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Mitsubishi Colt: Neun wilde Fohlen und ein braver Franzose

08.07.2023 06:02 Uhr | Lesezeit: 4 min
Mitsubishi Colt.
© Foto: Mitsubishi Motors

Kaum ein Autofan denkt an Mitsubishi, wenn von mutigen Vorreitern gesprochen wird. Dabei wagen die Japaner mit Fahrzeugen wie dem Colt seit über 60 Jahren neue Wege.

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Wirklich neu ist er nicht, dieser Colt, den Mitsubishi heute als „Rückkehr einer Ikone“ feiert. Handelt es sich bei der zehnten Generation der Colt-Dynastie doch um einen geringfügig modifizierten Zwilling des kleinen Renault Clio. Allerdings haben die Japaner ihre Interpretation des meistverkauften Franzosen aller Zeiten um eine Fünf-Jahres-Garantie ergänzt, denn es war auch eine geradezu legendäre Zuverlässigkeit, die den Colt ab 1962 in Nippon und ab 1979 in Deutschland verblüffend erfolgreich im Revier etablierter Cityflitzer wildern ließ. Colt, wer denkt da nicht an die legendäre Schusswaffe, in Wahrheit bezieht sich der Name aber auf ein junges Pferd oder Fohlen.

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Ein kleiner Wildfang, der gedankliche Assoziationen zum Mustang weckt – und tatsächlich: Ebenso wie das seit 1964 Verkaufsrekorde einfahrende Pony-Car mit Ford-Signet ist der zwei Jahre zuvor lancierte Mitsubishi Colt ein Produkt der Marktforscher. Ein neues automobiles Format finden, angereichert durch bezahlbaren sportiven Fahrspaß, das ist der Ursprung von Colt und Mustang, zweier „wild horses“, die ansonsten keine Gemeinsamkeiten haben. Schon der allererste Colt war eine veritable Sensation, die erstmals mehr als eine Million Besucher auf die Tokyo Motor Show lockte. Demonstrierte dieser Colt 600 doch, wie viel Komfort ein unkonventioneller Kleinwagen bot, der sich über die Regeln für die in Japan allgegenwärtigen, auch innen winzigen Kei-Car-Zwerge hinwegsetzte. Sogar Lifestyle-Flair vermitteln konnte der kleine Colt, dies als Cabrio.

Dieser fröhliche Sonnensegler schaffte es zwar nicht in die Großserie, aber nach dem auch optisch stattlichen Colt 600 standen die Kunden Schlange und machten das Fohlen aus dem Stall des ältesten japanischen Pkw-Produzenten zum Marktführer in seinem Segment. Mut lohnte sich, sogar in der konservativen japanischen Gesellschaft. So wie Mazda und Honda im wirtschaftlich aufstrebenden Japan der frühen 1960er mit eigenwilligen Konzepten reüssierten, setzte nun Mitsubishi mit einem Portfolio aus kühnen Colt-Typen den Auftakt zu einer bis heute andauernden Colt-Familiengeschichte. 1963 fand der erste Grand Prix von Japan statt, zwischen Osaka und Nagoya wurde die erste Autobahn freigegeben, und die Autoindustrie bereitete sich auf eine Exportoffensive vor. Deshalb nutzte Mitsubishi die Expertise des italienischen Stardesigners Giovanni Michelotti, der bereits bei BMW mit eleganten Designs für Furore gesorgt hatte. Große Fensterflächen und klare Linien kennzeichneten die zwischen 1963 und 1965 lancierten Colt Limousinen 1000 bis 1500, deren Fahrwerkstechnik dem Vorbild der BMW „Neuen Klasse“ nacheiferte.


Mitsubishi Colt Historie

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Relativ flotte Fahrleistungen in schnellen Fastback-Linien bot ab 1965 auch der Colt F, ein Japaner, der in dieser avantgardistischen Form in Fernost für ähnlich viel Furore sorgte wie im Westen der zeitgleich eingeführte Renault 16. Es dauert dennoch bis 1970, ehe ein sportlich-eleganter Colt Galant als erster Mitsubishi in Amerika Achtungserfolge gegen US-Compacts und als furioser GTO gegen europäische Coupés á la Ford Capri und Opel Manta einfuhr. Zugleich bereitete er den Boden für den deutschen Marktstart von Mitsubishi und einen Colt, wie es noch keinen gab: Vorbild für das ab 1978 in Deutschland verkaufte Volumenmodell des mittlerweile drittgrößten japanischen Autobauers war kein geringerer als der VW Golf.

