Lancia Historie
BildergalerieVorstellung Lancia Pu+Ra HPE
BildergalerieWer wissen will, wo die Reise von Lancia hinführen soll, muss also auch einen Blick in den Rückspiegel des zweitältesten bis heute existierenden italienischen Automobilherstellers wagen. Gegründet wurde die Marke mit dem traditionsreichen, unlängst aufgefrischten Logo von Lanze, Lenkrad und Schild am 29. November 1906 vom Fiat-Werksrennfahrer Vincenzo Lancia und seinem Freund, Claudio Fogolin. Wie der Massenhersteller Fiat war Lancia von Beginn an in Turin ansässig, echte Konkurrenten waren die beiden Konzerne allerdings nie, denn der technologie- und designverliebte Vincenzo Lancia spielte von Beginn an in der Premiumliga, dort wo Avantgarde angesagt ist.
Schon bei seinem ersten Pkw, dem Tipo 51 von 1908, später in Alfa 12 HP umbenannt, beeindruckte Vincenzo Lancia durch bahnbrechenden Leichtbau, und fünf Jahre später fuhr der Lancia Theta als erster Europäer mit serienmäßiger 6-Volt-Elektrik vor. Dann folgte ein von der Fachwelt als Jahrhundertauto gefeiertes Meisterwerk, der 1922 lancierte, distinguierte Lambda mit selbsttragender Karosserie und vorderer Einzelradaufhängung sowie kühnem V4-Motor. Schließlich der kompakte Aprilia von 1936, der mit Einzelradaufhängung rundum und stromlinienförmiger Karosserie alle Konkurrenten alt aussehen ließ. Für Vincenzo Lancia war es die letzte Konstruktion, denn der rastlose Ingenieur starb 1937 an einem Herzinfarkt.
„Design enthüllt das innere Wesen einer Sache", hatte Vincenzo Lancia einst postuliert – und dieses Credo gilt für Lancia bis heute. Als erstes Nachkriegsmodell debütierte 1950 die Aurelia mit revolutionärer viertüriger Pontonkarosserie ohne B-Säule und traumhaft schönen Coupés und Cabriolets – unter den verführerischen Blechkleidern stets revolutionäre Technik wie Transaxle-Bauweise und der erste Großserien-V6. Unter Hollywoodstars, Literaten und Intellektuellen galt Lancia nun endgültig als automobile Haute Couture und zukunftsweisende Alternative zu konservativen Engländern und feudalen deutschen Luxuskarossen.
Konnte es da noch eine Steigerung geben? Auf dem Turiner Autosalon 1955 präsentierte Battista Pininfarina den Lancia Florida, eine Stilstudie, die das Oberklassemodell Lancia Flaminia vorwegnahm und zugleich die Ära des Trapezdesigns in geometrischen, kantigen Linien mit klar gegliederten drei Volumina und einer fast schwebend leichten Dachkonstruktion einleitete. Anfang der 1960er stellte Pininfarina nicht ohne Stolz fest, dass 90 Prozent aller neuen Autos Stilelemente seiner Lancia Florida und Flaminia zitierten, von Trabant bis Rolls-Royce, das Trapezdesign beeinflusste über 100 Typen.
War es damals die Flaminia, die einen Blick in die Zukunft der Formensprache ermöglichte, zeigt heute die vollelektrisch angetriebene Studie Lancia Pu+Ra HPE, wo die Reise hinführt. „Beginnend mit dem Ypsilon werden unsere Autos der Zukunft vom Lancia Pu+Ra HPE inspiriert sein", erklärte dazu Luca Napolitano, CEO der Marke, also auch der 2026 folgende SUV Gamma und der für 2028 vorgesehen kompakte Delta. Eine Hommage an die Leuchttürme Aurelia und Flaminia setzt der neue pure plus radikale HPE (High Performance Electric) durch die fließende, nach hinten abfallende Seitenlinie und die Lackfarbe „Progressive Green“, die auf das strahlende „Azzurro Vincennes“ des Lancia Flaminia Bezug nimmt.
Den Code HPE verwendete Lancia erstmals 1975 für einen Shooting Brake auf Basis des Lancia Beta, allerdings damals mit der Bedeutung „High Performance Estate“. Dieser HPE führte die Idee legendärer Shootingbrakes wie des Volvo 1800 ES „Schneewittchen“ in eine neue Dekade. Mit dem auch technisch progressiven Beta und seiner verzweigten Modellfamilie stieg Lancia zu neuer Größe auf, nachdem Fiat die finanziell malade Marke 1969 übernommen hatte. Derweil holte der vom genialen Marcello Gandini konsequent keilförmig gezeichnete Supersportwagen Stratos den ersten Rallye-WM-Titel und eröffnete damit eine WM-Trophäensammlung, die der kantig-funktionale Lancia Delta als erfolgreichstes Rallyauto aller Zeiten in den 1980ern und frühen 1990ern zum Höhepunkt führte. Beim Concept Car Pu+Ra HPE sind es die runden Rückleuchten, die dem Stratos Referenz erweisen und die klaren Konturen erinnern an den ikonischen Delta, damals eine exklusive Alternative zu Fiat Ritmo oder VW Golf.
Als Inbegriff des italienischen Fashion-Minis etablierte sich dagegen ab 1985 der Lancia Y10, in späteren Generationen Ypsilon genannt. Mit extravaganter Couture gewann das Italo-Stadtauto Kultstatus, bis zum aktuellen Ypsilon erzielte die Alternative zu VW Polo oder Opel Corsa zumindest in Italien verblüffende Verkaufserfolge. „Maßgefertigter Luxus“, nannte Lancia sein Lifestylekonzept. Den Schick des für 2024 angekündigten Ypsilon soll bereits das Concept Pu+Ra HPE reflektieren.
Lancia Ypsilon (2023)
BildergalerieBleibt noch der Lancia Gamma, das exaltierte Vierzylinder-Flaggschiffmodell aus dem Jahr 1976, das 50 Jahre später als vollelektrischer SUV zurückkehrt. In der Studie Pu+Ra HPE zitieren die horizontalen Linien der Heckscheibe die Jalousien-artigen Details an C-Säule und Heck des Gamma, der übrigens auch als Pininfarina-Coupé für Furore sorgte, aber in den Verkaufszahlen klein blieb.
Welche besondere Faszination von klassischen Lancia ausgeht, erklärt Experte Frank Wilke von der Oldtimer-Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Im Gegensatz zum Konkurrenten Alfa Romeo war das Lancia Design stets eine Idee weniger sportlich, dafür aber eleganter. Häufig in dunkelblau lackiert standen sie als Neuwagen gern vor den Villen des italienischen Adels.“