Moderne Autos sind oft ein Einheitsbrei. Bei der Transporter-Gattung wird das noch offensichtlicher als bei Pkw-Modellen. Der Citroën Berlingo ist ein Peugeot Partner oder ein Opel Combo oder ein Toyota Proace City oder ein Fiat Doblò – und zwar 1:1 (siehe dazu dieses Video). Hinzu kommt, dass es alle fünf Modelle als Pkw-Version und als Nutzfahrzeug mit gegebenenfalls bis zu 4,4 Kubikmeter Stauraum und einer Tonne Nutzlast gibt. So geht also Kostenoptimierung und die meisten Kunden in diesem Segment stört das nicht. Denn sie wollen vor allem eins: ein praktisches Fahrzeug mit viel Platz für Kind und Kegel oder die Handwerkerausrüstung. Doch Obacht: Außer Toyota bietet keiner aus dem Stellantis-Konglomerat das Hochdachfahrzeug als Verbrenner in der Pkw-Variante an. „Electric only“ lautet die Zauberformel, um den CO2-Flottenverbrauch zu senken. Wer also einen Diesel haben möchte, muss entweder zur Nutzfahrzeugversion greifen, die auch als rustikaler Familientransporter taugt oder zum Toyota. Die Japaner haben offensichtlich noch keine Probleme mit dem Flottenverbrauch und bieten noch Pkw-Verbrenner an – als Diesel, Benziner und Stromer.
Hier geht es zum Autoflotte-Video des Toyota Proace Verso
Citroen Berlingo 2CV Fourgonnette
BildergalerieBerlingo Fourgonnette: Mit GFK in eine neue Welt
Individualisierung ist in dem Quintett also Mangelware. Am ehesten gelingt das noch Peugeot mit dem e-Rifter. Der Franzose ist etwas höhergelegt, hat hier und da Plastikbeplankungen für einen Robust-Look und sieht fast schon cool aus – und dürfte ob des erhöhten Stands vor allem auf der Autobahn weniger weit kommen.
Citroën hat sich nun gedacht, dass sie der Baureihe eine markante Maske überstülpen und das Design aus der Vergangenheit mit der Technik der Jetztzeit verheiraten. Dabei ist der Ideengeber und der Umsetzer aber nicht Citroën selbst – die haben lediglich abgesegnet –, sondern ein Karosseriebauer aus Italien. Davon gab es in den vergangenen Dekaden sehr viele und sehr gute. Viele sind aber auch einen bitteren Weg gegangen oder ganz auf der Strecke geblieben. Fabrizio Caselani heißt einer, den es früher noch nicht gab und der sich ursprünglich um Boote und deren GFK-Haut kümmerte und nicht um Automobile. Der Italiener ist jedoch ein Citroën-Fan durch und durch mit eigener gigantischer Sammlung. Und offensichtlich mag er die Designs der neuen Automobile eher nicht, weshalb er bereits den Typ HG (Citroën Jumpy-Basis) und den Typ H (Citroën Jumper-Basis) auf die Räder stellte. Seine Fan-Gemeinde und somit auch Kundschaft wiederum stammt oft aus der Food- und Cafe-Truck-Szene. Dort hat sich der Italiener mit Sitz in Sospiro nahe Cremona (süd-östlich von Mailand) längst einen Namen gemacht. Jetzt kommt also der Kleinste und vielleicht sympathischste Caselani-Citroën.
Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette: limitiert auf 200 Stück
Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette heißt das Sondermodell, das im ersten Schritt auf 200 Exemplare limitiert ist – was in Italien jedoch nicht bedeutet, dass es keine Edizione XY geben könnte. Aber kommen wir zum Offensichtlichen: Der Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette soll an den Citroën 2CV Fourgonnette aus den 1950ern erinnern. Wer jetzt nicht weiß, welches Modell das ist, befragt mal eine Suchmaschine und der Groschen fällt dann bei jedem. Kein Wunder, ist der 2CV Fourgonnette rund 1,25 Millionen Mal produziert worden – bis 1978. An die Tradition will nun Citroën mit dem Umbau aus Glasfaserkomponenten anknüpfen. Oder besser: Caselani. Denn so hochoffiziell gibt es den Umbau bei Citroën nicht. Einige Händler „machen mit“ und man kann den Berlingo im Zweirechnungsgeschäft erwerben oder direkt bei Caselani. Ebenso kann man aber seinen bereits vorhandenen Berlingo zum 2CV Fourgonnette umbauen lassen. Entweder direkt bei Caselani oder bei einem der Citroën-Partner, die mitmachen.
