Von Patrick Broich/SP-X
Warum ist es für die ausländischen Fahrzeughersteller so schwierig geworden, eine schlichte Mittelklasse an den Mann zu bringen? Die Gründe mögen vielfältig sein, doch in erste Linie lauern überall Angriffe aus der SUV-Fraktion. Und die Importeure machen sich natürlich gegenseitig das Leben schwer, nicht zuletzt durch die prächtige Entwicklung der Koreaner im Budget-Bereich. Kein Wunder, dass Toyota nach sechs Jahren kein komplett neues Avensis-Modell auf den Markt bringt, sondern der aktuellen Ausgabe eine Modifikation verpasst, das ist schlicht günstiger. Die Marketing-Leute werben mit besserer Ausstattung zum gleichen Preis.
Zum Einstiegspreis von 23.640 Euro (Limousine mit 1,6-Liter-Otto und 97 kW / 132 PS) erhält man die volle Sicherheitsausrüstung inklusive autonomer Notbremsung. Vor allem letzteres Feature lag den Verantwortlichen am Herzen. Ahmet Karaman, Baureihen-Projektleiter von Toyota Motor Europe, ist wichtig, dass der autonome Stopper auch tatsächlich in die Autos kommt und nicht nur in der Preisliste angeboten wird.
Obwohl der japanische Allrounder auch in der bisherigen Ausbaustufe durchaus adrett aussah, hat man die Frontpartie deutlich geschärft und auch hinten nachgebessert mit schickeren Schlussleuchten samt markantem Lichtdesign. Je nach Ausstattung sorgen LED für die Ausleuchtung nächtlicher Straßen, hinten ist das Pflichtprogramm.
Innen lag der Fokus vor allem auf der Verbesserung der Materialqualität, wie Produktexperte Karaman betont. Was der Avensis-Innenraum vielleicht gebrauchen könnte, wäre eine Portion Pep – da hilft auch der je nach Konfiguration in Bronzefarben gehaltene Dekorstreifen kaum weiter. Doch womöglich soll das Interieur gar nicht peppig sein, sondern einfach nur praktisch-funktional. Das kann der Japaner nämlich gut: So gibt es schnörkellose Rundinstrumente mit klarer Beschriftung, ein gut zur Hand liegendes Tastenpaneel für die Klimatisierung und gerade so viel Infotainment wie nötig und damit deutlich weniger als möglich. Gut so.
Man sieht es schon an den Leistungsdaten – der Avensis soll definitiv ein Vernunftauto bleiben. Natürlich hätte ein Weltkonzern wie Toyota leichtes Spiel gehabt, um den von BMW zugelieferten Euro 6-Selbstzünder auf 180 PS und mehr hochzuzüchten, schließlich ist er in München ja auch als Single-Turbo wunschgemäß deutlich potenter als 105 kW / 143 PS. Doch die Kraftreserven reichen, um ebenso im Stadtverkehr wie auch auf Autobahnen oder Landstraßen hurtig, nicht aber giftig voranzukommen. Auch das Überholen von LKW am Berg wird keineswegs zur Geduldprobe. Für den gemittelten NEFZ veranschlagt das Werk weniger als fünf Liter, damit kann man gut leben. Der 1,6er soll um 0,4 Liter/100 km sparsamer sein, doch das größere Aggregat hat uns besser gefallen. Nicht, dass der 82 kW / 112 PS-Motor schlecht wäre, aber er hat schon spürbar mehr Mühe mit dem 1,5-Tonner. Zur Kraftübertragung dient übrigens lediglich das Sechsgang-Schaltgetriebe mit durchaus langen Wegen. Das Fehlen der Automatik begründet man mit wirtschaftlichen Argumenten.
Im Zuge der Überarbeitung haben die Techniker auch an der Dämmung gearbeitet. Natürlich ist der Diesel am Klang erkennbar, doch das ist völlig okay. Bei höheren Tempi tritt die Maschine ohnehin akustisch in den Hintergrund – an den wahrnehmbaren Windgeräuschen kommt man nicht vorbei.
Das Platzangebot fällt nach wie vor großzügig aus, das kann man von einem 4,82 Meter-Kombi auch erwarten. Die renovierten Sitze lassen nach rund 200 Kilometern keinerlei Klagen über ein schmerzendes Hinterteil aufkommen. Ein wenig elektronische Spielerei bietet der Avensis dann aber doch: Ab sofort gibt es eine kamerabasierte Verkehrszeichen-Erkennung, die ihre Resultate im TFT-Feld zwischen den Instrumentenskalen anzeigt. Und die Scheibenwischer-Ablage ist winters beheizt je nach Ausstattung. Alles jedoch mit hohem Nutzwert und damit ganz im Sinne des Vernunftautos Avensis. Daran können auch die Triebwerke aus dem emotional aufgeladenen Hause BMW nichts ändern. Es muss eben auch solche Autos geben.