinen Automobilhersteller zum Mobilitätsdienstleister ist ein wichtiger Bestandteil der Opel-Zukunftsstrategie", sagt Marketingvorstand Müller und stimmt damit ein in einen Kanon, der auch in Stuttgart, Detroit oder Tokio gesungen wird.

Höhere Margen

Das wird auch Einfluss auf die Bilanzen haben. So zitieren amerikanische Zeitungen GM-Finanzchef Chuck Stevens mit der Prognose, dass der Konzern bis 2020 mit vermeintlichen Nebensächlichkeiten wie Fahrzeugfinanzierungen, Mobilitätsdienstleistungen und anderen Geschäften zwei Milliarden Dollar Gewinn machen will – laut Analysten immerhin ein Fünftel des gesamten Ergebnisses. Das liegt auch daran, dass mit solchen Dienstleistungen viel höhere Margen erzielt werden können: Ford zum Beispiel hat die Gewinnspanne von Robo-Taxen und Shuttle-Vans gegenüber Investoren kürzlich auf etwa 20 Prozent beziffert – rund 2,5 mal so viel wie beim Verkauf von Autos. Vielleicht also sollte sich Daimler-Chef Zetsche doch langsam mit der Vorstellung anfreunden, demnächst auch noch seine Zahnbürste zu teilen.

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