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Der Stern auf Koreanisch

01.02.2016 06:00 Uhr
Der Stern auf Koreanisch

Segment-Primus Mercedes-Benz Sprinter trifft auf den neuen Hyundai H350. Im Test wird schnell klar, wo der Herausforderer nachbessern muss. Einige Punkte sprechen aber bereits für den Neuling.

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_ Wer den meistverkauften 3,5-Tonner baut, dessen Konzept kann so falsch nicht sein. So ähnlich müssen die Hyundai-Verantwortlichen bei der Entwicklung ihres H350 gedacht haben. Was spätestens auffällt, wenn der neue Hyundai-Transporter neben dem Mercedes-Benz Sprinter parkt, dessen Name ja exemplarisch für die ganze Fahrzeugklasse steht.

Ab der A-Säule gleicht der in der Türkei gefertigte Koreaner auffallend dem Daimler. Selbst bei Details wie Türgriffen oder der 90-Grad-Justierung der Hecktüren nahm Hyundai beim Sprinter Maß. Doch ordnet sich der H350 dadurch auf Augenhöhe zum Sternen-Transporter ein? Oder übertrifft die Neuentwicklung vielleicht sogar den Stuttgarter, dessen Grundkonstruktion immerhin schon seit zehn Jahren besteht? Zur Klärung dieser Frage fordert der Neue sein Vorbild im Test zum Vergleich heraus.

Gelungener Einstieg

Die erste Überraschung schon nach dem Einstieg: In Sachen Verarbeitung und Materialauswahl steht der Hyundai dem Daimler - bis dato Benchmark in diesem Kapitel - in nichts nach. Das verwendete Hartplastik wirkt im Hyundai sogar eine Spur höherwertiger und die Drehregler für Heizung und Lüftung sind im H350 besser bedienbar als die fummeligen Pendants im Mercedes-Benz.

Ansonsten erkennt man aber auch innen, wer Vorbild bei der Entwicklung war. Viele Schalter und Knöpfe befinden sich genau dort, wo sie auch Mercedes-Benz verbaut und die großen eingelassenen Ablagen auf dem Armaturenbrett findet man ebenfalls im Sprinter wieder. Den für Mercedes-Benz typischen, überfrachteten linken Lenkstockhalter übernahmen die Hyundai-Designer dagegen lobenswerterweise nicht. Wichtiger als das: Die Sitzposition hinter dem in Höhe und Weite verstellbaren Drei-Speichen-Lenkrad fällt für alle Fahrerstaturen ähnlich komfortabel aus wie beim Schwaben und auf den straff gepolsterten Sitzen kapituliert man auch auf Langstrecken nicht. Allerdings müssen Hyundai-Lenker mit einer etwas lauteren Geräuschkulisse leben, bei Tempo 120 beispielsweise durchziehen vier Dezibel mehr das Fahrerhaus als im Sprinter. Auch bei der Fahrwerksabstimmung orientierte man sich in Asien am Klassenprimus. Beide Lenkungen vermitteln ähnlich guten Kontakt zur Straße, wirken lediglich um die Mittellage etwas schwammig.

Komfort-Plus

Knapp geschlagen geben muss sich der Hyundai beim Komfort, weil er eben nicht ganz so erhaben über Fahrbahnunebenheiten hinweggleitet wie der Sprinter. Der gibt sich im Gegenzug in schnellen Kurven schaukliger und neigt bei Lastwechseln etwas mehr zum Schwanzwedeln als der straffer abgestimmte H350.

Sportliche Fahrleistungen lassen auch die Papierwerte des 2,5-Liter-CRDi-Diesels erwarten. Erst recht, wenn man den Vierzylinder aus dem kleineren Hyundai-Transporter H1 kennt. Dort sorgt er zwar für souveränen Antrieb, ist aber nicht unbedingt für Verbrauchsrekorde bekannt. Im H350 verpassten ihm die Ingenieure deshalb eine (klassenüblich) lange Übersetzung, die den Common-Railer bei Tempo 120 mit knapp 2.200 Touren werkeln lässt (Sprinter: 2.380/ min). Das hat auf der anderen Seite aber zur Folge, dass der eigentlich sehr elastische Motor niedrige Drehzahlen unwillig absolviert. Weshalb man früh zur Sechsgangbox greift, die übrigens ähnlich knochig ausfällt wie beim Sprinter. Dessen 2,1-Liter-CDI-Vierzylinder schafft Ortsdurchfahrten locker im höchsten Gang, inklusive anschließendem Beschleunigen - auch bei beladenem Frachtabteil.

