Deutschland ist oft hinterher – das ist für viele nichts Neues. Auch bei der Zweirad-Mobilität hinken wir hierzulande vielen Ländern hinterher und stehen lieber mit dem Auto im Stau als umsichtig durch diesen hindurchzufahren (ja, das ist nicht erlaubt – hilft aber, Stau zu minimieren). Als Einwand gegen Frischluftfahrten wird häufig das Wetter genannt. Zu kalt, zu nass, zu heiß, zu schwül, zu windig, zu ekelig. Und zwar im Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
Roller sind in anderen Gefilden mit ähnlichem Wetter jedoch oft ganzjährig im Einsatz. Und seit einiger Zeit sieht man, dass sich die Einstellung wohl auch bei uns ändert. Und zwar gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen fahren immer mehr auch bei Wetter, das nass, kalt und ekelig ist. Und zum anderen fahren immer mehr fast lautlos. Die Elektroscooter halten Einzug in die Städte. Vielleicht auch angefixt durch die E-Moped-Sharing-Konzepte, die es in den Citys oft gibt. Und die Nutzer merken, dass Elektroroller (gut) funktionieren.
Seat Mó 50er + 125er-Performance
BildergalerieSeat Mó in drei Versionen
Seat sprang vor gut zwei Jahren auf den Roller-Zug auf – zumindest in Deutschland. Mit dem Seat Mó zeigten die Spanier, wie sie sich einen 125er mit E-Antrieb vorstellen. Nun muss dazu geschrieben werden, dass Seat weder das Segment noch das Fahrzeug neu erfunden hat. Silence heißt nämlich der spanische Hersteller, den Seat als geeignete Basis auserkoren hat und dieses Fahrzeug „seatisiert“. Und der Name hat Programm, denn der Seat Mó aka Silence S01 ist sehr leise. Einen Piepton gibt lediglich der aktivierte Blinker von sich, damit man das Ausschalten nicht vergisst.
Seit Frühjahr 2023 bieten die Spanier nicht nur die nach alter Währung 125 genannte Version an, sie schoben oben eine Performance-Variante nach und unten einen 50er-Roller, der in das „Dienstrad-Leasing-Modell“ perfekt hineinpasst. Optisch bleiben die drei Modelle nah beieinander – und technisch eigentlich auch.
Der Name Mó steht vermutlich für Mobilität, Moped, Motorrad, mobil, modern oder vielleicht auch mondän. So fährt sich der Mó 125 dann auch. 12,2 PS und 240 Newtonmeter bringen mächtig Druck ans 14-Zoll-Hinterrad. In diesem sitzt auch der Elektromotor, der diesen Seat in 3,9 Sekunden auf Tempo 50 bringt und auf Wunsch weiter bis 95 km/h. Die Performance-Variante ist eine Sekunde im Stadtsprint und 10 km/h am Ende des Tachos schneller und selbst die 50er-Version sprintet bis 45 km/h – schneller dürfen die 50er nicht sein – in derselben Zeit wie das 125er-Pendant.
Verschiedene Fahrmodi sollen entweder mehr Dynamik oder mehr Reichweite bringen. Der Sportmodus, der neben dem City- und dem Ecomodus (maximal 70 km/h) auf Knopfdruck aktiviert werden kann, macht verständlicherweise am meisten Spaß und man lässt an der Ampel fast alles stehen.
Seat Mó: Kein ABS an Bord
Etwas Obacht ist geboten, wenn man bei Nässe, Kälte und „Eklig“ unterwegs ist. Beim Beschleunigen regelt keine Antriebsschlupfkontrolle, beim Bremsen muss nach wie vor aufs ABS verzichtet werden. Immerhin ist ein CBS an Bord. Das Combined Braking System agiert wie folgt: Beim Betätigen des rechten Bremshebels verzögert Mó erst mit Rekuperationsbremse (im E-Motor im Hinterrad), um bei stärkerer Verzögerung die vordere Scheibe in die Zange zu nehmen. Der linke Bremshebel kombiniert nach der Rekuperationsbremse dann die vordere und hintere Scheibenbremse, um „gleichmäßiger“ zum Stehen zu kommen. Die Performance-Variante erhielt ein Bremsen-Upgrade, wenngleich noch immer ohne ABS.
Stehen und Sitzen gelingt auf dem Seat Mó gut. Der 2,03 Meter lange und maximal 72 cm breite Mó hat eine Sitzhöhe von 780 mm. Das passt für fast jede Körpergröße, lediglich für große Füße gibt es wenig Spielraum auf dem Trittbrett. Dafür kann die Sitzbank, unter die zwei Integralhelme passen, als superkomfortabel bezeichnet werden. Das Fahrwerk der 125er-Version bewegt sich irgendwo zwischen straff und „sportlich“. Bei der Performance-Variante gibt es am Heck ein einstellbares Öhlins-Federbein. Schnell um die Ecken fegen kann der Mó auch ohne dieses. Die etwas harsch ansprechenden Dämpferelemente am Vorderrad der 125er-Version sind prädestiniert für glatte Straßen. Eng wird es im Wortsinn innerstädtisch ab und an, denn der Wendekreis ist keine Paradedisziplin.
