_ Herr Hüttemann, für Volvo ist das Flottenjahr 2016 gut gelaufen. Mit 8,7 Prozent plus lagen Sie deutlich über dem Gesamtmarkt. Wenn man sich die einzelnen Baureihen anschaut, lag aber nur der XC90 über Vorjahr. Was ist der Hintergrund dieser Entwicklung? Rüdiger Hüttemann: Unser Ziel war ein Flottenmarktanteil von 1,5 Prozent. Dieses Ziel haben wir erreicht. Der Volvo XC90 war 2016 unser jüngstes und attraktivstes Modell, und neue Modelle übernehmen ja gerne die Rolle des Zugpferds.
Der Erfolg des neuen SUV ist mit insgesamt über 7.000 Zulassungen in 2016 herausragend. Dass Fahrzeuge, die sich bereits dem Ende ihres Lebenszyklus nähern, Anteile verlieren, ist keine Überraschung, aber wir haben das sehr gut kompensiert. Der neue Volvo S90, der V90 und der V90 Cross Country werden in ihrem ersten vollen Verkaufsjahr 2017 einen ähnlich positiven Impuls geben.
_ Welchen Anteil hat der frontgetriebene D4 am XC90-Erfolg?
R. Hüttemann: Grundsätzlich sind beim Volvo XC90 weiterhin stärkere Motorisierungen und höhere Ausstattungsniveaus gefragt. Rund 75 Prozent entfallen auf den D5, rund zehn Prozent auf den D4 mit Frontantrieb, der somit eine wichtige Ergänzung des Portfolios darstellt.
_ Vom Volvo S90 und V90 konnten Sie 2016 knapp 770 Exemplare an Flottenkunden verkaufen. Das letzte Jahr war für die neuen Modelle zwar noch kein volles Verkaufsjahr, dennoch die Frage: Wie zufrieden sind Sie mit dieser Resonanz?
R. Hüttemann: Volvo S90 und V90 werden sehr gut angenommen und die Nachfrage steigt stetig. Wir freuen uns besonders darüber, dass wir eine ganze Reihe Kunden zurückerobern, die uns insbesondere mit der Limousine gar nicht mehr auf der Shopping-Liste hatten. Deshalb erwarten wir für 2017 auch einen anhaltenden Zulauf, der sich aber schon jetzt in den Bestelleingängen zeigt. Das unterstützen wir auf Handelsseite mit speziellen Flotten-Vorführwagen, damit die Interessenten die Fahrzeuge schon frühzeitig kennenlernen können.
_ Von welchen Marken kehren die verlorenen Kunden zurück? Von Audi, BMW und Mercedes-Benz?
R. Hüttemann: Das sind Kunden aus dem Kreis aller deutschen Premium-Hersteller, wir sehen aber auch viele Aufsteiger, die bisher bei Volumenmarken gekauft haben. Letztlich ist es wichtig für uns, dass wir erobern, dass wir die Kunden, für die der Volvo V70 und der S80 keine wettbewerbsfähigen Angebote mehr waren, wieder erreichen. Unsere neuen Modelle sind jetzt eine vollwertige Alternative auf Augenhöhe.
_ Welche Erwartungen haben Sie an den 150 PS starken D3, der jetzt in S90 und V90 verfügbar ist?
R. Hüttemann: In der Flotte wird der Volvo S90 beziehungsweise V90 D4 mit 190 PS das Volumenmodell bleiben. Die Modelle stellen bei den Dieseln die gesunde Mitte dar. Nichtsdestotrotz ist der D3 wichtig, weil es ja durchaus Kunden gibt, die ein großes Fahrzeug suchen, denen aber die Car Policy Leistungsgrenzen setzt. Und denen bietet auch der D3 gute Fahrleistungen und gleichzeitig hohe Effizienz.
_ Seit einigen Wochen bieten Sie mit dem V90 Cross Country die vierte Variante Ihrer 90er-Reihe an. Ein Auto auch für Flotten?
