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Smart: "Wir stellen eine Anti-E-Auto-Stimmung fest"

27.07.2024 10:47 Uhr | Lesezeit: 3 min
Dirk Adelmann, CEO von Smart Europe: "Wir haben fünf Disziplinen, in denen die europäischen Automobilhersteller sehr, sehr gut sind."
© Foto: Smart Europe

Überraschendes Förder-Aus, anhaltende Diskussionen und nun die Strafzölle gegen China – die Mobilitätswende hat es aktuell schwer. Weshalb Dirk Adelmann, CEO von Smart Europe, an Besserung glaubt.

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Auch der Elektroautobauer Smart ist von Strafzöllen auf chinesische Autos betroffen. Denn der einstige Kleinstwagenhersteller gehört mittlerweile zur Hälfte dem Geely-Konzern. Und baut seine Autos aktuell in China. Europa-Chef Dirk Adelmann positioniert sich in der aktuellen Debatte klar.

Die EU-Kommission hat gerade vorläufige Strafzölle für E-Autos aus chinesischen Werken verhängt. Auch Smart wird davon betroffen sein. Ihnen dürfte das nicht besonders gut gefallen, oder?

D. Adelmann: Ich glaube, dass wir in Deutschland jahrzehntelang vom Freihandel, von der Globalisierung insgesamt profitiert haben. Und ich persönlich bin ganz klar der Meinung, dass Protektionismus ein Weg ist, der uns definitiv mehr schadet als nützt. Und ich rede jetzt nicht von Schlag und Gegenschlag und Aufschaukeln, sondern generell glaube ich, dass eine Einschränkung des Freihandels nicht im Interesse Europas, nicht im Interesse Deutschlands und auch nicht im Interesse von Smart generell sein kann.

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Welchen konkreten Einfluss hätten höhere Zölle auf die Preise?

D. Adelmann: Das kann man relativ einfach ausrechnen, jetzt nicht spezifisch für Smart, sondern allgemein. Eine Erhöhung der Importzölle um 20 oder 21 Prozent geht in der Regel mit einer Preiserhöhung von 17 bis 19 Prozent einher, wenn man die Mehrkosten komplett an die Kunden weitergeben will. Aber das ist derzeit rein hypothetisch. Wir sind guter Dinge, dass die EU-Kommission und China spätestens bis zum 2. November, wenn die vorläufigen Zölle in reguläre übergehen würden, eine Lösung finden werden.


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Wie könnte denn so eine Lösung aussehen?

D. Adelmann: Eine intelligentere Lösung könnte ein Quotensystem an Stelle von Zollerhöhungen sein. Derzeit reden wir über einen Marktanteil chinesischer Hersteller von deutlich unter 5 Prozent. Das ist wirklich marginal. Und so etwas kann man notfalls auch anders regeln als mit Zöllen. Generell glauben wir aber auch, dass die Zollerhöhung völlig ins Leere laufen wird, also zumindest für die betroffenen Unternehmen. Wir haben einige Wettbewerber, die bereits angekündigt haben, dass sie dann keine günstigen und klimafreundlichen batterieelektrischen Fahrzeuge nach Europa exportieren werden, sondern Plug-in-Hybride oder Verbrennerfahrzeuge. Dann hätten wir es in Europa geschafft, das zarte Pflänzchen der Elektromobilität komplett vertrocknen zu lassen.

Die Zölle kämen für die E-Mobilität zur Unzeit. Aktuell ist die Nachfrage sowieso schon auf niedrigem Niveau.

D. Adelmann: Ja, wir stellen in der Tat in mehreren europäischen Ländern eine Art Anti-E-Auto-Stimmung fest. In Deutschland ist das nicht zuletzt durch den Förderstopp von heute auf morgen entstanden. Das hat nicht nur bei uns dazu geführt, dass viele Kunden verunsichert sind. Und das ist das Schlimmste, was man in einer solchen Transformationsphase hin zu klimaneutraler Mobilität machen kann. Am Ende hat die Industrie kurzfristig die Förderung übernommen, die der Staat nicht mehr gezahlt hat, weil die Kundenbestellungen schon da waren und wir unsere Kunden nicht hängen lassen wollten. Aber das Vertrauen war da schon beschädigt.


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Ein Problem, das ja hinter dieser ganzen Diskussion steckt, ist ja offenbar auch die Überkapazität, die es in China gibt.

D. Adelmann: Der Druck in China ist in der Tat enorm. Ich bin kein Freund von martialischen Begriffen, aber dort findet tatsächlich ein Preiskampf statt. Der dürfte sich aber in zwei bis drei Jahren erledigt haben, weil dann zwei Drittel der Hersteller entweder vom Markt verschwunden sind oder von anderen übernommen wurden. Nach dieser Konsolidierungswelle wird sich das Thema Überkapazitäten ein Stück weit auflösen.

