_ Den Fall dürften die meisten Werkstattkunden schon einmal gehört haben: Nach durchgeführter Reparatur gibt es Streit mit der Werkstatt über die Höhe der Reparaturkosten. Bleibt der Kunde hart und zahlt den geforderten Rechnungsbetrag nicht, droht sie mit der Zurückbehaltung des reparierten Fahrzeugs bis zur vollständigen Bezahlung. Die näheren Voraussetzungen dieses "Werkunternehmerpfandrechts" dürften den meisten jedoch weitgehend unbekannt sein.
Es ist gängige Vorgehensweise, dass Reparaturbetriebe die Herausgabe der Fahrzeuge so lange verweigern, bis die Kostenrechnung des Kunden ausgeglichen wurde. Aber dürfen sie das überhaupt und wie weit reichen ihre Pfand- und Zurückbehaltungsrechte, wenn es sich - wie bei Fuhrparks üblich - um geleaste Fahrzeuge handelt, die nicht im Eigentum des Auftraggebers stehen?
Die rechtlichen Beziehungen zwischen der beauftragten Werkstatt und dem Kunden folgen dabei den Regeln des Werkvertragsrechts (§ 631 ff. BGB). Deshalb ist es ohne Belang, ob es sich um eine Reparatur, Um- oder Nachrüstung, ein Motortuning oder um eine einfache Wartung des Fahrzeuges handelt. Auch eine in Auftrag gegebene Fehlersuche oder Fehlerdiagnose fällt darunter.
Pfandrecht nach § 647 BGB
In erster Linie geht es in diesen Fallkonstellationen um ein gesetzliches Pfandrecht nach § 647 BGB. Für seine Forderung auf Zahlung des vereinbarten Lohnes aus dem Werkvertrag hat der Unternehmer ein Pfandrecht am Fahrzeug und den dazugehörenden Teilen sowie dem Fahrzeugschlüssel (§ 647 BGB). Auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) unterliegt dem Unternehmerpfandrecht (dies ergibt sich aus analoger Anwendung des § 952 BGB).
Die Werkstatt, besser: der Unternehmer, kann daher zur Befriedigung seines Pfandrechtes die Herausgabe des Fahrzeugbriefes verlangen, und dies, obwohl er durch die Reparatur nur den Besitz am Fahrzeug und vielleicht noch am Fahrzeugschein erlangt hatte.
Das Pfandrecht nach § 647 BGB sichert alle werkvertraglichen Ansprüche des Unternehmers einschließlich etwaiger Schadensersatzansprüche aus der konkreten Vertragsbeziehung. Es bezieht sich stets nur auf den jeweils konkreten Vertrag.
Erlöschen mit Herausgabe
Mit Herausgabe des Fahrzeugs erlischt das gesetzliche Werkunternehmerpfandrecht und lebt auch dann nicht wieder auf, wenn das Fahrzeug zum Beispiel erneut in die Werkstatt kommt. Es besteht daher auch nicht für Forderungen aus früheren Reparaturaufträgen.
Das Auto muss aber im Eigentum des Kunden stehen. Ist dies nicht der Fall, kann das gesetzliche Pfandrecht auch nicht gutgläubig erworben werden. Es entsteht auch dann nicht, wenn der Eigentümer dem Reparaturauftrag des Kunden zustimmt. Verlangt er (und nicht der Besitzer als Auftraggeber) das Auto heraus, kann diesem gegenüber kein gesetzliches Pfandrecht geltend gemacht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Werkstatt die Eigentumsverhältnisse an dem Fahrzeug bekannt waren oder nicht.
Vorsicht ist immer dann geboten, wenn aus der Zulassungsbescheinigung der Auftraggeber erkennbar nicht der Halter ist, und grundsätzlich, wenn es sich um geleaste oder finanzierte Fahrzeuge handelt, und ganz besonders, wenn sich der Auftraggeber bekanntermaßen geleaster Fahrzeuge bedient (Fuhrparks). Hier kann der Nutzer als Halter in der Zulassungsbescheinigung eingetragen sein, ohne dass er tatsächlicher Eigentümer ist.
