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E-Transporter: Die surrenden Werkzeuge aus Sachsen

01.07.2024 14:09 Uhr | Lesezeit: 5 min
Thomas Kuwatsch gründete mit zwei Freunden 2018 Ari Motors. Mit dem eigenen Geld ging man nach China und kaufte die ersten Fahrzeuge.
Der Streetscooter brachte Thomas Kuwatsch zum Nachdenken. Mit zwei Gründern und eigenem Kapital suchte man in China Partner und fand diese. Eine Geschichte mit vielen Facetten begann.
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

Sind Sie bereit für einen Ari-Transporter? Diese Frage klingt trivial, beinhaltet aber eine gewisse Fallhöhe, wie das Gespräch mit dem Co-Firmengründer Thomas Kuwatsch zeigt.

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Als Journalist hat man für gewöhnlich viele Fragen im Kopf, wenn man eine Firma besucht. Beim Trip nach Borna zu Ari Motors hätte man sich diese schenken können, denn unser Gesprächspartner, Thomas Kuwatsch, stellte im Interview selbst jede Menge Fragen, die er prompt auch beantwortete. Das Ganze mimte ein Kundengespräch nach, denn dieses besteht auch einem Pingpong von Detailfragen, die wichtig sind. Nicht weil das Produkt, um das es geht, zu kompliziert ist, sondern eher im Gegenteil. Die Leichtfahrzeuge (Klasse: L7e) aus Sachsen können einige Dinge und andere können sie nicht, was in erster Linie ihrer Klassenspezifikation entspricht. Deshalb klopfen die Vertriebler wie Kuwatsch die Kundenwünsche so exakt ab, um möglichst viele Anwendungsszenarien vorher durchzugehen. Das erspart lange Gesichter im Nachhinein, denn mit L7e-Fahrzeugen haben bislang die wenigsten Kontakt gehabt.

So nennt Kuwatsch die kleinen Flitzer auch nicht Autos oder Fahrzeuge, sondern Werkzeuge. Damit kann man Aufgaben erledigen, aber damit fährt man nicht in den Urlaub. Konkret bedeutet L7e maximal 15 kW, also 20 PS Leistung und 450 kg Leergewicht (im Güterverkehr sind es 600 kg), wobei bei E-Fahrzeugen die Batterie nicht mit gewogen wird, das Leergewicht also höher sein kann. Bei Ari Motors, der Firma, die Kuwatsch mit zwei Partnern 2018 gegründet hat, gibt es ausschließlich Stromer, weshalb man den Kunden neben der neuen Fahrzeugklasse auch den „neuen Betriebsstoff“ Strom erklären muss, aber da geht es dem Nischenanbieter so wie jedem der etablierten Autobauer momentan.

Mit eigenem Geld nach China

Der Auslöser für das Unternehmertum der drei Autointeressierten – neben Kuwatsch, der unter anderem als Chefredakteur das Auto-Portal auto.de leitete, gehören Daniel Jacob, der ebenfalls Teil der auto.de-Redaktion war, und Pavel Pilous bis heute zur Firmenleitung – war der Streetscooter. Dessen Work-Version kam 2016 zu einem stolzen Preis auf den Markt, bei recht überschaubaren Leistungswerten. Das ging anderen Transporterbauern, die statt Diesel Strom als Antriebsmittel wählten, ähnlich. Dennoch dachte das Trio sofort: Das muss billiger gehen. Also flogen die drei späteren Ari-Gründer nach China und schauten nach vergleichbaren E-Modellen im damals noch übersichtlichen Stromermarkt. Man fand einen passenden Hersteller (Jiayuan EV) und bat ihn, die bestehende Pkw-Version um eine Version mit einer längeren Ladefläche zu erweitern. Der schlug ein und die ersten Fahrzeuge landeten in Europa an. Die ersten heißt in dem Fall ein Container mit vier Fahrzeugen. Diese wurden umgebaut, verkauft und aus dem Erlös finanzierte man die nächste Charge.


Ari Motors Leichtfahrzeuge

Die Sachsen bieten Roller, Pkw und Transporter an. Alles Leichtfahrzeuge mit eigenen Vor- und Nachteilen. Alles elektrisch. Bildergalerie

Der einfache Deal

Seitdem führt die Ari-Reise für die Leichtfahrzeuge, sofern sie Nutzfahrzeuge sind, zunächst nach Ricany bei Prag ins Werk für die Aufbauten und dann nach Borna für die Umbauten. Denn von den gelieferten Ursprungsmodellen wird immer noch nur eine Grundversion übernommen, der Rest wird hier südlich von Leipzig und in Tschechien an die Kundenwünsche angepasst. Das ist ein Wesensteil des Ari-Erfolgs. Es gibt sehr viele Um- und Ausbauten. Fast 50 Varianten bieten die Sachsen mittlerweile an, sodass für sehr viele Anwendungsfälle etwas dabei ist. Kundenideen werden damit zur Kleinstserie. Gut 1.000 Aris (japanisch für Ameise) werkeln bereits in Deutschland, nun sollen etwa 300 pro Jahr neu dazukommen.

