Man muss nicht jahrelang miteinander zu tun haben, um sich gut zu verstehen. Schott und Enterprise arbeiten aktiv seit April 2023 zusammen. Der Technologiekonzern im Bereich Spezialglas und anderer High-Tech-Materialien und die Deutschland-Tochter des familiengeführten US-Vermietriesens fanden über eine Ausschreibung zusammen. Dabei führte Carolin Krämer, Global Category Manager Travel & Fleet bei der Schott AG, die Verhandlungen für ein Dutzend Firmen, die sich als Einkaufsgemeinschaft (Kooperation Mobility) zusammengeschlossen haben. Schott zählte hierbei zu den Lead Buyern, also zu jenen, die einzelne Güter (in dem Fall Mietwagen) für die Gruppe verhandeln und die Verträge final abschließen.
Wenn sich zwölf global agierende und in Deutschland ansässige Firmen auf einen Teilbereich der Mobilität einigen müssen, dann ist just jener für die temporäre Fahrzeugleihe ein besonders komplexer, wie Christian Holler, Head of Business Mobility Germany bei Enterprise, beim gemeinsamen Treffen in der Mainzer Schott-Zentrale erzählt. So lobt er die gute Informationspolitik seitens des ausschreibenden Partners, denn laut ihm ist die Mietwagen-Leistung aufgrund der unterschiedlichen Zusatzgebühren in den einzelnen Ländern am schwierigsten zu vergleichen. „Das ist nur schwer bis gar nicht harmonisierbar, wenn man ausschließlich auf den Preis schaut“, sagt der Enterprise-Manager offen.
Er fächert das Produkt kurz auf. Bei einem klassischen Kompaktklasse-Modell, das man maximal drei Tage mietet, macht die Rate etwa 60 bis 70 Prozent des Preises aus. Der Rest sind Gebühren und Zusatzleistungen sowie die Prozesskosten. Deshalb greift die reine Preisbetrachtung zu kurz und man muss sich die Mühe machen, mit dem Partner tiefer in die Abläufe und Bedarfe reinzugehen, bis schließlich eine TCO-Betrachtung möglich ist.
Schott und Enterprise Mobility
BildergalerieSchott und Enterprise: Long-List, Short-List, Verhandlungen
Hollers Gegenpart ist Carolin Krämer. Sie kümmert sich bei Schott unter anderem um die Flotte, gut 300 Einheiten, die vor allem Incentive-Fahrzeuge sind, aber zu der auch einige Fahrzeuge der Werkfeuerwehr gehören. Darüber hinaus gibt es den Bedarf an Mietwagen, was über die Einkaufsgemeinschaft bezogen wird. Verkürzt dargestellt wurden zunächst die gemeinsame Leistungsbeschreibung der zwölf Firmen an den potenziellen Partner fixiert, daraus entstand eine Long- und anschließend eine Short-List. Dann wurde final verhandelt und der Zwei-Jahres-Kontrakt unterschrieben. Entscheidend ist hier der Start des Prozesses, der sehr unterschiedliche Mobilitätsanforderungen harmonisieren soll. Eine besondere Herausforderung für Krämer.
Das Mobilitätsverhalten in dem Dutzend einzelner Großunternehmen unterscheidet sich bisweilen stark. So galt es, zunächst ein gemeinsames Profil für den Mobilitätspartner zu entwerfen, das in ein Lastenheft niedergeschrieben wird. Die zwei wesentlichen Miet-Szenarien sind die kurzfristigen Dienstreisen (vor allen zu den eigenen Standorten) mit einer Mietdauer von zwei bis drei Tagen. Kürzer wird kaum gemietet, da nach Corona die digitalen Meetings viele Trips ersetzt haben. Fall zwei sind Anmietungen für die Dauer eines Projekts oder für Überbrückungszeiten; das können auch mal ein paar Monate sein.
