Das ist ja spitze gelaufen! Die Kollegen sitzen gespannt vor den Bildschirmen und schauen, wie auf einem Raumfahrtbahnhof in New Mexiko als der neue Discovery Sport enthüllt wird, und Karl Richards hockt mal wieder hinter dem Lenkrad. Denn während (fast) die ganze Firma die große Premieren-Party feiert, gibt der Ingenieur dem Projekt L550 gerade seinen letzten Schliff.
Dafür ist er diesmal ausnahmsweise nicht in der Wüste von Dubai unterwegs, pflügt durchs arktische Eis am Polarkreis oder über die Schlammpisten rund um Eastnor Castle daheim in England. Nach einem Abstecher auf das Contidrom in Hannover und die Nordschleife in der Eifel jagt der Ingenieur jetzt vielmehr durch die Dolomiten: Auf Pässen und Jochs, die jedem Motorradfahrer angesichts dutzender Kurven schon bei der schlichten Erwähnung die Mundwinkel nach oben treiben, will er mit diesen letzten Abstimmungsfahrten sicherstellen, dass der neue Discovery Sport seinen Beinamen zurecht trägt. Immer und immer wieder prügelt er seinen gescheckten Prototypen deshalb die drei Dutzend Kehren zum Passo Pordoi hinauf und dreht eine Runde nach der anderen um den Sellastock. So wird der Disco zum Schrecken aller Touristen, die nicht wegen der Piste, sondern wegen des Panoramas hier sind.
Gipfelstürmer wie der F-Type?
Noch bleibt uns Journalisten bei diesem Höllenritt auf der alpinen Berg- und Talbahn nur die Rolle des Beifahrers. Denn vier Monate vor der Markteinführung Ende Februar ist der Platz hinter dem Lenkrad für Externe tabu. Aber schon beim Zuschauen kribbelt es im Gasfuß und die Hände suchen nach dem Lenkrad. Denn ohne Gejammer und Gequietsche und vor allem ohne zu untersteuern stürmt der Disco jeden Gipfel, als sei an ihm ein F-Type verloren gegangen.
Dass sich der Geländewagen tatsächlich so sportlich bewegt, liegt ganz sicher nicht am Leichtbau. Zwar haben die Entwickler um jedes Pfund gerungen und dank Heckklappe, Dach und Motorhaube aus Aluminium gegenüber dem deutlich kleineren aber technisch eng verwandten Evoque immerhin 20 Kilo abgespeckt. Aber mit rund 1,8 Tonnen ist der Nachfolger des Freelanders noch immer ein Schwergewicht – was bei 4,59 Metern Länge und Platz für drei Sitzreihen auch kein Wunder ist.
Möglich wird der heiße Ritt durch die Haarnadelkurven vielmehr durch den jauchzend nach oben drehenden Turbo-Benziner mit seinen 240 PS, das gründlich modernisierte Fahrwerk – und jede Menge Elektronik. Schließlich schleppt Richards nicht umsonst einen Kofferraum voller Computer mit sich herum. Während vor knapp 20 Jahren im ersten Freelander noch die Bergabfahrhilfe als Sensation gefeiert wurde, bekommt sein Enkel nicht nur ein Terrain-Response-System mit einer Sportstellung, die man wirklich spüren kann. Es gibt auch eine variable Federung und ein Torque-Vectoring, das die Antriebskraft zwischen den einzelnen Rädern einer Achse sortiert und so dem Fahrer hilft, den Wagen um die Kurve zu wuchten. Zwar dürften Richards am Ende des Tages trotzdem die Arme schmerzen bei all der Kurbelei. Doch sein breites Grinsen spricht Bände. Die Dolomiten rufen und der Disco kommt gerne. Und falls der Ingenieur irgendwann trotzdem die Lust verliert? Kein Problem: Ich könnte ihm gerne ein bisschen aushelfen. Dass ich die Strecke nur vom Skifahren kenne, dürfte dabei ja nichts ausmachen. Denn nur weil er sich so tapfer auf der Straße schlägt, traut sich der Discovery natürlich jederzeit ins Gelände und nimmt deshalb bei Bedarf auch den direkten Weg. (Benjamin Bessinger/sp-x)