Vertragliches Pfandrecht
Aus diesen Gründen hat das Kfz-Reparaturgewerbe bereits vor Jahrzehnten ein vertragliches Pfandrecht eingeführt. Individualabreden und allgemeine Geschäftsbedingungen können dieses begründen. Formularklauseln, die es für Forderungen (sogar aus einer früheren Reparatur) rechtfertigen, wurden vom Bundesgerichtshof (BGH) bisher nicht beanstandet. Auch die vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe unverbindlich empfohlenen Reparaturbedingungen regeln es:
Abschnitt VII. Erweitertes Pfandrecht
Dem Auftragnehmer steht wegen seiner Forderung aus dem Auftrag ein vertragliches Pfandrecht an den aufgrund des Auftrages in seinen Besitz gelangten Gegenständen zu.
Das vertragliche Pfandrecht kann auch wegen Forderungen aus früher durchgeführten Arbeiten, Ersatzteillieferungen und sonstigen Leistungen geltend gemacht werden, soweit sie mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen. Für sonstige Ansprüche aus der Geschäftsverbindung gilt das vertragliche Pfandrecht nur, soweit diese unbestritten sind oder ein rechtskräftiger Titel vorliegt und der Auftragsgegenstand dem Auftraggeber gehört.
Diese Bedingungen müssen wirksam in den Vertrag einbezogen werden. Beim vertraglichen Pfandrecht ist - anders als beim gesetzlichen - ein gutgläubiger Erwerb möglich.
Leasingfahrzeuge
Auch ohne Einsichtnahme in den Fahrzeugbrief erwirbt der Betrieb ein vertragliches Pfandrecht, es sei denn, er hatte konkreten Anlass zur Annahme, dass der Auftraggeber nicht der Eigentümer ist. Gerade so verhält es sich aber bei Flottenfahrzeugen. Deshalb von einer grundsätzlichen Bösgläubigkeit der Werkstätten auszugehen, wenn sie mit einer Pfandklausel in den Reparaturverträgen arbeiten, wäre falsch. Aber: Eine Werkstatt, die positiv weiß, dass es Leasingfahrzeuge sind, gilt nach der Rechtsprechung als bösgläubig.
Allerdings kann das vertragliche Pfandrecht auch durch eine Reparaturermächtigung des Eigentümers erworben werden. Der BGH spricht hier von einer "Verpflichtungsermächtigung", durch die der Besitzer (Leasingnehmer) im eigenen Namen ein vertragliches Pfandrecht am Fahrzeug bestellen darf (mit der Unterschrift unter den Reparaturvertrag). Gerade Leasingverträge verpflichten und berechtigen die Kfz-Besitzer (ohne Eigentum) in der Regel, die Autos instandzuhalten und reparieren zu lassen. Die üblichen Klauseln enthalten zwar meistens keine Vollmacht, sodass die Werkstatt keinen vertraglichen Vergütungsanspruch gegen den Eigentümer (Leasinggeber) erlangt. Dennoch nehmen die Gerichte das Entstehen eines vertraglichen Pfandrechtes an. Doch auch in dieser Konstellation reicht dieses nicht unbedingt weiter als das gesetzliche, es erfasst also keine Forderungen aus früheren Aufträgen.
Zurückbehaltungsrecht
Hier hilft - wenn überhaupt - nur das Zurückbehaltungsrecht weiter. Dieses berechtigt den Betrieb, das Fahrzeug nur Zug um Zug gegen die vollständige Zahlung des fälligen Werklohns herauszugeben. Zahlt der Kunde die Rechnung nicht oder nicht vollständig, kann der Kfz-Betrieb die Herausgabe des Fahrzeugs solange verweigern, bis sie bezahlt ist. Dies folgt aus § 273 BGB:
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
Zurückbehaltungsrecht
Der Unternehmer wird sich also nach der Reparatur eines nicht im Eigentum des Auftraggebers befindlichen Wagens, wenn er sich nicht auf ein Pfandrecht berufen kann, gegen den Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe nach § 985 BGB auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Der Vorteil: Dieses kann grundsätzlich für frühere Reparaturen geltend gemacht werden, wenn die Werkstatt aufgrund eines neuen Auftrags in den Besitz desselben Fahrzeugs gelangt. Es kann grundsätzlich auch für andere Autos des Schuldners gelten, wenn eine ständige Geschäftsbeziehung besteht.
