Von Benjamin Bessinger/SP-X
Mit Schokolade, Spannung und was zum Spielen hat Woong-Chul Yang nicht viel am Hut. Doch wenn der Hyundai-Entwicklungsvorstand über den neuen Ioniq spricht, dann klingt es trotzdem ein bisschen so, als würde der Ingenieur ein Überraschungsei anpreisen. Denn genau wie Ferrero für seine Schokokugel drei Dinge auf einmal verspricht, ist auch der grüne Hoffnungsträger aus Korea drei Autos in einem und steht zur Premiere in Genf deshalb nicht nur als Hybrid-Modell, sondern auch als Plug-In und als reines Akku-Auto auf der Messebühne. Denn Yang ist überzeugt, dass es auch in Zukunft nicht die eine, alleinige Antriebslösung geben wird. "Wir glauben, dass wir für unterschiedliche Kunden in unterschiedlichen Lebenssituationen auch unterschiedliche Technologien anbieten müssen. Und zwar ohne Kompromisse bei Design oder Fahrspaß", sagt der Entwicklungschef.
Während die bei uns im Herbst lieferbare Elektroversion mit Strom für 250 Kilometer Batteriefahrzeuge wie den Chevrolet Bolt oder den Nissan Leaf ins Visier nimmt und der für Anfang 2017 versprochene Plug-In-Version mit 51 Kilometern elektrischer Reichweite vor allem auf den VW Golf GTE zielt, ist der konventionelle Hybrid nur auf einen Gegner zugeschnitten: Den Toyota Prius. Weil das von allen drei Varianten die wichtigste ist, sie auf den größten Verkaufsanteil kommen wird und sie zugleich mit dem stärksten Gegner ringt, hat Hyundai den Ioniq wie eine Blaupause des Prius konstruiert, seine Stärken kopiert und seine Schwächen geschickt ausgemerzt.
Und als wäre das nicht schon Ansage genug, locken die Koreaner auch noch mit dem attraktiveren Preis. Daheim in Seoul jedenfalls, wo der Ioniq bereits seit ein paar Wochen verkauft wird, kostet er rund 25 Prozent weniger als der Prius. Wenn Hyundai dieses Verhältnis nach Deutschland rettet, müsste die bei uns ab Herbst lieferbare Hybridversion deutlich unter 25.000 Euro kosten.
"Hallo, ich bin ein Hybrid"
Die strategisch kluge Annäherung an das Original beginnt beim Design, das sich genau wie beim Prius an der Form des Tropfens orientiert und geschickt auf den Wiedererkennungseffekt setzt: "Hallo, ich bin ein Hybrid", scheint der glatt geschliffene Keil von 4,47 Metern deshalb zu rufen. Doch anders als der Prius ist der Ioniq eben nicht nur im Windkanal entstanden, sondern hat zumindest ein bisschen kreativen Feinschliff bekommen und sieht deshalb nicht ganz so schräg und seltsam aus.
Auch unter dem Blech gibt es bei überraschend vielen Ähnlichkeiten ein paar kleine aber entscheidende Unterschiede. So liegt die Systemleistung des Ioniq mit 141 PS zwar auf einem Niveau mit dem Prius, und genau wie der Toyota kann auch der Hyundai nur ein paar hundert Meter rein elektrisch fahren. Doch erstens nutzen die Koreaner für den 1,56 kWh großen Akku unter der Rückbank fortschrittliche Lithium-Polymer-Zellen anstelle der alten Nickel-Metall-Hydrid-Akkus. Und zweitens spannen sie ihren neuen 1,6 Liter großen Benzindirekteinspritzer von 77 kW / 105 PS und die 32 kW / 43 PS starke E-Maschine nicht über ein stufenloses Planetengetriebe zusammen, sondern mit einer konventionellen Doppelkupplung.
Bei der ersten Ausfahrt mit dem grünen Herausforderer ist es vor allem dieses Detail, das den Ioniq über den Prius hebt. Denn reibungslos ist das Zusammenspiel der beiden Motoren hier wie dort. Selbst wenn der Ioniq im besten Fall mit 265 Nm an den Vorderrädern zerrt, ist er mit einem Sprintwert von 10,8 Sekunden nicht sonderlich dynamisch. Und wenn man bei Hyundai oder Toyota in den Eco-Modus wechselt, wird das gute Gewissen zu einer echten Geduldsprobe. Doch wo einen der Prius auch nach dem Wechsel in die vierte, deutlich verbesserte Generation noch immer mit leidigen Drehzahl-Orgien plagt, fühlt sich der Ioniq mit gewöhnlichen Gangwechseln, schnellen Drehzahlsprüngen und überraschend flotten Überholvorgängen an wie ein ganz normaler i30 mit etwas gebremstem Schaum. Und dass er mit reichlich Anlauf immerhin 185 km/h schafft, ist im Mutterland der Autobahn sicher kein Schaden.
Gewöhnliches Innenleben
Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch das eher gewöhnliche Innenleben der Koreaner. Während die Platzverhältnisse im Fond ähnlich sind, die Sicht durch die geteilte Heckscheibe hier wie dort nur mäßig ist und sich die beiden Kofferräume nicht viel geben, sieht es in der ersten Reihe beim Ioniq ganz anders aus als beim Prius: Statt weißer Kunststoffkonsolen mit Apple-Ambiente gibt’s ein konventionelles Cockpit mit dem üblichen, mittlerweile freilich sehr wertigen Korea-Charme. Die hoch auflösenden Displays sitzen da, wo man sie erwartet, und anstelle eines filigranen Schaltstummels hoch oben in der Mittelkonsole montieren die Koreaner einen ganz normalen Getriebewählhebel, auf dem man auch mal lässig die Hand ablegen kann. Ach hätten sie doch auch gleich noch die antiquierte Fußfeststellbremse ausgemustert, statt dieses Relikt der automobilen Frühzeit ungeprüft zu übernehmen.
Den Preis für die etwas konventionellere Machart zahlt man allerdings an der Tankstelle. Denn beim neuen Prius hat Toyota den Verbrauch mit viel Ehrgeiz und technischem Feinschliff auf 3,0 Liter gedrückt. Hyundai bleibt zwar die finalen Zahlen noch schuldig, rechnet aber – Leichtbau hin und verkleideter Unterboden her - mit einem Normwert von knapp 3,5 Litern.
Er ist zwar nicht ganz so sparsam wie der Toyota, sieht aber wenigstens einen Hauch konventioneller aus und fährt vor allem besser als der Hybrid-Weltmeister. Und mit seinen drei Antriebsalternativen lässt er den selbst den neuen Prius schon fast ein bisschen alt aussehen. Doch auf den Ioniq alleine wollen sich die Koreaner offenbar trotzdem nicht verlassen. Wem der Saubermann zu sehr nach Öko aussieht, den schicken sie zur Schwestermarke Kia. Dort tarnt sich die gleiche Spritspar-Technik im neuen Niro im Gewand eines trendigen SUV.