Auf diese zeitlichen Rahmenbedingungen konnte man sich schnell innerhalb der Einkaufsgruppe einigen. Die Wege von den Mitarbeitern zum Mietwagen waren da schon schwieriger zu synchronisieren. Denn gerade Produktionsstandorte liegen selten in direkter Nähe zu einem Enterprise-Miet-Counter. Also wurden Hol- und Bringdienste ins Angebot aufgenommen und sogar neue „kleinere Stationen“ eröffnet, wie Holler ausführt. Neben solchen eigenen Mietstationen helfen auch mit Telematik ausgestattete Fahrzeuge, die einen permanenten digitalen Zugriff erlauben, ähnlich wie die Free-Floating-Sharingflotten.
Schott und Enterprise: TCO müssen passen – für beide Partner
Dieser Aufwand lohnt sich für beide Partner nur, wenn man wie erwähnt die Gesamtkosten (TCO) ins Kalkül nimmt. Dabei spielen nicht nur die monetären Größen, sondern auch die CO2-Belastung eine Rolle, denn Schott verfolgt das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu produzieren, was in der energieintensiven Glasschmelze ambitioniert ist. Damit wären die Mainzer laut eigener Aussage weltweit das erste Unternehmen in ihrer Branche.
Deshalb galt es, die Miet-Szenarien so umzusetzen, dass unnötige Hol- und Bring-Fahrten vermieden werden. Gleichzeitig wurden Mietpreise speziell für E-Fahrzeuge definiert, sodass es in der Regel eine lokal CO2-neutrale Mobilitätsmöglichkeit gibt. Die Elektrifizierung der Flotten sieht Holler eher als evolutorischen statt als revolutionären Schritt an. Schrittweise wachsen Ladeinfrastruktur und Stromerangebot – auch bei Enterprise. Die konkrete Kundennachfrage ist der Taktgeber.
E-Probefahrten für die Belegschaft
Um die E-Fahrzeuge den Mitarbeitern von Schott näherzubringen, lud man die Belegschaft zu Probefahrten mit Enterprise ein. Dabei wurden auch praktische Dinge besprochen. Etwa das Thema Ladekarte. Da in den Kurzzeitmietwagen keine Ladekarten liegen, wird die Shell-Recharge-App empfohlen. Abgerechnet wird die kWh-Rechnung wie jede andere für Benzin oder Diesel als Spesenbestandteil.
Um die gemieteten E-Autos möglichst vollgeladen zurückgeben zu können, sollten diese vorab an einem der mehr als vierzig 11 kW-Lader auf dem Schott Werksgelände angeschlossen werden. Die Stromkosten zum Haustarif werden intern verrechnet. Peu à peu sollen die Ladesäulen auch an den weiteren Standorten des Unternehmens wachsen. Damit rollt dann die Stromer-Welle noch schneller. Diese Art von Werksverkehren sind planbare Strecken, auf denen man Ladestopps recht leicht integrieren kann. Die klassischen Touren gehen von Mainz nach Landshut, Jena oder St. Gallen.
Jena als Schott-Gründungsstadt
Die Thüringische Unistadt ist auch die Keimzelle von Schott. Denn der Firmengründer Otto Schott, seines Zeichens Glaschemiker, gründete gemeinsam mit dem Physiker Ernst Abbe und dem Optiker und Feinmechaniker Carl Zeiss in Jena ein kleines Glaslabor, woraus die Zeiss- und Schott-Werke entstanden.
Nach der deutschen Teilung begann Schott mit einer Kerngruppe (der Zug der 41 Glasmacher) 1952 in Mainz mit dem Neustart. Ein Gang durch das kleine konzerneigene Museum gibt darüber Auskunft. Fünf Jahre später verlieh übrigens Enterprise-Gründer Jack C. Taylor die ersten sieben Mietwagen in St. Louis. Der Pioniergeist ist das Fundament von Schott und Enterprise von Unternehmensgeburt an.
Dienstfahrten mit Privatfahrzeugen
Enterprise in Deutschland setzt rund 50 Prozent seines Geschäfts mit Firmenkunden um, zirka 30 Prozent entfallen auf Unfallersatzwagen/Versicherungen/Werkstätten und rund 20 Prozent entfallen auf das Privatkundengeschäft. Beratung und permanente Kommunikation mit dem Nutzer gehören damit einfach dazu.