Am Grundcharakter des Berlingo ändert sich nichts, egal ist es auch, ob man die Kastenversion möchte oder bereits besitzt oder die Pkw-Variante. Der Umbau passt für alle, also auch beide Längen (4,40 Meter und 4,75 Meter). Innen bleibt generell alles identisch – bis auf die nummerierte Plakette im Cockpit. Die Änderungen finden außen statt und maßgeblichen Anteil an ihnen hat David Obendorfer, der Designer im Team Caselani. Seitlich wird einfach ein Struktur-Element „aufgeklebt“. Am Heck und vor allem an der Front steckt deutlich mehr Arbeit drin, die den Aufpreis für den Umbau von 16.800 Euro rechtfertigen soll. Oder man bestellt eben direkt bei Caselani für mindestens 37.500 Euro (alles Nettopreise) den umgebauten Neuwagen.
Scheinwerfer von Jeep, Rückleuchten von Hella (Aftersales)
Das Heck bekam runde LED-Leuchten von Hella, die an damals erinnern. Vorn strahlen Halogenscheinwerfer von Jeep. Die Wahl der Scheinwerfer war jedoch nicht dem Stellantis-Konzern geschuldet, zu dem Citroën und Jeep gleichermaßen gehören. Laut Caselani passten die Scheinwerfer des (alten) Wrangler einfach hervorragend und sind einfach zu bekommen. Motorhaube und Kotflügel sowie die gesamte Frontmaske sind komplett neu und von Obendorfer entworfen. Eine neue Homologation oder gar einen separaten Crashtest brauchte der Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette nicht – sonst hätte das Projekt auch beerdigt werden können. 13 Lackierungen bietet Caselani gegen einen Aufpreis von mindestens 1.400 Euro an. Zehn davon lehnen sich an die Farbauswahl der 60er und 70er an, was bedeutet: viel Pastell. Wer möchte, kann auch jede Wunschfarbe und spezielle Dekore bekommen.
Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette: Wie fährt sich Retro?
Und wie fährt sich das nun? Wie jeder Berlingo. Egal, ob man den Benziner (110 PS), einen der beiden Diesel (100 + 130 PS) oder die Elektro-Version (136 PS) nimmt, der Unterschied ist nicht zu erfahren. Lediglich die geriffelte Motorhaube und die stehenden Scheinwerfer können Großgewachsene hinterm Volant erspähen und werden daran erinnert, warum sich so viele Menschen nach dem Kastenwagen umdrehen. Denn das ist Gewiss: Unauffällig geht mit diesem Automobil definitiv nicht. Das muss man mögen oder gar wollen. So ist wahrscheinlich gerade de E-Version für den innerstädtischen Einsatz eine perfekte Werbefläche – nicht nur für Handwerksbetriebe. Leise summend stromert man mit dem 136-PS-E-Antrieb durch die City und schafft mit dem 50-kWh-Akku locker 250 Kilometer ohne nachzuladen. In den E-Transporter dürfen auch weiterhin maximal 800 Kilogramm Zuladung und sogar an einen montierbaren Anhängerhaken dürfen 750 Kilogramm dran. Wer öfter weitere Strecken fahren muss, ist gut mit dem 1,5-Liter-Diesel oder dem 1,2-Liter-Benziner bedient. Ab Tempo 130 pfeift dann hier und da der Wind ein Liedchen, das wir von der Originalversion nicht kennen. Da das jedoch nicht störend ist, passt es irgendwie sogar zu „damals". Gar nicht damals ist die Rückblickkamera, die auch bei vorwärts gerichteter Fahrt entweder ziemlich dicht hinter den Berlingo blickt oder aber per Tastendruck im Blinkerhebel die Ansicht auf Toter-Winkel (rechts) wechselt, was innerstädtisch immense Vorteile bietet. Fourgonnette heißt übrigens nichts anderes als Lieferwagen. Schön, wie einfach damals noch die Welt funktionierte.