Aber abgesehen davon glaube ich nicht, dass die hohe Produktion in China ein zentrales Problem für uns Europäer ist. Wenn Europa wirklich der Hauptabsatzkanal für die Überkapazitäten in China wäre, dann hätten wir deutlich mehr chinesische Fahrzeuge oder in China produzierte Fahrzeuge hier, als wir es jetzt sehen.

Wie blickt denn eigentlich China auf diese Zolldiskussion? Es gab offenbar auch emotionale Reaktionen.

D. Adelmann: Ja, kurzfristig schon, denn es gab sehr wenig Verständnis für das Handeln der EU. Wobei man der Kommission durchaus zugutehalten muss, dass es eine Untersuchung gab und der Sachverhalt über mehrere Monate sehr sorgfältig geprüft wurde, im Gegensatz zum Vorgehen der USA, die zwei Wochen zuvor sehr kurzfristig die Zölle auf chinesische Produkte und insbesondere auf Elektroautos erhöht hatten. Ich glaube, dass die heftige Reaktion in China auch mit dem zeitlichen Zusammenhang zu tun hatte. Man konnte in China den Eindruck gewinnen, dass im Westen eine Art Anti-China-Stimmung aufgekommen ist.


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Wird Smart eigentlich in Deutschland als chinesische Marke wahrgenommen?

D. Adelmann: Wir werden als europäische Marke wahrgenommen und treten auch so auf. Und so positionieren wir uns auch in China, um uns vom Wettbewerb zu differenzieren. Dabei setzen wir vor allem auf das Design, das von Mercedes-Benz verantwortet wird. Außerdem haben wir in Renningen, der Geburtsstätte des Smart, unser Entwicklungszentrum für Europa. Das heißt, wir bleiben im Kern eine europäische Marke, auch wenn die Fahrzeuge in China gebaut werden und größtenteils Geely-Technologie nutzen.

Die starke Verbindung nach China kann ja nicht nur als problematisch gesehen werden, sondern auch als eine Chance. Wie profitieren Sie von Geelys Innovationskraft?

D. Adelmann: Smart ist eines von vielen Kooperationsprojekten zwischen Geely und Mercedes-Benz. Schließlich ist Geely-Chef Li Shufu der größte Anteilseigner von Mercedes. Und der hat natürlich auch ein großes persönliches Interesse an einem Austausch. Wir sehen, dass Li sehr offen ist, wenn es darum geht, Innovationen und Technologien zu teilen. Bei unseren beiden Modellen #1 und #3 teilen wir uns beispielsweise die Plattform mit vier anderen Marken der Geely-Gruppe, unter anderem mit Volvo.

Daraus ergeben sich Skaleneffekte, die wir als Smart alleine oder auch mit Mercedes mangels Segmentüberschneidung nie hätten erreichen können. Das heißt, wir profitieren von der Modularität von Geely und wir profitieren massiv von den Investitionen in Technologie und Innovationen.



Mit Mercedes ist ein zweiter Partner vorhanden. Lassen sich die Stärken kombinieren?

D. Adelmann: Ich beschreibe das immer gerne als Zehnkampf. Wir haben fünf Disziplinen, in denen die europäischen Automobilhersteller sehr, sehr gut sind: Qualität, Haptik, Wertanmutung, Fahrgefühl, Dynamik, also die klassischen automobilen Werte. Deshalb kaufen viele Kunden trotz des höheren Preises deutsche Autos. Auf der anderen Seite haben wir das Thema Konnektivität, Software, In-Car-Entertainment und so weiter. Und da, glaube ich, können wir Europäer noch viel von den chinesischen Herstellern lernen.

Wer in Zukunft auf beiden Kontinenten erfolgreich sein will, muss einen möglichst ausgewogenen Zehnkampf machen. Er muss nicht in jeder Disziplin perfekt sein, aber er sollte sich schon in den einzelnen Disziplinen keine groben Schnitzer erlauben und in zwei, drei Disziplinen ganz vorne dabei sein. Und da haben wir als Smart mit den beiden Partnern Mercedes und Geely die besten Voraussetzungen.

Ein paar kulturelle Missverständnisse gab es aber schon. Etwa bei den Assistenzsystemen, die zum Start in Europa durchaus Kritik provozierten.

D. Adelmann:Am Anfang hatten unsere Kollegen in der Entwicklung die wichtige Erfahrung gemacht, dass es durchaus kulturelle Unterschiede in der Kundenwahrnehmung gibt, gerade bei den Assistenzsystemen. In China ist es absolut OK, wenn es piept und blinkt, in Europa möchte ich ungern permanent bevormundet werden. Das hat ein bisschen gedauert, bis wir uns da einig wurden.

Aber dann war das innerhalb von drei, vier Wochen erledigt. Da kam das erste Update, dann ein zweites. Solch eine Geschwindigkeit habe ich so noch nirgends erlebt. Diese kulturellen Details oder Unterschiede ein Stück weit zu verstehen, sich drauf einzulassen und dann gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, das war wahnsinnig spannend.

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