Sind viele Dinge beim Thema Mobilität schnelllebig, ändern sich andere kaum. Egal, in welche Carpolicy man schaut, Sportwagen, Coupés und Cabriolets sind meistens tabu. Und zwar seit Jahrzehnten. Das Image dieser Fahrzeuge sei nicht passend, sie würden zu viel Sprit verbrauchen, wären zu stark motorisiert und andere Gründe werden angeführt. Zeit, umzudenken?
Denn teils kann das heute noch stimmen. Vor allem das „gefahrene“ Image hängt stark vom Fahrzeug selbst und der Branche ab. Und so kann auch ein Mercedes GLC 300e völlig deplatziert wirken aber in der Carpolicy wird (und vom Staat) er hofiert. Das Stigma fährt jedoch mit den Zweitürern.
Toyota GR 86 Fahrbericht (2023)
BildergalerieToyota GR 86: klein, schnell, sparsam
Ein Sportwagen alter Couleur ist der Toyota GR 86. Er besitzt noch viele Tugenden des klassischen Sportwagens – und viele Laster. Fangen wir mit den Nachteilen an, die man sich mit diesem nicht einmal 4,27 Meter kurzen und 1,31 Meter flachen Fahrzeug einhandelt. Das Platzangebot. Der Toyota GR 86 sitzt nicht locker-labbrig wie ein SUV, sondern eher bequem wie ein guter Maßanzug. Zumindest vorn. Die zwei hinteren Plätze fühlen sich eher nach zu heiß gewaschener Merino-Unterwäsche an und fungieren bestenfalls als Garderobe für die Jacke, doch auch diese drückt man besser ohne Sitzvorklappen durch, denn wer die Lehne vorklappt, muss den Sitz neu justieren. Der Kofferraum ist mit 276 Litern zwar klein, aber eben in den Innenraum erweiterbar. Warum Toyota und der DNA-Spender Subaru – der Subaru BRZ ist das Original – dem Coupé keine große Heckklappe spendierte, die die Nutzbarkeit deutlich erhöht, bleibt ein Geheimnis. So sollte das Gepäckstück wohl bedacht ausgewählt werden. Das waren die Nachteile.
Die Sitzposition ist tief – sehr tief. Das merkt man bei jedem Einsteigen, bei jedem Aussteigen und an (fast) jeder Ampel, wenn der Flugrost an den SUV-Bremsscheiben in Augenhöhe rollt. Wer in der Stadt unterwegs ist und einparken muss, freut sich indes über die sehr gute Übersichtlichkeit – in alle Richtungen. Die Sitzposition ist nicht nur tief, sie ist auch gut, wenngleich nicht für alle perfekt. Gleiches gilt für die Sitze selbst. Sie packen ordentlich zu und unterstützen bei zügiger Kurvenfahrt – dem Revier des Toyota GR 86. Die Gurtführung mittels Klemmriemen nervt jedoch eher, diese muss man aber auch nicht nutzen.
Unterstützung bei der Bedienung brauchen hingegen wohl nur wenige GR 86-Piloten. Denn in diesem Japaner gibt es sie noch, die Tasten, Drehregler und echte Schalter. Die Verarbeitung ist prima, die Materialien teils „interessant“. Schön, dass die Homologation des GR 86 wohl bereits etwas länger zurückliegt. Ein deaktivierter Spurhalteassistent bleibt bei ihm auch nach dem Motor-Neustart ausgeschaltet – mittlerweile undenkbar. Das ist vor allem im GR 86 sinnvoll, denn die Systeme sind nicht sonderlich raffiniert und greifen teils derbe ins Fahrgeschehen ein.
Toyota GR 86 mit Handschaltung wählen
Ein echtes Manko des Testwagens: die Sechsgang-Automatik. Eine eindringliche Empfehlung: nicht wählen. Nicht, weil Ewiggestrige meinen, ein Sportwagen muss per Hand geschaltet werden (hat mal jemand einen 911er mit Siebengang-Handschaltung bewegt?). Die Wandlerautomatik ist einfach schlecht. Wechselt sie im Alltag noch weich und oft treffsicher, nervt sie bei flotterer Gangart mit unwillkürlichen Schaltmanövern, die per Hand nie stattgefunden hätten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Höchstgeschwindigkeit im fünften Gang gefahren werden muss. Wer im manuellen Schaltschema per Schalttasten am Lenkrad in Stufe sechs wechselt, endet bei Tacho 208 im Begrenzer. Selbst bergab. Der Wechsel in Stufe fünf wird mit einem Rumms begleitet und es geht
flott weiter bis Tacho 222 und man landet wieder im Begrenzer. Dass nicht alles auf „German-Autobahn“ ausgelegt ist, merkt man auch den Spiegeln an. Diese vibrieren ab 180 dermaßen, dass man an den Alkoholkonsum des gestrigen Abends zurückdenkt – merkwürdig, der lag bei null. Aber Vmax ist auch nicht das Ziel des Toyota. Da hängt ein Skoda Fabia 1.5 TSI im (beim GR 86 nicht vorhandenen) Windschatten dran. Schnell ist dieser Toyota eher auf der Landstraße.