R. Hüttemann: Der Volvo V90 Cross Country verbindet als Allradmodell die typischen Eigenschaften der 90er-Baureihe wie Sicherheit und skandinavisches Design mit besonderer Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Das Auto ist höchst variabel und vielseitig einsetzbar. Wir sind überzeugt, dass der Volvo V90 Cross Country auch für Fuhrparks interessant ist und da gerade für User Chooser, die aufgrund der Car Policy keine reinen SUVs auswählen dürfen.
_ 2017 steht bei Ihnen aber auch im Zeichen Ihres Bestsellers XC60, dessen Neuauflage Anfang März in Genf Premiere feierte. Welche Pläne verfolgen Sie für diese Baureihe?
R. Hüttemann: Wir haben die Orderbücher für den neuen Volvo XC60 mit der Weltpremiere geöffnet, die Markteinführung erfolgt im Sommer. Im Startjahr werden wir die alte und die neue Generation für einige Monate noch parallel produzieren und anbieten. So können wir Kunden bedienen, die - mit einem gewissen Preisvorteil - ein etabliertes und ausgereiftes Produkt wünschen, aber auch die Kunden, die sofort das neue Modell haben wollen. Wir gehen davon aus, dass wir in 2017 insgesamt rund 14.000 Volvo XC60 verkaufen können, etwa ein Drittel davon entfällt auf das neue Modell.
_ Mit S60 und V60 geht es auch wie geplant weiter?
R. Hüttemann: Ja. Die Neuauflagen stellen wir wie geplant in 2018 vor.
_ Wie sieht es mit der 40er-Reihe aus? Da haben Sie mit den Studien 40.1 und 40.2 ja bereits einen Ausblick gewagt.
R. Hüttemann: Ende 2017 stellen wir unser neues Kompakt-SUV, den Volvo XC40, vor. Der Volvo XC40 wird auf unserer neuen kompakten, modularen CMA-Architektur stehen und sich optisch stark an der Studie 40.1 Concept orientieren. Der Verkauf wird noch in 2017 starten, die Markteinführung ist früh in 2018. Wir erwarten von diesem Auto in einem für uns neuen Segment ebenfalls einen spürbaren Wachstumsschub. Was den Nachfolger des Volvo V40 angeht, wollen wir heute noch nicht ins Detail gehen. Zunächst möchten wir uns auf die genannten Neuheiten konzentrieren.
_ Mit Schwedenleasing und Schwedenversicherung haben Sie sich letztes Jahr auch im Dienstleistungsbereich neu aufgestellt. Welche Resonanz gibt es auf diese Produkte?
R. Hüttemann: Das Schwedenleasing ist ein voller Erfolg. Wir haben 2016 über 6.000 Verträge oder 65 Prozent unserer gewerblichen Leasingverträge mit Schwedenleasing abgeschlossen. Das ist ein sehr, sehr hoher Anteil, der deutlich über unseren Erwartungen liegt.
_ Welche Full-Service-Bausteine sind die gefragtesten?
R. Hüttemann: Wartung und Verschleiß sind Standard, da kommen wir also auf eine Penetration von 100 Prozent. Sehr beliebt ist mit über 20 Prozent Penetration auch der Baustein Ersatzwagen, gefolgt vom Reifenersatz oder dem Gap-Versicherungsschutz.
_ Bei der Wahl seiner Versicherung ist der Kunde ja auch beim Schwedenleasing frei. Wie viele Kunden entscheiden sich für die Schwedenversicherung?
R. Hüttemann: Wenn wir uns das gesamte Endkundengeschäft ansehen, haben wir knapp zehn Prozent Anteil erreicht, was, das muss ich zugeben, nicht ganz unseren Erwartungen entsprochen hat. Aber wir waren ja auch noch in einem Aufbaujahr. Mittlerweile haben 95 Prozent unserer Händler Agenturverträge für die Schwedenversicherung abgeschlossen, das Produkt ist stimmig, und wir sind zuversichtlich, dass wir mittelfristig unser Ziel von 20 Prozent Penetration erreichen werden.
