Vier Jahre ist es alt und dennoch sieht es fast aus wie ein Neubau. Seit 2018 steht das neue Office von Trelleborg Sealing Solutions hier im Süden von Stuttgart und es wirkt immer noch so, als wäre die Eröffnung erst letzten Monat gewesen. Die typischen Spuren der Abnutzung vermisst man, da die Menschen in den vergangenen zweieinhalb Jahren zum Großteil ihrer Arbeit von zu Hause aus nachgingen. Wie bei vielen Großraumbüros, die vor Jahren geplant wurden, spielte Homeoffice noch keine Rolle - die Idee des "Slow Work Movement" allerdings schon.
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Was sich als "freies Arbeiten an buchbaren Plätzen" übersetzen lässt, wird hier in Stuttgart-Vaihingen gelebt - und zwar von immer mehr Mitarbeitern, denn die Unternehmenseinheit des schwedischen Konzerns, der aus der gleichnamigen Stadt stammt, die Skandinavienreisende von Fährfahrten kennen werden, wuchs in dieser Zeit um gut 50 Prozent. Der Stuttgarter Standort von Trelleborg Sealing Solutions hat im Portfolio eine große Bandbreite zu bieten. Neben so spektakulären Dingen wie Dichtungen für den Unterwassertunnel am Fehmarnbelt oder Dämpfer für das Fahrwerk von Flugzeugen gibt es auch Alltagsgegenstände wie türkisfarbene (das ist die Hausfarbe) Dichtungsringe oder einfache Schnuller.
In den vergangenen zwei Corona-Jahren schnellte die Zahl der Mitarbeiter von knapp 400 auf mehr als 600 nach oben. Einige Neue kennen seither nur die eigenen vier Wände - kein Wunder bei einem Homeoffice-Anteil von aktuell bis zu 100 Prozent, welches aufgrund der Covid-Pandemie nach wie vor ermöglicht wird. Langsam soll das noch neuwertige Gebäude wieder bevölkert werden, was mit dem "Slow Flowing Office Concept" sowie den Mobilitätskonzepten einhergeht. Es gibt Jobtickets - der Vaihinger Bahnhof ist in Wurfweite, Job-Räder samt E-Bike-Ladestationen und Duschen. Und es gibt das Parkhaus mit sechzehn Etagen, das mit anderen Organisationen geteilt wird. Hier können Mitarbeiter ihre E-Autos kostenfrei laden - was bis 2030 noch steuerfrei ist.
Trelleborg Sealing Solutions: Facility Management und Flotte
Strom ist kein Problem. Da allein die Forschungs- und Entwicklungsabteilung vor Ort hochenergetische Laborräume und einen Prüfstand für die simulierte Landung eines Airbus betreibt, sorgen zwei eigene Trafos für maximal 3,2 Megawatt Energie. Ein Teil davon fließt seit gut einem Jahr in die 108 AC-Lader mit bis zu 7,2 kW sowie vier 22-kW-Lader im Parkhaus, das - wie das Office selbst - ein Mietobjekt ist. Verantwortlich für das Parkhaus ist Alexandra Traub. Sie leitet das Facility-Management und damit alle Themen, die die Immobilie betreffen. Das heißt im Moment vor allem Energieoptimierung. Da bereits die Themen Arbeitssicherheit und damit die Pandemiebekämpfung in den Arbeitsbereich der Facility-Managerin fiel, ist diese tough - proaktiv, ideenreich, verbindlich.
Die studierte Wirtschaftsingenieurin war früh in die Aufgaben rund um die Firmenflotte involviert. Nun zählen eben das Monitoring der Ladevorgänge und das Energiemanagement ebenso dazu. Die klassischen Fuhrparkthemen wie Inspektionstermine, Ersatzwagen etc. verantwortet jedoch eine Assistenzstelle des Managements im Haus - externe Dienstleister kümmern sich etwa um die Kontrolle der Führerscheine, sodass auch Zeit bleibt, in diese neue Sphäre einzutauchen, die mit dem Boom der E-Fahrzeuge ihren Anfang nahm. "So war es nur logisch, dass das Facility-Management bei den neuen Themen wie Strom, Statik und Verkabelung eine führende Rolle übernehmen wird", zeichnet Traub kurz ihre Kompetenzlinien nach.
