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Diesel-Gipfel: Kritik wird schärfer

07.08.2017 08:42 Uhr
Der Diesel-Gipfel hat die Abgas-Diskussion nicht abgekühlt.

Der Gipfel am vergangenen Mittwoch sollte Ruhe in die Diesel-Debatte bringen. Seitdem wächst die Kritik an den beschlossenen Maßnahmen. Aber es gibt auch Stimmen, die den Diesel verteidigen.

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Immer mehr Experten und Politikern kritisieren die Ergebnisse des Diesel-Gipfels als unzureichend. Die vereinbarten Software-Updates seien nicht ausreichend wirksam, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie dringt wie auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sören Bartol auf Umrüstungen der Motoren. Ferdinand Dudenhöffer vermisst nach wie vor einen "tragfähigen Vorschlag zur Lösung des Diesel-Problems". Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) warnte vor einer "Kriegserklärung" an die Branche.

Beim Dieselgipfel am Mittwoch hatten die deutschen Autobauer zugesagt, selbst "Umstiegsprämien" für Besitzer alter Diesel zu finanzieren. Für weniger Stickoxid-Ausstoß sollen zudem 5,3 Millionen Fahrzeuge der Klassen Euro 5 und 6 eine neue Software erhalten. Darunter sind 2,5 Millionen Autos von VW, für die nach dem Skandal um Abgasmanipulationen Nachrüstungen amtlich angeordnet wurden. Umbauten an Motoren, die teurer und aufwendiger wären, lehnt die Branche ab.

Auf deutschen Straßen sind Millionen Diesel-Pkw unterwegs, die mehr Schadstoffe ausstoßen als bei Tests auf dem Prüfstand. Im Fokus steht besonders Stickoxid (NOx). Laut Umweltbundesamt reizt es die Atemwege, langfristig beeinträchtigt es die Lungen und führt zu chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen.

Rückgang der Stickoxid-Emissionen erwartet

Hendricks rechnet aufgrund der Software-Updates mit einem Rückgang der Stickoxid-Emissionen von weniger als zehn Prozent. Das reiche nicht aus, um Fahrverbote zu verhindern. "Die Autobranche muss nachlegen", sagte sie dem "Spiegel". Sie dringt auf eine Nachrüstung der Motoren. "Eine Arbeitsgruppe des Nationalen Dieselforums hat das klare Mandat, technische Umrüstungen an Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen zu prüfen", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sie fügte mit Blick auf die Hersteller hinzu, es dürfe "keine Lösung ausgeschlossen werden", um den Schaden wieder gutzumachen. "Ich rate diesen Managern dringend, von ihrem hohen Ross runterzukommen."

Bartol forderte eine technische Umrüstung der alten Diesel-Fahrzeuge, "die günstiger als der Neukauf ist». Viele Besitzer älterer Autos der Schadstoffklassen Euro 3, Euro 4 und auch Euro 5 könnten sich keinen Neuwagen leisten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die von deutschen Marken beim Diesel-Gipfel zugesagten Prämien für den Kauf neuer, sauberer Fahrzeuge könnten daher "nur eine mögliche Lösung" sein. Er erwarte von den Herstellern, dass sie innerhalb eines halben Jahres marktgängige technische Konzepte zur Schadstoffreduzierung direkt an den Motoren liefern, machte Bartol deutlich.

Seehofer warnt vor "Krieg gegen Automobilindustrie"

Seehofer sagte der "Bild am Sonntag", er habe den Eindruck, "dass es einigen Politikern und Verbänden darum geht, der Automobilindustrie und damit den Arbeitsplätzen den Krieg zu erklären - auch durch ein Verbot des Verbrennungsmotors. Aber das wird auf den erbitterten Widerstand Bayerns stoßen." Man werde gemeinsam mit den Beschäftigten und in deren Interesse gegen "jede Art von Hetzjagd vorgehen". Gleichwohl hätten die Hersteller Fehler gemacht, die schnell korrigiert werden müssten.

BMW-Chef Harald Krüger verteidigte die Gipfel-Ergebnisse. Dort "wurden anspruchsvolle Pakete geschnürt", sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Das Software-Update für 300.000 BMW-Diesel und eine europaweite Umweltprämie von 2000 Euro für den Tausch von Alt- in Neuwagen führten zu einer deutlichen Verbesserung. Von Fahrverboten in Innenstädten hält Krüger nichts, am Diesel will er langfristig festhalten: "Der Diesel kann sich sehen lassen; wir kapitulieren nicht."

Unterstützung bekam er unter anderen von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Grünen-Politiker warnte vor schwerwiegenden Folgen für den Klimaschutz, sollte die Zahl der Pkw mit Dieselmotoren binnen kurzer Zeit deutlich sinken. Die Klimaziele wären so nicht mehr zu halten, sagte er der "Welt am Sonntag". Benziner stoßen mehr klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus als Diesel.

Neue Idee: Gutscheine für Autobesitzer

Ferdinand Dudenhöffer unterbreitete am Wochenende einen neuen Vorschlag zur Lösung des Diesel-Problems. Der Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen schlägt vor, Autobesitzer zur Umrüstung der Motoren mit einem Gutschein im Wert von 2.000 Euro zu bewegen. Der Betrag sollte auch dann gezahlt werden, wenn das Altauto verschrottet wird. Die Vorschläge lagen der dpa vor.

Dudenhöffer rechnet darin vor, die gutscheinfinanzierte Umrüstung und Verschrottung würde einmalig 20,2 Milliarden Euro kosten. Weitere 1,8 Milliarden Euro würden jährlich anfallen, wenn die Kfz-Steuer für Diesel auf das Niveau der Benziner-Besteuerung gesenkt würde. Der Autoexperte schlägt zur Finanzierung vor, den Steuervorteil des Dieselkraftstoffs von 18 Cent pro Liter gegenüber Benzin aufzuheben. Das ergäbe jährliche Mehreinnahmen von 9,9 Milliarden Euro. Laut Dudenhöffer wäre damit die gutscheinfinanzierte Umrüstung nach zweieinhalb Jahren finanziert. (dpa)

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