_ Was sich im letzten Jahr ebenfalls noch im Aufbau befand, war Ihr Vermietprogramm Schwedenflotte. Wie ist da der aktuelle Stand?
R. Hüttemann: Die Schwedenflotte ist für uns ein Weg, unsere Händler langfristig zu Mobilitätsanbietern zu entwickeln. Auch da haben wir uns erfolgreich weiterentwickelt. Mittlerweile sind bei 160 von 180 Volvo-Partnern an 240 Standorten über 1.000 Mietautos verfügbar.
Damit hat jeder teilnehmende Händler rund sieben Fahrzeuge im Bestand, die sehr stark für die Mobilität gewerblicher Kunden eingesetzt werden, wobei die Werkstattersatzmobilität die größte Rolle spielt, aber auch die Langzeitmiete bis zu zwölf Monate. Künftig wollen wir vor allem die automatisierte Vermietung weiter vorantreiben, zum Beispiel das Buchen, Öffnen und Schließen der Fahrzeuge via App. Da sind wir derzeit mit drei Pilothändlern in der Testphase.
_ In den USA hat Volvo im Rahmen eines Pilotprojekts einen Concierge Service ins Leben gerufen, der es Kunden ermöglicht, via App zum Beispiel eine Fahrzeugwäsche zu ordern. Wäre ein solcher Dienst mit ähnlichen oder anderen Angeboten interessant für den Flottenmarkt in Deutschland?
R. Hüttemann: Wie Sie schon sagen, das ist derzeit ein rein US-amerikanisches Projekt. Aber unsere Fahrzeuge bieten einige Möglichkeiten. Da besteht natürlich auch Potenzial mit Blick auf Dienstleistungen. Ein Beispiel aus Schweden wäre die Paketlieferung ins Fahrzeug. Das ist etwas, worüber auch wir intensiv nachdenken.
_ In Deutschland ändert sich langsam die Gesetzeslage zum autonomen Fahren. Wie weit ist Volvo bei diesem Thema aktuell?
R. Hüttemann: Aktuell bieten wir in unserer 90er-Reihe teilautonomes Fahren bis 130 Stundenkilometer. Da sprechen wir über das Level zwei, das weiterhin die Aufmerksamkeit und aktive Eingriffe des Fahrers erfordert. Aber natürlich entwickeln wir dieses Thema weiter. In Göteborg haben wir zum Beispiel das Pilotprojekt Drive Me ins Leben gerufen, das es bis zu 100 Familien ermöglicht, ab Jahresende 2017 schrittweise vollständig autonom zu fahren.
Mit Hilfe dieses Projekts möchten unsere Entwickler vor allem das typische Nutzerverhalten kennenlernen und unsere Technik entsprechend in die Zukunft führen. Hinter dem Projekt Drive Me steht aber nicht nur Volvo allein, sondern viele Partner wie Behörden, Universitäten oder Juristen. Alleine können wir solche Aktivitäten nicht realisieren, schließlich brauchen wir - neben der zuverlässigen Technik - entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen. Die werden wir für das Projekt in Göteborg schaffen.
_ Wann glauben Sie, wird sich das autonome Fahren durchgesetzt haben?
R. Hüttemann: Rein technisch ist Volvo bis 2021 so weit, voll autonom fahrende Modelle anzubieten. Die Einführung ist aber vielmehr eine Frage der Rahmenbedingungen. Und ob die in vier Jahren so weit entwickelt sind, weiß derzeit niemand.
_ Volvos Zusage, für Schäden zu haften, die durch autonom fahrende Volvos entstanden sind, steht weiterhin?
R. Hüttemann: Diese Zusage steht, aber natürlich nur, wenn der Unfall durch ein technisches oder herstellerbedingtes Problem entstanden ist. Wenn der Fahrer einen Fehler macht und seine Verantwortung nicht wahrnimmt, dann natürlich nicht. Aber genau deshalb ist es ja so wichtig, das Nutzerverhalten zu erforschen.
_ Herr Hüttemann, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian Frederik Merten
- Ausgabe 04/2017 Seite 60 (149.6 KB, PDF)