1969 testete Rainer Günzler im ZDF den Ur-Capri – und zwar auf der Rennstrecke, im Wasserbad und im Kühlraum – auf Industrieniveau also. Ein Schwarz-weiß-Video davon gibt es bei Youtube. Als ehemaliger Rennfahrer griff er natürlich zum stärksten Vortrieb, dem Sechszylinder-2,3-Liter-Motor mit 108 PS. Den Look des Amerikaners beschrieb der ehemalige Mercedes-Benz-Werksfahrer und Sportjournalist ("Das aktuelle Sportstudio") als "das, das nicht mehr so bieder aussieht".
56 Jahre später fällt dieses Urteil beim heutigen E-Capri schwerer, denn der Kölner Hoffnungsträger folgt dem Trend der 2000er, 2010er und 2020er Jahre und ist eben ein weiterer Hochbeiner – immerhin als Coupé versportlicht.
Ford Capri Test (2025)
BildergalerieHoffnung ist das richtige Stichwort, denn die Neuausrichtung der Traditionsmarke – aus den USA getrieben – hin zum reinen E-Pkw-Anbieter samt den Transportern, die in der „Ford Pro“-Welt zu finden sind, bringt so manchen Bestandskunden zum Nachdenken. Denn wo früher ein Fiesta, S-Max oder Mondeo im Showroom standen, gesellen sich heute neben den Focus ausschließlich SUV, Sport- oder Geländewagen. Kann dieser Switch gelingen?
Ford Capri: Erstkontakt zum E-Auto
Blicken wir also mit der Brille eines Bestandskunden auf unseren Testwagen, was bedeutet, dass es bislang keine Berührungspunkte mit Steckerfahrzeugen gab. Diese Konstellation des E-Novizen in der Flotte ist eher die Regel als die Ausnahme, wie die Stromerdelle in den Neuzulassungen 2024 zeigt. Die Gründe für die Skepsis gegenüber den E-Modellen sind diverse, was aber keineswegs gegen den Einsatz eines Stromers für sehr viele private und berufliche Touren spricht. Denn mittlerweile ist die Technik ausgereifter. So stammt von VW auch der Bausatz nach MEB-Art, der in Köln-Niel nun zum Capri zusammengesetzt wird. Dieses Erbe lässt sich bereits am Autoschlüssel ablesen, der auch jener für unseren Poolwagen (Cupra Born) sein könnte.
Unsere Ausfahrt findet im frostigen Januar statt. Im Winter sollte einen der Reichweitenwert nicht schocken, wenn der halbvolle Akku (52 Prozent) den Bewegungsradius mit weniger als 200 Kilometern einkreist. Und das, obwohl man auf den größten Akkupack mit 79 kWh zurückgreifen kann. Aber aus einem SUV-Allradler mit 250 kW/340 PS Leistung wird trotz Unterstützung der optionalen Wärmepumpe, halt kein Sparmeister, wie wir später sehen werden.
Ford Capri: die Bedienung
Einsteiger werden sich schnell im Capri zurechtfinden, obwohl er von den VWlern den spartanischen Einsatz von Knöpfen und Reglern übernommen hat. Markant ist hier der Fensterheber, der vom Fahrer das Drücken der Rear-Taste erfordert, wenn dieser hinten die Scheiben bedienen will. Das spart Schalter ein. Das Lichtpanel ist ebenso leicht zu bedienen wie die Lenkradtasten samt Slider – links Tempomat und Lautstärke, rechts Menü-Darstellung, Lenkradheizung und Sprachsteuerung. Die letztgenannte funktioniert gut und das ist wirklich ein Fortschritt zu früheren Versionen. Das Zentraldisplay ist klein, bringt aber alle wichtigen Infos ins Blickfeld. Etwas gewöhnen müssen sich die E-Novizen an die Elemente der Lenkstöcke. Links sind die Blinker und der Scheibenwischer, rechts ist der Wahlhebel für die Automatik.
Ford Explorer Test (2024)
BildergalerieSonst wirkt das Mittelklasse-Fließheck wie ein typischer Stromer: clean und aufgeräumt. Der Soundbar des optionalen Bang & Olufsen-Systems schwebt über dem Armaturenträger. Die Materialien sind allesamt gut verarbeitet, was bei dem Preis auch zu erwarten ist.
Ford Capri: der Innenraum
Die bequemen Sitze gefallen mit dem Mix aus Leder-Optik und Stoffbezug und sind elektrisch justierbar inklusive der Memory-Funktion. Beheizt sind die Vordersitze natürlich auch.
Das Zentraldisplay ist nicht nur groß (14,6-Zoll Touchscreen), sondern auch beweglich, was Zugang zu einem „Geheimfach“ schafft – ein schönes Gimmick. Wichtiger ist, dass die Menüführung gut strukturiert ist und man recht schnell auch jene Menüpunkte findet, die in konventionellen Autos jeder blind per Taste regeln konnte, wie das Nullen des Kilometerstands. Ebenfalls lobens- und erwähnenswert ist die Darstellung der vielen Assistenten, die sich alle auf einer Seite untereinander aufreihen und damit sehr schnell wahlweise deaktiviert werden können. Licht- und fettfingersensibel ist der Riesen-Monitor dennoch.
Apropos Licht, dieses fällt durch das stets geschlossene (ebenfalls optionale) Panoramadach ins Cockpit. Gleichzeitig tönen die hinteren Scheiben die Sonnenstrahlen ab. Die Rücksitzbank ist 60:40 teilbar und bietet neben der Mittelarmlehne auch eine Skidurchreiche. Zweimal USB im Heck sorgt für Ruhe, Platz ist hinten eh vorhanden, sofern die Reisegruppe nicht allein aus Erwachsenen besteht.
Ford Puma Gen-E
BildergalerieZurück eine Reihe nach vorn: Die vordere Mittelarmlehne ist der Transit-Welt entlehnt und im XXL-Format (tief) gewählt. Ein im wahrsten Sinne schönes Detail sind die (Schmink-) Spiegel, die beleuchtet hinter der rechten und eben auch linken Sonnenblende verweilen. Das Thema Sicht ist ansonsten ob der mächtigen A- und B-Säulen sowie der steilen Coupé-Form im Heck eher schlecht gelöst. Hilfreich ist hier der Parkassistent, der, sobald er aktiviert ist, während der langsamen Fahrt nach Parklücken am linken und rechten Straßenrand fahndet und dann automatisch dorthin einparkt.
Die Heckklappe wiederum öffnet erfreulich weit nach oben und gibt einen wörtlichen Schlund frei, der durch den doppelten Ladeboden und die Zurrpunkte geordnet und gesichert werden kann, damit viel Fracht an Bord passt. Darunter findet sich auch das Typ2-Ladekabel, das vorn keinen Platz findet, denn die Vokabel Frunk müssen sich die Capri-Nutzer noch nicht merken.