Zwar verkauft Ari auch Zweiräder (L2e) – welche mittlerweile auch als Dienstrad bezogen werden können – und Pkw (L7e), aber das Gros der Geschäfte wickelt man mit Kommunen, Handwerkern oder mobilen Verkäufern ab, die Transportaufgaben zu erledigen haben. Die gewünschten Fahrzeuge sollen nicht nur günstig und leicht, sondern auch im Unterhalt sparsam und leicht zu reparieren sein. Beim Gang durch die Produktion wird klar, Spezialwerkzeug braucht es für den Ari selten. Stoßstange und Kotflügel etwa sind beim Kleintransporter 458 ein Plastikteil, das bei etwas zu großem Spaltmaß auch zurechtgedrückt werden kann. Und dies soll auch so gemacht werden, wie Kuwatsch erklärt. Diesen Pragmatismus müssen die Kunden mögen, sonst stolpert man ständig über Details, die in der Fahrzeugklasse darüber eigentlich undenkbar wären.

Batterien stehen zur Wahl

Das ist der Deal: Günstig, praktisch, leicht wiegen ein entspanntes Qualitätsversprechen, das sich aus der Materialwahl und den Umbauten ableitet, auf. Wer hier einschlägt, kann glücklich werden, was die Reihe der Kundenfotos zeigt, die auch Extra-Wünsche in Borna platzieren können. In einer Manufaktur ist halt vieles möglich.

Diese Variabilität wird durch die Modularität der L7e-Fahrzeuge gewährleistet. Das zeigt sich auch an den Batterien. Diese sind in der Regel Blei-Gel-Batterien, können aber auch zu Lithium-Eisenphosphat-Akkus werden. Das kostet dann im Fall des Bestsellers Ari 458 für 150 oder 200 km Reichweite ein Extra von 2.900 respektive 3.900 Euro, netto. Aber diese Rechnung müssen alle Stromer bezahlen, denn die Batterien sind nun mal das teuerste Gut an ihnen.

In Ricany bei Prag erhalten die umgerüsteten Fahrzeuge ihre Aufbauten und kommen dann zurück.
Die Aufbauten werden in der Regel in Tschechien aufs Fahrgestell gebracht, in Borna erfolgt dann der letzte Teil der Umrüstung.
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

72-Volt-Technik, die reicht

Wer dann beispielsweise den erwähnten, 3,15 Meter langen Ari 458 oder einen der größeren Transporter konfiguriert, kann von Holz bis Alu jede Art von Material wählen – der Kunde entscheidet, was er für welchen Nutzen zahlen möchte. Die 458er-Ameise bewegt dann immerhin bis zu 530 Kilogramm. Als Ladeinfrastruktur reicht eine 230-Volt-Steckdose mit 16 Ampere Absicherung. Mit der 72-Volt-Technik braucht es dennoch einen Hochvolt-Schein, um Arbeiten am Fahrzeug durchzuführen.

Für die schweren Touren steht etwa der Ari 1570 parat. Maximal 1,5 Tonnen auf der Pritsche und weitere 1,6 Tonnen mit der Anhängekupplung sind damit im Ameisen-Staat möglich. Das ist ein Wort. Servolenkung und Klima kosten hier 990 Euro extra, aber je nach Einsatzzweck geht es auch ohne, was etwas an den Streetscooter erinnert, der im Winter kaum Fans hatte.

Abklopfen der Produktqualität

Statt Kaltakquise reichen Mundpropaganda und der eigene Web-Auftritt, um an Interessenten zu kommen. Diese schrecken auch nicht von so manchen Online-Rezensionen zurück, die oft den Leichtbau-Sachsen mit konventionellen Fahrzeugen vergleichen. Um die Erwartungshaltung früh einzuordnen, führen Kuwatsch und sein Team die langen Kundengespräche. Probefahrten werden vor Ort organisiert und man achtet darauf, dass man die Sprache des Kunden spricht. Auch hier heißt es: kein Blabla, sondern auf Augenhöhe mit den Praktikern.

Es geht nicht nur darum, eine meist unbekannte Marke in der Flotte zu etablieren, sondern in der Regel sind auch Leichtfahrzeuge Neuland. Deshalb sind das Herausfinden der Erwartungshaltung des Kunden und das ehrliche Abklopfen mit der Produktrealität so immens wichtig, wie Kuwatsch mehrfach erwähnt.

