_ Der italienische Norden ist weniger Bella Italia als der emotionale Süden des Stiefelstaates. So zeigte Fiat ganz bewusst in der Turiner Zentrale seinen Hoffnungsträger für die Kompaktklasse. Diese ist zwar hart umkämpft, aber immer noch volumenträchtig und seit dem Frühjahr um einen italienischen Golf-Rivalen reicher. Da zeigte sich der Viertürer (4,53 Meter) des Tipos erstmalig, der ab Juni vom Schrägheck-Fünftürer (4,37 Meter) und ab September vom Kombi (4,57 Meter) eingerahmt wird.
Im Segment der Kompakten ist jede Nische im Grunde schon besetzt. Mit dem Tipo, dessen Namensgeber 1989 "Car of the year" wurde, setzt Fiat weniger auf sein emotionales Erbe, wie mit der Alfa Giulia, als vielmehr auf einen nüchternen Controllerliebling. Nüchtern ist gleich der Einstieg. Der Materialmix aus Hartplastik, Softtouchflächen und Stoffbezug ist nicht aufregend, aber völlig okay. Die Verarbeitung ist gut, nur die im Alltag oft beanspruchte Mittelkonsole wirkt kratz- und schmutzsensibel. Der 4,37 Meter lange Fünftürer bietet Platz satt für alle fünf Passagiere, nur die Ablagen sind knapp bemessen. Abseits des obligatorischen Cupholder-Duos in der Mittelkonsole wird es eng für eine größere Flasche - nun ja, die Sitze laden auch nicht unbedingt zu stundenlangen Touren ein. Das könnte sich mit der Lederausstattung ändern, die der Importeur bis Jahresende nachschieben will.
Eco-Paket
Hellhörig werden Flottenmanager wohl auch bei folgenden zwei Features, die nach dem Kombistart den Kompakt-Italo aufwerten sollen: eine Automatik für den 110-PS-Benziner und den 120-PS- Diesel sowie ein Eco-Paket, das den großen Diesel zum Sparmeister macht. Statt der 3,7 sollen 3,4 Liter auf der Normrunde reichen. Das ist Golf-Bluemotion-Niveau.
Wer Tipo fährt, will nicht unbedingt auffallen. Das galt für den Namensvetter ebenso wie für den jetzigen Sprössling, der nicht in Turin, sondern in der Türkei vom Band rollt. Der Italiener ist für ein bequemes und agiles Fortkommen konzipiert und lockt mit einem Discounterpreis. Die Stufenhecklimousine gibt es ab 11.756 Euro - als Diesel ab 13.437 Euro. Der Fünftürer schlägt mit mindestens 12.597 Euro als Benziner und 14.277 Euro als Selbstzünder zu Buche. Der große Diesel zeigte sich auf der Testrunde stets kraftvoll und spritzig - ein Verdienst des gut abgestimmten Sechsganghandschalters. Angenehm fielen auch die Laufruhe und die geringe Geräuschentwicklung auf. Den Blick nach hinten übernimmt die Rückfahrkamera, die im Top-Niveau Lounge das Bild auf dem 7-Zoll-Display wiedergibt. Der freistehende Touchscreen erinnert an die Mercedes C-Klasse (8,4 Zoll) und wertet das schlichte Interieur ungemein auf. Hier sollte man nicht am falschen Ende sparen.
Platz im Kombi
Wer sonst auf individuellen Luxus verzichtet, kann sich mit etwas anderem trösten: nämlich mit Stauraum. Die 440 Liter im Kofferraum der Limousine wachsen im Kombi auf 550 Liter an. Wer mehr Platz braucht, legt die asymmetrisch geteilte (60:40) Rücksitzbank um und schafft eine Ladefläche von maximal 1,8 Metern. Als letzte Depots dienen der geteilte Ladeboden und die an den Radkästen herausnehmbaren Seitenelemente. Das Business-Paket (im Fünftürer "Lounge" für 1.050 Euro) bringt Navi, DAB-Radio, Rückfahrkamera, Parksensoren hinten und Lordosenstütze für den Fahrersitz mit. Braucht es wirklich mehr?
- Ausgabe 06/2016 Seite 43 (132.6 KB, PDF)