Toyota GR 86: das Fahrwerk
Der Fahrkomfort taugt zwar durchaus auch für die Langstrecke. Aber man merkt, dass sich bei den gewählten Feder-Dämpfer-Elementen und der Abstimmung jemand Gedanken gemacht hat, wie ein Sportwagen mit Straßenzulassung sich fahren sollte: spaßig. Der Toyota GR 86 liegt satt auf der Straße und gibt eine Rückmeldung, die bis zum Grenzbereich den Status Quo gut widerspiegelt. Die Lenkung agiert präzise mit perfekter Rückstellkraft. Und im Vergleich zu den (teil-)elektrifizierten Fahrzeugen hat der GR 86 eine Bremse, wie man sie von früher kennt. Mit feinfühligem Druckpunkt, sodass millimetergenaues Bremsen ohne Kopfnicken klappen. Aus heutiger Sicht ungewohnt wird es, wenn man flott fährt und die Kurvenradien enger werden. Der Toyota GR 86 tanzt gern mit dem Hinterteil. Das kann man als agil bewerten oder aber als riskant – je nach eigenem Ermessen. Fakt ist: Traktion ist eher ein Fremdwort des Hecktrieblers und das ESP setzt recht zaghaft ein.
Toyota GR 86 mit herzerweichendem Boxermotor
Ebenfalls nicht so, wie man es von modernen Autos gewohnt ist, agiert der Benzinmotor. Ohne Turbo-Wumms, ohne Elektro-Bumms mit recht großem Hubraum in Boxermanier. Der 2,4 Liter ist ein klassischer Saugmotor, wie es bei Subaru Tradition ist und von Toyota – wie das gesamte Fahrzeug – einfach mit übernommen wurde. Auf der Motorabdeckung prangen auch ungeniert beide Herstellernamen in Eintracht. Der Vierzylinder schöpft stellt seine 235 PS Maximalleistung irgendwo kurz vor 7.000 Touren bereit. Der zweite Frühling beginnt im Japaner erst ab 4.500 Touren, einen ersten gab es jedoch nie. Auch deswegen harmoniert ein Handschalter deutlich besser. Der Standardsprint wäre dann in gut sechs Sekunden abgehandelt, mit der Automatik sind es knapp sieben. Knapp 1.400 Kilogramm bringt der GR 86 auf die Waage – kein Leichtgewicht, doch im Vergleich zu dem, was man sonst so fährt, sehr leicht.
Wenig Gewicht, eine kleine Stirnfläche und ein effizienter Motor sind die Zutaten nicht nur für ein schnelles Automobil, sondern auch für ein sparsames. Und der Spritverbrauch ist ein Kostenfaktor im Fuhrpark. Betreiber einer Plug-in-Hybrid-Flotte verstehen das Thema mittlerweile. Denn „Möchtegern-Elektriker“ werden haben im betrieblichen Einsatz einen elektrischen Fahranteil von unter 20 Prozent. Mehr dazu auch auf unserem www.autoflotte.de/fuhrparktag am 24. Mai in Neuss. Wer sich im Toyota GR 86 zurückhält, schwimmt mit „Siebenkomma“ im Verkehr mit. Wer auf der Autobahn flott unterwegs ist, landet meist bei knapp neun. Bei Vollgas-Etappen sind es etwas mehr als zehn Liter. Ein Mercedes GLC 300e hätte bei diesem Tempo rund fünf Liter mehr. Hinzu kommt, dass Toyota den WLTP-Verbrauch mit 8,8 Litern angibt und damit mehr als wir im Testmittel erfahren haben (8,2 Liter). Mit dem 50-Liter-Tank lassen sich somit sinnvolle Reichweiten erzielen.
So sind die Contra-Argumente, die gegen den Zweitürer per se sprechen, heutzutage ebenso nichtig, wie die, dass man mit einem Elektroauto keine Langstrecken fahren könne und die Ladeinfrastruktur zu schlecht sei. Beides kann stimmen, tut es aber nur in wenigen Fällen.