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Kommentar: Fahrcheck im Alter? Unbedingt.

02.08.2024 09:08 Uhr | Lesezeit: 2 min
Wurde der Führerschein vor vielleicht 60 Jahren gemacht, hat sich im Straßenverkehr und auch in den Automobilen nahezu alles geändert und ehemals Erlerntes ist schlicht irrelevant.
© Foto: picture alliance/dpa Themendienst

Die deutsche Gesellschaft (über-)altert. Und mit ihr der Straßenverkehr. Die Zahl der Autofahrer über 75 Jahre verdoppelt sich von 2019 bis ins Jahr 2029.

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Die mal von der EU-Politik ins Spiel gebrachten Medizinchecks zum Erhalt des Führerscheins im Rentenalter sollen die Mitgliedsstaaten selbst regeln – so der Beschluss des EU-Parlaments Anfang 2024. Eine gesunde Einstellung, nicht alles muss die EU regeln. Doch deutsche Politiker sahen und sehen das Thema kritisch und lehnen Checks älterer Autofahrer ab. Kein Wunder, würde es eine große Anzahl der „eigenen“ Wähler (be-)treffen. Dabei ergeben diese Checks durchaus Sinn und vor allem Sicherheit.

Letzteres ist meine Meinung – allerdings gestärkt mit offiziellen Zahlen (weiter unten). Immer wieder, und das merken vor allem Vielfahrer, kommt es zu Situationen, die „jüngere“ Verkehrsteilnehmer mit Bravour lösen würden. Bei älteren Verkehrsteilnehmern scheitert ein souveränes Verhalten häufig an deren physischer und psychischer Beweglichkeit. Gemein? Vielleicht. Doch wer leugnet, dass Ältere vergleichsweise häufig eine Reaktions-Latenz haben, die deutlich höher ist als die der mittelalten Menschen, verkennt die Lage. Das Thema Schulterblick – eine der wichtigsten Bewegungen im Auto (auch im Stand) – oder generell die Übersicht über das Verkehrsgeschehen behalten, das ein Gucken, Analysieren und Handeln innerhalb weniger Zehntelsekunden erfordert, stellt einige ältere Menschen vor Probleme. Herausfahren aus Einfahrten und Einfädeln in Fahrspuren werden zur Gymnastikstunde und das Verlassen auf die vielen sinnvollen aber nicht fehlerfreien Assistenzsysteme zur Religion. Assistenzsysteme sind eine Ergänzung, kein Ersatz für das, was man in der Fahrschule mal lernte. Und nein, bei Bewegungs-, Seh- und Hörschwäche kann auch noch so viel Erfahrung die Defizite weder kompensieren noch rechtfertigen.

Da sind wir beim nächsten Punkt. Wurde der Führerschein vor vielleicht 60 Jahren gemacht, hat sich im Straßenverkehr und auch in den Automobilen nahezu alles geändert und ehemals Erlerntes ist schlicht irrelevant. Trotzdem beharren ältere Verkehrsteilnehmer oft auf ihr vermeintliches Recht, das eventuell sogar mal existierte. Doch viele der alten Regeln sind teils doppelt und dreifach „überholt“. Eine Auffrischung fand nie statt. Uneinsichtigkeit („ich habe ja Recht“) und Altersstarrsinn erschweren oft eine gesittete Kommunikation – die (neuen) Fakten werden „überhört".

Viele werden nun sagen: „Das kann man doch nicht verallgemeinernd sagen!“ Richtig. Doch sprechen auch die Unfallzahlen eine deutliche Sprache, vor allem nach Personenkilometern betrachtet – der einzig relevanten Betrachtungsweise. Immer wieder heißt es, dass ältere Autofahrer weniger Unfälle verursachen als die jungen. Das stimmt in Summe, aber eben nicht pro Kilometer. Eine Studie aus dem November 2019 (aktuellste) der „Unfallforschung der Versicherer“ der GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V) besagt: „Schon heute verursachen Senioren drei Viertel aller Unfälle, an denen sie beteiligt sind, selbst.“ Daher wäre es sinnvoll, eine kleine Runde mit einem Fahrlehrer zu drehen – und zwar mit Eintritt in die Rente/Pension. Dann wird niemand in seiner bis dahin berufliche Tätigkeit eingeschränkt.

Bemerkenswert ist laut GDV-Studie auch: „Die Zahl der Autofahrer über 75 Jahre wird sich […] in den kommenden 20 Jahren etwa verdoppeln.“ Zudem bestätigt die Studie, dass vor allem Menschen ab 75 Jahren, gemessen an den individuellen Fahrkilometern, bei der Unfallhäufigkeit wieder in Richtung Fahranfänger tendieren – also eine Zunahme der Unfälle zu verzeichnen ist – vor allem bei denen mit Personenschäden. Ein Gesundheitscheck und idealerweise die Runde mit dem Fahrlehrer um die vier Ecken, wäre eine Idee. Die gab es bereits und Fahrschulen hatten vor rund zehn Jahren alles beisammen – nur keinen Business-Case, wie es so schön heißt.

Und zum Schluss sei die Frage gestattet: Wer möchte seine Enkelkinder bei Oma und Opa ins Auto setzen, wenn diese nicht mehr Herr der Lage sind? Damit die Tragweite des Themas etwas bewusster wird: Es gibt derzeit in Deutschland rund 19 Millionen Rentner, die aufgrund ihres Alters in Rente sind. Etwa 1,4 Millionen Pensionäre des öffentlichen Dienstes kommen hinzu. Hier die Verknüpfung zur GDV-Studie aus dem Jahr 2019.

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KOMMENTARE


Tom

08.08.2024 - 10:20 Uhr

Wenngleich ich selbst bald zu der vom Autor beschriebenen Zielgruppe gehöre, muss ich beipflichten: In meiner Funktion als Fahrsicherheitstrainer gab es bereits vor etwa 20 Jahren massive Unterschiede bei Reaktion, Wahrnehmung und Fahrverhalten in den vom ADAC angebotenen Seniorentrainings. Es gab 75-jährige Fahrer und Fahrerinnen, die erstaunlich gut reagierten und das Fahrzeug auch in schwierigen Situationen gut führten. Dagegen gab es teilweise Personen weit unter dem Renteneintrittsalter, die unter widrigen Bedingungen überfordert waren. Einige Übungen konnten hier jedoch bereits Abhilfe schaffen. Zudem handelte es sich bei den oben genannten Beispielen um sehr umsichtige Personen, die sich freiwillig diesem Fahrtest unterzogen haben. Mit Rücksicht auf alle Verkehrsteilnehmer und auch die eigene Gesundheit halte ich es für unabdingbar, gewisse regelmäßige Fahrtests im höheren Alter vorzuschreiben. Schweren Herzens werde ich irgendwann auch meine Autoschlüssel abgeben, sofern meine Fähigkeiten ein sicheres Bewegen eines Fahzeugs im Strassenverkehr nicht mehr gewährleisten.


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