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Diesel: Wären Fahrverbote rechtlich erlaubt?

04.08.2017 07:10 Uhr
Umweltzone Schild Feinstaub Plakette
Diesel-Umrüstung oder Fahrverbote? Die Lage ist kompliziert.
© Foto: stockpix4u / Fotolia

Sie wären ein Schock für Autofahrer und Autobauer gleichermaßen. Verbote für Diesel in Städten sind nach dem Berliner Gipfel noch nicht vom Tisch. Die Lage ist kompliziert. Und juristisch heikel.

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Von Jan Petermann und Martina Herzog, dpa

Sich durchringen zu einer echten Lösung für mehr Umweltschutz und weniger Schadstoffe - das war die Erwartung ans "Nationale Forum Diesel". Aus Sicht etlicher Verbände und Politiker kommt die Berliner Erklärung aber bestenfalls einem Minimalkompromiss gleich, das Zittern bei Dieselbesitzern vor drohenden Fahrverboten dürfte anhalten. Dabei ist die rechtliche Bewertung solch drastischer Schritte alles andere als eindeutig. Die Brennpunkte im Überblick:

1. Bei der Luftreinhaltung sind vier politische Ebenen im Spiel

Die Durchsetzung von Fahrverboten wäre auch deshalb komplex, weil vier Ebenen mit dem Thema saubere Luft befasst sind. "Die EU bestimmt, dass Grenzwerte vor Ort einzuhalten sind. Wie genau das gesichert werden soll, legt sie aber nicht fest", erläutert der Verwaltungsrechtler Dennis Kümmel von der Kanzlei FPS. Der Bund bestimmt, dass die Länder für Umsetzung und Kontrolle über Messungen zuständig sind. "Einige Länder wiederum geben diese Umsetzung weiter an die Kommunen, die etwa einzelne Umweltzonen einrichten können."

Aktuell laufen zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen Überschreitung von Schadstoff-Grenzwerten gegen Deutschland. Es geht um Feinstaub und Stickoxide. Sie können bis zu einer Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Geldstrafen führen.

2. Politik will Verbote verhindern, aber Gerichte urteilen unabhängig

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betont: "Wir werden alles Mögliche tun, um Fahrverbote zu vermeiden. Ob das gelingt, wird aber von der Umsetzung der weiterführenden Maßnahmen abhängen." Sie glaubt, dass es am Ende nicht bei reinen Updates der Abgas-Software bleiben kann. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) meinte nach dem Gipfel: "Wir haben jetzt bessere Argumente gegenüber den Verwaltungsrichtern." Entscheidend ist, ob nach den Updates bei nachgerüsteten Wagen dann wirklich die versprochenen 25 bis 30 Prozent weniger NOx-Ausstoß gelingen. Einige Experten bezweifeln das.

Die EU pocht auf genauen Messungen des Schadstoffausstoßes. Dazu sollten bereits neue Verfahren angewandt werden, die ab September schrittweise kommen und Testläufe auch auf der Straße statt nur im Labor vorsehen (RDE). Deutsche Behörden sollten dies sicherstellen.

3. Fahrverbote, Umwelt-Plaketten und die Zuständigkeit Bund/Länder

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht deutete an, dass es Verbote für unausweichlich hält. Sollten Autofahrer, das Land Baden-Württemberg oder Hersteller dagegen vorgehen, wäre ein direkter Gang zum Bundesverwaltungsgericht unklug, mahnt der Verfassungsrechtler Christofer Lenz. Denn zunächst könnte das Urteil nochmals in Mannheim am Verwaltungsgerichtshof aufgerollt werden. In einer Analyse für den Arbeitgeberverband Südwestmetall erklärt er: Die Rechtslage erlaube es gar nicht, Autos mit grüner Plakette aus Umweltzonen zu verbannen.