Masterplan Ladeinfrastruktur II - Beschlüsse
BildergalerieAndere Planung
Das ist keine Selbstverständlichkeit. "In den meisten Firmen, mit denen wir Gespräche zur Elektrifizierung der Flotte führen, sind der Fuhrpark und das Facility-Management immer noch getrennt", berichtet Nicole Dötterer vom Ladepartner Charge Big. In der Ursprungsplanung spielten die Ladesäulen am Standort nur eine Nebenrolle. Vier 22-kW-Lader wurden 2018 bei der Eröffnung in Betrieb genommen. Der Bedarf wuchs erst langsam, wurde aber sowohl von den CO2-Sparvorgaben des schwedischen Mutterkonzerns (bis 2035 will man als Unternehmen CO2-neutral agieren) als auch durch die Förderprogramme für die Autos und die Infrastruktur befeuert. Also legte man los, allerdings nicht ohne Vorbedingungen zu formulieren."Die ganze Ladeinfrastruktur soll leicht zu handhaben, eichrechtkonform und innovativ sein", fasst Traub die Kernelemente des Lastenheftes zusammen.
Die Tatsache, dass AC-Laden in diese Kategorie passt, liegt für Nicole Dötterer auf der Hand. "Um auf der Pendlerstrecke Fahrzeuge intelligent zu laden, reichen die AC-Lader aus", erklärt die Verantwortliche für den Vertrieb bei Charge Big und ergänzt:"Zumal die meisten Plug-in-Hybride aufgrund ihres Onboard-Chargers nur einphasig laden können." Wobei man in das Charge-Big-System auch 22-kW-Lader integrieren könnte. In der Regel reichen allerdings die 3,6-kW-Anschlüsse fürs Laden in der Arbeitszeit beim Arbeitgeber. Ein nachträgliches Aufrüsten eines einphasigen Ladepunktes geht indes nur, sofern im Ladeschrank noch Platz vorhanden ist - ratsam ist es ob des Mehraufwandes eher nicht, lieber sollten bei der Ausgangsplanung solche Eventualitäten berücksichtigt werden, so der Tipp.
Electric Heavy Metal
BildergalerieTrelleborg Sealing Solutions: Vier Stunden am Stecker
Dauerte das Gesamtprojekt inklusive der Planung gut sechs Monate, so belief sich die Arbeitszeit vor Ort dann nur auf knapp zwei Wochen. Um die sechs Ebenen im Parkhaus (Ebene 6 bis 11) mit den einphasigen Energiespendern auszustatten, wurden neben den Ladepunkten mit den fest angeschlagenen Kabeln jeweils ein Verteilerkasten für zwei Ebenen montiert. Verbunden sind diese Stromkreisläufe über die Steigetrasse des Gebäudes, sodass alles - wie gefordert - rückstandsfrei rückgebaut werden kann. Ein wichtiger externer Impuls für diese Investition lag in der Förderung, so wurden 40 Prozent der Kosten über ein hiesiges Förderprogramm (Charge@BW) bezuschusst.
Da unser Besuch in Stuttgart-Vaihingen zur Urlaubszeit stattfand, luden nur wenige Stromer ihre Akkus auf. Die aktuellen Reports zeigen, dass die E-Fahrzeuge im Durchschnitt fast vier Stunden am Stecker sind. "Eine höhere Ladeleistung brauchen wir also nicht", resümiert Traub. Die maximale Ladeleistung am Ladepunkt ergibt sich aus den Parametern Netzanschluss, Anzahl der ladenden Fahrzeuge und die Leistung des Onboard-Chargers des zu ladenden Fahrzeugs. Das smarte an dieser Regelung ist, dass der Gesamtstromverbrauch nicht kurzfristig in die Höhe schnellen kann, was eben jene Spitzen vermeidet, welche den zu zahlenden Preis für den Netzanschluss definieren.