Bessere Batterien bringen mehr Reichweite, das kostet aber. Im Fall des Bestsellers Ari 458 zahlt man für 150 oder 200 km Reichweite ein Extra von 2.900 respektive 3.900 Euro, netto.
Die Frage der Art der Batterien bestimmt die Reichweite der kleinen E-Fahrzeuge. 
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

Große Modelle kommen

Foliert wird auch auf Wunsch ab Werk. Die Finanzierung läuft überwiegend in bar, es kann aber auch fremdfinanziert werden (über Partner oder die Hausbank). Zum Service sagt Kuwatsch: Jede Werkstatt in Deutschland kann einen Ari reparieren. Ersatzteile gibt es über den eigenen Web-Shop. Binnen 48 Stunden sollen die Teile dann in der entsprechenden Werkstatt sein, verspricht der Manager.

Wer mag, kann sich eine Solarzelle auf den Aufbau packen lassen (etwa fünf Prozent machen das), was den Strombedarf des Nebenantriebs (etwa des Kühlaggregats) senken soll. Solche Lösungen zeigen, wie sehr die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund steht. "In der wirtschaftlich schwachen Zeit fangen die Leute an, zu rechnen. Bislang wusste kaum jemand, was eine Kilowattstunde Strom kostet, nun schauen sie genauer hin", hat der gebürtige Rostocker beobachtet. Und so wechselt plötzlich eine Firma von der Piaggio Ape oder von Dacia auf den elektrifizierten Ari. „Das sind alles Kunden, die sich nicht ums Image des Fahrzeugs kümmern, sondern die rechnen können“, erklärt der Firmengründer. So gibt es etwa Hotelbetreiber, die die kleinen Transporter nutzen, um die Wäsche in ihrem Feriendorf auszutauschen, in anderen Großfirmen sorgt der Ari fürs Befüllen der Getränkeautomaten oder ein Marktverkäufer individualisiert sich mit dem Ari seinen Verkaufsstand und sorgt damit für Aufsehen.

E-Groß-Transporter und E-Auto

Mit den Kleinen hat man nun einen Kundenstamm aufgebaut, der bald mit echten Fahrzeugen in Berührung gebracht werden soll. Ein Mini-SUV (Ari Yudo) und einen E-Transporter von Sprintergröße (Ari 1710, 12 Kubikmeter Ladevolumen, 1.600 kg Nutzlast, 120 km/h, 480 km Reichweite) plant Ari für den Sommer und sucht dafür Händler, die sich um den Vertrieb und vor allem um den Service kümmern sollen, denn dieser muss auf einem vollwertigen Pkw-Transporter-Niveau laufen, will man mit den beiden Produkten im Meer der Großen mitschwimmen. Die lokalen Händler haben laut Kuwatsch drei Vorteile: Sie genießen das Vertrauen ihrer Kunden, was sie sich auf den Hof stellen, muss auch für sie passen. Des Weiteren wickelt der Händler die Probefahrt und den Service ab und er ist drittens oft auch Multiplikator für die E-Mobilität. Ein gutes Dutzend dieser „robusten“ Händler gibt es schon, nun müssen es noch mehr werden.


Opel Rocks-e (Fahrbericht)

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Keine Angst vor neuen Zöllen

Das Gerede um mögliche Zollverschärfungen für E-Fahrzeuge „Made in China“, wie sie in den USA wirksam sind, hört man auch hier in Sachsen. Aber auch hier gibt sich der Mecklenburger Kuwatsch betont entspannt, denn er weiß nicht zuletzt durch die geschäftlichen Aktivitäten in China (Partner sind: Karry, TMEC und AINAG), wie groß die Abhängigkeit der deutschen Platzhirsche vom Reich der Mitte ist. Und wenn sich aufgrund eines höheren Einfuhrzolls die Einfuhrpreise erhöhen sollten, dann würde Ari diese an seine Kundschaft weiterreichen. Der Abstand zur Konkurrenz wird dadurch nicht viel kleiner, lautet das Kalkül.

Kalkuliert war auch die Entscheidung für den Standort in Borna. Hier landete man aufgrund der günstigen Gewerbemieten, denn auch das zahlt am Ende auf das Produkt ein. Dieses bewusste Downgrading ist der Kern von Ari, dessen Versprechen sich künftig auch in noch mehr Flotten verfangen soll. Hier hat sich der Anbieter laut Kuwtasch zum Teil des „relevanten Sets“ hochgearbeitet: „Wer Aixam oder Goupil sagt, der sagt auch Ari“, ist der Firmengründer sicher. Allein der Marktbedarf nach solchen Leichtfahrzeugen in Deutschland (oder die Fantasie, diese einzusetzen) ist noch so gering, dass wohl nur wenigen Flottenmanagern eine der Marken wirklich etwas sagt. Aber das muss ja nicht so bleiben. Dann mal her mit Ihren Fragen.

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