Aber auch hier taucht ein Problem auf: Für das Zurückbehaltungsrecht ist ein fälliger Anspruch gegen den Eigentümer erforderlich; man spricht hier von einem fälligen, konnexen Anspruch. Daran fehlt es aber gerade dann, wenn der Leasingnehmer der Auftraggeber ist. Ob der Eigentümer mit dem Auftrag einverstanden war oder diesen sogar verlangt hat, ist unerheblich, solange er nicht als Besteller der Werkstattleistung auftritt.
Letztlich bleibt dann nur der umstrittene Rückgriff auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 BGB. Dies kommt dann in Frage, wenn es sich für den Unternehmer erkennbar nicht um den Eigentümer des Fahrzeugs handelt. Wurden an dem Fahrzeug notwendige Reparaturen vorgenommen, so steht dem Unternehmer hinsichtlich dieser Kosten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB zu.
Gerade bei Leasingfahrzeugen kann man davon ausgehen, dass auch der Eigentümer ein Interesse an den notwendigen Reparaturen hat. Das Zurückbehaltungsrecht beinhaltet jedoch lediglich das Recht das Fahrzeug zurückzuhalten, nicht es zu verwerten.
Rechtsprechung
Wie streitig die Rechtslage letztlich ist, zeigt eine Entscheidung des Amtsgericht (AG) Heinsberg. In einem Urteil aus dem Jahr 2010 hatte es das Werkunternehmerpfandrecht einer Autowerkstatt an einem zur Reparatur übergebenen Fahrzeugs verneint. Es hat sie vielmehr per einstweiliger Verfügung zu dessen Herausgabe verurteilt.
Im zugrundeliegenden Fall hatte die Ehefrau den Wagen ihres Mannes in die Werkstatt gebracht. Sie war nur die Halterin, Besitzer des Fahrzeugs ihr Mann. Dieser habe jedoch den Auftrag nicht erteilt. Aus diesem Grund könne er ihm auch nicht zugerechnet werden. Daher könne die Auto-Werkstatt auch nicht von ihrem Werkunternehmerpfandrecht Gebrauch machen (Amtsgericht Heinsberg, Entscheidung vom 28.05.2010, Az. 19 C 67/10).
So ähnlich entschied auch bereits 2004 das OLG Hamm. Bei der Reparatur eines Leasingfahrzeuges erwirbt der Unternehmer zur Sicherung seiner Werklohnforderung in der Regel kein Werkunternehmerpfandrecht. Bis zur Bezahlung seiner Werklohnforderung kann er aber dem werkvertraglich begründeten Herausgabeanspruch des Auftraggebers (und Leasingnehmers) ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten.
Dem Herausgabeanspruch des Eigentümers kann der Unternehmer gemäß § 320 BGB ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten, das sich aus der mit Auftrag begründeten Werklohnforderung ergibt. Diese war berechtigt und vom Auftraggeber zu bezahlen. Damit durfte die Werkstatt die Herausgabe des Fahrzeugs an den Auftraggeber davon abhängig machen, dass dieser - Zug um Zug - den vereinbarten Werklohn an sie zahlte (OLG Hamm, Entscheidung vom 12.02.2004; Az. 21 U 165/03). Wohlgemerkt: gegenüber dem Auftraggeber, nicht gegenüber dem Eigentümer!
- Ausgabe 08/2015 Seite 60 (210.3 KB, PDF)