Wie der Wolfsburger Bestseller hatte auch der scharf gezeichnete Colt (A150) Frontantrieb, war dem VW jedoch nach Meinung von Fachleuten an Ausstattung und Zuverlässigkeit überlegen. Beim Genfer Autosalon 1979 wurde der Japaner als schönster Kompakter ausgezeichnet, und in der Werbung als erstes „Auto mit acht Gängen“ angepriesen: Zusätzlich zum Vierganggetriebe verfügte der Colt über ein Vorgelege mit zweiter Übersetzung. So viel Raffinesse gefiel den Deutschen, zumal Ford Escort II und Opel Kadett C im Vergleich fast schon altertümlich wirkten. So avancierte der Colt (A150) zum ersten Japaner, nach dem die Deutschen Schlange standen, in knapp drei Monaten verkaufte der Importeur sein Jahreskontingent. Am Ende fanden 75.000 der flinken Fohlen den Weg auf den anspruchsvollsten europäischen Markt, darunter heißblütige Turbos, die Jagd auf schnelle GTI machten.


Mitsubishi Colt (2024)

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Mit Spezialitäten konnte auch die 1984 lancierte Colt-Generation (C10) dienen, denn diesen kleinen Japaner gab es in Deutschland als extravaganten Speedster, realisiert vom Karossier Winkelmann/Lorenz. Ein langes Autoleben garantierte weiterhin die solide Technik, jetzt auch als Diesel. Trotzdem folgte schon 1988 ein neuer Colt (C50) als sportiver Dreitürer mit einem Hauch Shooting-Brake. In dieser Optik, ergänzt um eine markante Front mit gestreckter Motorhaube, kam der Colt nach dem Mauerfall auch in den neuen Bundesländern gut an: Das Jahr 1991 wurde für Mitsubishi Deutschland mit 93.648 verkauften Autos ein Rekordjahr.

Den Nerv des Zeitgeists – jetzt in rundlichem Biodesign – traf auch der 1992 folgende Colt (CA0), der übrigens in Deutschland erfolgreich gegen ein Zwillingsmodell konkurrierte: Der billigere Proton 300 (aus Malaysia) entpuppte sich als gescheiterter Badge-Engineering-Versuch. Wenn Colt, dann mit dem Markensignet der drei Diamanten, entschieden die Kunden. Der 1996 aufgelegte, mit 3,88 Metern knackig-kurze Colt (CJ10) gefiel den Deutschen acht Jahre lang, ehe er von einem echten Europäer abgelöst wurde.

Dieser hierzulande sechste Colt (Z30) entsprang 2004 der kurzlebigen Allianz von Mitsubishi Motors mit DaimlerChrysler und wurde parallel zum technisch verwandten Smart Forfour in den Niederlanden gebaut. Im Gegensatz zum glücklosen Smart schrieb der bis 2012 angebotene Colt eine Bestsellerstory, vor allem als Fünftürer mit Microvan-Feeling. Der Dreitürer sorgte derweil als Kraftzwerg für Aufsehen, fast unkaputtbare Motoren taugten für Tuningexperimente, und vollelektrische Technologieträger waren Vorboten des weltweit ersten Großserienstromers Mitsubishi i-MiEV. Allein der skurrile Colt CZC, eine Coupé-Cabrio-Kreation der Carrozzeria Pininfarina, scheiterte nach nur drei Jahren.


Mitsubishi ASX (2023)

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Wenn im Herbst der erste Colt aus der Allianz mit Renault auf die Straßen rollt, wird er auf außergewöhnliche Art begrüßt: Knapp ein Viertel seiner seit 1978 in Deutschland verkauften Vorgänger sind noch zuverlässig im Einsatz. Welche Rolle der Colt als Oldtimer spielt, erklärt Expertin Aleksandra Lippert von der Oldtimer-Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Deutschen Autokäufern ist der Colt vor allem durch das Ende der 70er Jahre verwendete, kuriose ‚Spurt- und Spar‘-Getriebe in Erinnerung geblieben, mit dem man mittels zweitem Schalthebel in allen Vorwärtsgängen zwischen einer kurzen und einer langen Übersetzung wählen konnte – in der Praxis wurde es aber, wenn überhaupt, eher als Overdrive auf der Autobahn genutzt. In Oldtimerkreisen spielt der Colt trotz seiner Qualitäten kaum eine Rolle, allenfalls das 125 PS starke Topmodell Colt Turbo ECI ist von Interesse und kostet im guten Zustand etwa 9.000 Euro.“

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