Seat Mó 50: 173 Kilometer Reichweite sollen es sein
Wer Platz genommen hat, merkt nur beim Rangieren, dass dieser Roller mit 152 Kilogramm nicht zu den leichtesten gehört. „Schuld“ am Gewicht hat der 5,6-kWh-Akku (Bruttowert), der alleine 41 Kilogramm wiegt. Zur Einordnung: Dieser Akku ist in etwa so groß wie ein halbes Batteriepack eines Plug-in-Hybriden. Insgesamt dürfen maximal 170 Kilogramm Gewicht, verteilt auf zwei Personen und Gepäck, auf den Seat Mó. Fürs Rangieren des Mó gibt es einen Rückwärts-Kriechgang – super.
Seat gibt eine Reichweite von 173 Kilometern im Ecomodus für die kleinste Version an, 133 sollen es noch beim Performance-Modell sein. Wer den Ecomodus, in dem die Leistung gedrosselt wird, nicht nutzt, steht mit den beiden 125ern realistischerweise nach rund 100 Kilometer. Diese Reichweite ist sogar bei kalter Witterung kurz über null Grad Celsius realisierbar. Und ja, auch bei den Temperaturen kann man mit den richtigen Klamotten Moped fahren. Und dass, obwohl es weder Sitz- noch Griffheizung oder andere „Winterverbraucher“ gibt. Auch deswegen reduziert sich die Reichweite im Winter nur geringfügig – sofern in der „gemäßigt temperierten“ Garage gestartet wurde.
Seat Mó: Akku herausnehmbar
Ist der Akku leer, wird unter der Sitzbank ein Hebel gezogen und der komplette Akku aus seiner „Garage“ gefahren. Wie ein Koffer kann er einfach zur Steckdose gezogen werden. Sehr clever und gut gelöst – sofern keine Stufen im Weg sind. Somit besteht auch die Option des Ersatzakkus – für Fahrschulen nicht uninteressant.
Silence hat gerade Wechselstationen in Spanien eingeführt und ein Batterie-Mietprogramm gestartet. Kaufpreis sinkt, dafür hat man dann ein Abo an der Backe ohne das nichts mehr fährt. Ist die Garagen-Steckdose in Mó-Reichweite, kann direkt das Kabel angeschlossen werden – etwas fummelig, aber daran gewöhnt man sich. Sechs bis acht Stunden dauert das Aufladen eines entleerten Akkus.
Für Technik-Fans gibt es eine App, mit Restreichweite in Kilometern und Prozent und gefahrene Kilometer sowie den eingesparten CO2-Emissionen – sofern man mit Grünstrom unterwegs ist und weiteren Infos. Via App lässt sich zudem die Sitzbank öffnen und der Roller starten sowie deaktivieren. Ein Schlüssel ist somit nicht zwingend notwendig – Mobilnetz indes schon. Wo genau der Roller steht, verrät auch die App. Pushmeldungen bei einem Diebstahlversuch, zu kalter Temperatur (für den Akku) und Wartung können ebenfalls angezeigt werden. Die erste Inspektion erfolgt nach 1.500 Kilometern, die zweite nach 5.000 km und danach alle 5.000 km oder jährlich. Alle zwei Jahre müssen die 125er zur Hauptuntersuchung – die 50er-Version nicht. Seat schreibt vor, den Mó ein Mal im Monat an den Strom zu hängen. Auch wenn er nicht bewegt wird. Andernfalls erlischt die Garantie. Ein wichtiger Punkt, gerade im Winter. Seat gibt die üblichen zwei Jahre auf alles und vier auf den Akku.
Wer darf Seat Mó fahren?
Der Seat Mó 50 kann mit den Führerscheinklassen B, AM, A2, A1, A gefahren werden, also bereits ab 15 Jahre und eben alle, die „nur“ den Pkw-Führerschein haben. Deswegen bietet es sich geradezu an, ihn über das bekannte „E-Bike-Leasing“ über den Arbeitgeber laufen zu lassen, was nur für die 50er-Version möglich ist. Kostenpunkt für den Nutzer? Ganz grob gut 100 Euro im Monat, je nach Einkommen, Steuerklasse und ein paar weiteren Parametern. Die beiden 125er-Varianten erfüllen nicht die „Fahrrad-Leasing“-Konditionen und benötigen folgende Einträge: B196, A1, A2, A, oder aber der Pkw-Führerschein (Klasse 3) wurde vor April 1980 erledigt. Ein Aufstocken der Leistung von der 50er- auf die 125er-Klasse ist übrigens nicht möglich.