Ganz Europa schaut in dieser Woche unter dem Motto „United By Music“ nach Liverpool – zum 67. Eurovision Song Contest, den die englische Stadt als Gastgeber für den Vorjahressieger Ukraine veranstaltet. Das Kalush Orchestra gewann 2022 mit großem Vorsprung vor Sam Ryder (UK). Deutschland wird in diesem Jahr von der Hamburger Band Lord Of The Lost vertreten, die mit ihrem melodischen Industrial-Glam-Metal besser abschneiden wollen als Deutschlands Vertreter Malik Harris im letzten Jahr. Er belegte leider nur den letzten Platz; aufgrund der Leistung wirklich nicht gerechtfertigt. Ab und zu sind nicht nur die Wege des Herrn unergründlich, sondern auch der Geschmack des europäischen Publikums, der manchmal meilenweit neben den Votings der (sog.) Experten liegt.
Davon konnten sich auch die Zuschauer beim ersten Halbfinale überzeugen, das am 9. Mai stattfand. Da mogelte sich der eine oder andere zweifelhafte Titel glatt ins Finale durch, genauso wie zwei der als Favoriten auf den Sieg gehandelten Acts: Die Schwedin Loreen, die 2012 den ESC mit „Euphoria“ gewann, hofft in diesem Jahr mit „Tattoo“ wieder auf Platz 1. Die Wettbüros sehen auch Finnland vorne: Käärijä begeisterte mit seinem Song „Cha Cha Cha“, der von einer Techno-Nummer zu einem Schlagerlied mutiert. Völlig schräg, sehr lustig.
Es scheiterten u. a. zwei Länder, denen man ohne weiteres die Teilnahme am Finale (13. Mai) zugetraut und gegönnt hätte. Die Alternative-Rock Band Sudden Lights aus Lettland überzeugte mit ihrem Titel „Aijā“. „Radiohead trifft A-ha“ punktete allerdings nicht beim Publikum. Das Duo Mia Nicolai & Dion Cooper aus den Niederlanden konnte sich auch nicht ins Finale singen. Die wunderbare Ballade „Burning Daylight“ ist dafür nun in der „Travel-Safe-Autoflotte“-Playlist bei Spotify zu hören.
Im zweiten Halbfinale (11. Mai) begeisterte Gustaph aus Belgien das Publikum. Er überraschte mit einer Stimme zwischen Boy George und Mick Hucknall und seinem souligen Dance-Ohrwurm „Because Of You“. Erwähnenswert, in einem über weite Strecken mittelmäßigem Umfeld, sind noch Andrew Lambrou aus Zypern („Break A Broken Heart“) und Monika Linkytè („Stay“) aus Litauen. Alle schafften es ins Finale, Gustaph in unsere Playlist. Die Top-Geldgeber wie Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien sind für das Finale gesetzt, auf welches wir nächste Woche zurückblicken werden.
Unser Musikautor Holger Spille begann seine Laufbahn Ende der 80er Jahre als Radio-Moderator und freier Journalist, arbeitete dann als Angestellter in verschiedenen Positionen bei BMG, SonyBMG und Sony Music und seit 2021 wieder als freier Journalist, unter anderem für die Musikmagazine Classic Rock, Good Times und Schall.