Kümmel hält die Ansicht, es dürfe allein wegen fehlender Bundesregeln keine Fahrverbote im Land geben, für zu einfach. "Die Begründung heißt dann: 'Wir können keine Fahrverbote verhängen, weil es noch kein passendes Schild dafür gibt.'" Falls die Frage eines Tages vor den Europäischen Gerichtshof kommt, dürfte dieses Argument nicht zu halten sein. "Und auch nicht, falls der Bund später doch eine blaue Plakette bereitstellen würde." Hendricks scheiterte damit bislang.

4. Mangelnde Rechtssicherheit für geschädigte Diesel-Kunden

Welche Handhabe haben betroffene Fahrer, falls sie die Wirksamkeit der Software-Updates in Frage stellen? Der IG-Metall-Bezirkschef im Südwesten, Roman Zitzelsberger, kritisierte die Berliner Beschlüsse: "Unbefriedigend ist, dass die Verabredungen keinen rechtssicheren Rahmen haben. Somit bleiben das Risiko von Fahrverboten, die Sorgen von Besitzern älterer Diesel und auch die Sorgen um negative Folgen für die Beschäftigung bestehen."

Auch Fachjurist Kümmel betont, dass es sich nur um eine politische Absprache ohne Rechtsverbindlichkeit handelt. Misstraue man den Versprechen der Autobauer, müsse man einen möglichen Mangel des Autos samt der Konsequenzen nachweisen: "Ob aufgrund der Ergebnisse des Dieselgipfels konkrete Ansprüche bestehen, müsste man als Verbraucher im Zweifel ebenfalls individuell vor Gericht klären lassen."

5. Verbraucher- und Umweltschützer bleiben auf Distanz

"Verbraucher warten nach wie vor auf rechtsverbindliche Garantien der Hersteller für alle negativen Auswirkungen einer Nachrüstung", heißt es beim Verbraucherzentrale-Bundesverband. Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup sieht eine Mitschuld beim Bundesverkehrsminister: "Es liegt an Dobrindts Blockade der bundesweiten blauen Plakette, dass heute niemand sagen kann, wie genau Verbote aussehen werden." Dobrindt selbst sprach von "einer sinnvollen Basis" für weniger Emissionen. Die Wahrscheinlichkeit von Fahrverboten sei aber gestiegen, glaubt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). "Denn die Gerichte bewerten die Gesundheit der Menschen als ein höheres Rechtsgut als die Profitinteressen der Autoindustrie."

Die EU-Kommission verlangt, dass Verbraucher durch Maßnahmen zur Minderung des Schadstoffausstoßes keine Nachteile erleiden, etwa im Hinblick auf Spritverbrauch oder Haltbarkeit ihres Fahrzeugs.

Modellrechnung: Diesel-Fahrverbote würden 15 Milliarden Euro kosten

Fahrverbote für Diesel-Autos in Deutschland könnten nach Analysen von Ferdinand Dudenhöffer Kosten in Höhe von insgesamt rund 15 Milliarden Euro nach sich ziehen. Das ist das Ergebnis einer Modellrechnung des Professors für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Dudenhöffer geht darin von einem Wertverlust von zehn Prozent des jeweils aktuellen Restwertes aus - maximal aber 1.500 Euro, dem Preis für eine Hardware-Nachrüstung an den Autos, mit der sich aus seiner Sicht Fahrverbote verhindern ließen.

Bei Autos bis zurück zum Baujahr 2013 lohnt sich der Berechnung zufolge die Nachrüstung, bei älteren hingegen nicht. Bei einem Diesel-Bestand ab Baujahr 2009 von aktuell 10,9 Millionen Stück kommt durch Nachrüstungen und Wertverluste die Summe von knapp 15 Milliarden Euro zusammen.

"Die löchrigen Gesetze und fehlenden amtlichen Überprüfungen von Umweltstandards kosten die Autofahrer also viel Geld", heißt es in dem Gutachten. Die Probleme einer mangelnden gesetzlich vorgeschriebenen Abgasreinigung seien lange bekannt gewesen, trotzdem habe man durch den Steuervorteil beim Kraftstoff sogar noch einen zusätzlichen Diesel-Boom erzeugt.

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