"Trelleborg erhält jeden Monat einen Report, der die Ladevorgänge samt der geladenen Leistung aufschlüsselt. Die Gesamtsumme geht an den Stromlieferanten als ein Kostenblock", erklärt Dötterer. Im Fall von Trelleborg können die Dienstwagenfahrer sowie die Mitarbeiter kostenfrei laden, die Gäste wiederum zahlen einen festgelegten Tarif. Damit dies auch weiterhin bezahlbar bleibt, wurden auf dem Dach des Büros Fotovoltaik-Panele platziert, die Eigenstrom liefern. Zudem wird innerhalb der unterschiedlichen Verbraucher geschaut, wo aktuelle Stromspitzen liegen und wie diese mittels Puffer verringert werden können. Die Stromer funktionieren als Puffer allerdings noch nicht - das lassen weder die vorhandene Fahrzeugtechnik (sofern kein Chademo-System im Auto verbaut ist) noch die AC-Lader zu.
"Zum bidirektionalen Laden gibt es noch einige Fragen zu klären, wie zum Steuerrecht. Zudem können dies im Moment nur sehr wenige Fahrzeuge umsetzen, aber wir werden mit Charge Big 2.0 auch eine bidirektionale Lösung anbieten, und zwar eine zentrale DC-Ladelösung für mehrere Ladepunkte mit je bis zu 20 kW Leistung. Da sprechen wir aber vom Jahr 2025", blickt Dötterer voraus.
Zur Zukunftsmusik zählt auch das induktive Laden, was der Mutterkonzern von Charge Big, Mahle, mit Siemens angegangen ist, um gemeinsam einen Standard für die Großserie zu entwickeln. Das kabellose Laden wäre auch fürs autonome Fahren ein wichtiges Puzzlestück, da die Fahrzeuge damit ohne menschliches Zutun ihren Energiebedarf decken könnten.
Mitarbeiter fragen nach
Die Mobilität der Gegenwart besteht bei Trelleborg auch aus zwei Carsharing-Fahrzeugen eines lokalen Anbieters, die auf festen Parkplätzen vor dem Haupteingang geparkt sind und von den Mitarbeitern für Dienstfahrten genutzt werden können. Poolfahrzeuge gibt es seitdem übrigens keine mehr. Die S-Bahn ist gleich ums Eck und Diensträder sind wählbar.
Neue Mitarbeiter erhalten diese Informationen beim Onboarding und finden sie auch auf eigenen Microsites im Intranet sowie während der regelmäßigen Townhall-Meetings. "Das Interesse an den Themen Umwelt und E-Mobilität ist bei den Mitarbeitenden mittlerweile sehr groß", freut sich Traub, die selbst am besten weiß, welche Vorarbeiten eine Firma dafür erst leisten muss, um dann bei den Angestellten punkten zu können.
Dass dies alles Früchte trägt, beweisen die per E-Mail verschickten Voucher für die Mitarbeiter, welche die Freischaltcodes für die E-Ladung beinhalten. "Bis zu 70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben sich mittlerweile gemeldet und nach dem Zugang zu den Ladepunkten gefragt. Das ist ein erster Erfolg", freut sich die Facility- und Flotten-Managerin.
Der Fuhrpark von Trelleborg Sealing Solutions
- Anzahl der Dienstfahrzeuge: 74- Marken und Modelle: Audi, BMW, Mercedes-Benz, Skoda, Volvo, VW; 26 Modelle- E-Anteil: Auslieferung erster E-Fahrzeuge November 2022, Hybrid-Anteil 13,5%- Restriktionen beim Bestellen: nur E-Fahrzeuge möglich- Leasingpartner: Alphabet