Als Mobilitätsanbieter für die Mitarbeiter sieht Enterprise auch CO2-Sparpotenziale, welche recht leicht umsetzbar sind. „Denken Sie mal an die Dienstfahrten mit Privatwagen, die nicht vom Unternehmen gestellt oder gewartet werden und die über eine Kilometerpauschale abgerechnet werden“, setzt Holler den Fokus auf einen Bereich, der oft unbeleuchtet scheint. Denn das Durchschnittsalter der Privatautos liegt mittlerweile bei knapp zehn Jahren, was zeigt, wie sparsame neue (E-)Modelle hier helfen können, den CO2-Fußabdruck von Firmen zu verkleinern.
Telematik erhöht die Auslastung
Als zweite „low hanging fruit“ sieht Holler als Alternative zur Ein-Tages-Miete, welche vielleicht noch zum Standort gefahren werden muss, Poolwagen mit Telematik. Telematik ist für Holler ein wesentlicher Schlüssel für die Steigerung der Auslastung solcher Poolfahrzeuge, um diese auf Werte von 70 bis 80 Prozent zu bekommen. Dann stimmen auch die TCO-Werte. Aber diese allein sind nicht der Hauptgrund für den Zuschlag in der Ausschreibung gewesen.
Die Bündelung der Einkaufsvolumen sieht Holler bis 2019, also dem Beginn der Pandemie, als globalen Trend im Mobilitätsmarkt. Post-pandemisch stellen sich diese Zielgruppen jetzt bewusst breiter auf, um nicht in Abhängigkeit zu geraten, so Hollers Beobachtung. Statt des Preises ist nun die Zuverlässigkeit das entscheidende Argument.
So argumentiert auch Carolin Krämer. Neben dem Mietpreis spielt die schlichte Verfügbarkeit der Fahrzeuge eine wesentliche Rolle. „Das hat die Zeit nach der Pandemie gezeigt. Das Wichtigste ist, dass wir auf die Miet-Flotte zurückgreifen können, wenn wir sie wirklich benötigen. Und das ist für die Gruppe von zwölf global agierenden Unternehmen eine der Hauptherausforderungen für unseren Mietpartner.“ Das klappt nun mit einer Dual-Strategie. Neben dem Hauptvermieter Enterprise gibt es einen Back-up-Partner.
Mehr als nur Vermieter
Nach über einer Stunde im Gespräch wird deutlich, wie gut beide Partner mittlerweile harmonieren. Dennoch beschreibt Carolin Krämer die aktuelle Zeit – vor allem mit der Einkäuferbrille auf – als herausfordernd. Die Planbarkeit hat ab-, die Nähe zu den Partnern zugenommen. Knappe Güter, wie vor drei Jahren Masken und Corona-Tests oder später Fahrzeuge, sorgen für marktwirtschaftliche Spannungen, welche die Partner nur gemeinsam glätten können, immer mit dem Blick auf „übermorgen“. Sonst bleibt zwangläufig einer auf der Strecke.
Auch Holler sieht speziell den Vermietbereich als insgesamt dynamisch. Sharing, Mobility-as-a-Service … das sind die Schlagwörter. Deshalb wurde im vergangenen Herbst am Wertvollsten, was eine Firma besitzt, am Markennamen, eine Veränderung vorgenommen. Aus „Enterprise“ wurde „Enterprise Mobility“.
Unter diesem Dach finden sich vierzehn Marken. Der neue Name soll nicht zuletzt die eigenen Kunden vom großen Portfolio ihres Dienstleisters überzeugen, denn laut Holler wussten bis dato gerade einmal elf Prozent der Enterprise-Kunden, dass die Amerikaner deutlich mehr anbieten als die klassische Auto- oder Transportermiete.
Der langfristige Kontrakt zwischen Enterprise Mobility und der Kooperation Mobility wurde vor Kurzem verlängert. Vertrauen wird hier nicht nur ausgesprochen, sondern auch umgesetzt. So gibt es nun mehr Zeit sich noch besser kennenzulernen.