Ansonsten kann der Hyundai-Antrieb bei den Fahrleistungen aber punkten. Wobei es weniger die sieben Mehr-PS gegenüber den 163 Pferdestärken des Sprinters sind, die den Hyundai beispielsweise den Zwischenspurt von 80 auf 100 km/h knapp zwei Sekunden schneller absolvieren lassen. Vielmehr sorgt das gewaltige Drehmoment von 422 Newtonmeter (Nm) (Sprinter: 360 Nm) dafür, dass sich der Koreaner subjektiv leichter anfühlt - was allerdings nicht stimmt.

Lasten

Die unbestechliche Waage ermittelte beim Testwagen über 2,5 Tonnen Leergewicht. Womit der H350 den Sprinter - der erfahrungsgemäß beim Gewicht ebenfalls kein Musterknabe ist - um 135 Kilo überbot. Allerdings überragt der 12,9-Kubikmeter- Koreaner den Schwaben außen um 29 Zentimeter Länge, die sich innen in einem um 2,4 Kubikmeter größeren Frachtabteil niederschlägt. Zumindest auf dem Papier: Denn wer nachmisst, stellt fest, dass die Hyundai-Angaben "optimistisch" ausfallen und der Laderaum am Boden in der Realität satte 23 Zentimeter kürzer und knapp 15 Zentimeter schmaler ausfällt, als in den technischen Daten angegeben. Mercedes-Benz übertreibt dagegen "nur" bei der Ladelänge um knapp elf Zentimeter. Womit das Plus an Laderaum des H350 in der Realität niedriger ausfallen dürfte. Deutlich stärker blies beiden Hochdach-Transportern vor allem auf den Autobahnetappen der Wind am stürmischen Testtag entgegen. Was sich an der Zapfsäule nach 228 Testkilometern rächte: 10,6 l/100 km zog sich der Hyundai aus dem 75-Liter-Tank und musste sich dem Süddeutschen klar geschlagen geben, der die gleiche Strecke mit 0,9 l/100 km weniger bewältigte. Hinzu kamen beim bereits Euro-6-sauberen Sprinter 0,43 l/100 km Adblue. Der Hyundai reinigt seine Abgase dagegen bis auf Weiteres lediglich auf Euro-5-Basis. Ebenfalls für den H350 nicht zu haben ist der beim Sprinter serienmäßige und über das ESP gesteuerte Seitenwindassistent, den wir am stürmischen Testtag schätzen lernten.

Sicherheitshelfer

Und die Liste an lieferbaren Assistenzsystemen geht beim Stern weiter: Gegen Aufpreis lässt sich der Mercedes-Benz mit Kollisionswarner, Totwinkel-, Fernlicht- und Spurhalteassistent ausstatten. Was neben zusätzlicher Sicherheit aber auch ein häufiges Gepiepse in der Sprinter-Kabine zur Folge hat, wenn sich einer der Assistenten mit dem Fahrstil mal wieder nicht zufrieden zeigt. Vor allem auf engen Landstraßen werden wohl nicht wenige vom Abschaltknopf Gebrauch machen. Was gleichermaßen für den Spurwächter im Hyundai gilt, der für 390 Euro in den Optionslisten steht. Wer diese studiert, stellt fest: Auch bei der Variabilität und den Individualisierungsmöglichkeiten muss sich der Hyundai (noch) geschlagen geben. Den Kastenwagen gibt es lediglich in zwei Längen und einer Höhe. Gern genommene Optionen, wie eine Schiebetür auf der Fahrerseite, fehlen gänzlich.

Preise

Die Sprinter-Preisliste umfasst dagegen vier Längen, drei Höhen und satte 30 Seiten an Optionen. Als L2H2 ruft Daimler ab 37.150 Euro für den 316 CDI mit Hochdach und Euro 6 auf. Preislich lohnt sich der Griff zum langen Hyundai (ab 33.150 Euro) dafür allemal. Obwohl der H350 mit der stärksten 170-PS-Motorisierung nur in Verbindung mit der höheren Profi-Ausstattung kombinierbar ist, verlangt Hyundai für den kürzeren 10,5-Kubik-Kastenwagen knapp 4.000 Euro weniger als für einen vergleichbaren Sprinter. Einkalkulieren muss der Eigner allerdings das dünne Werkstattnetz.

Lediglich auf 100 Hyundai-Partner wollen die Koreaner ihr Nfz-Servicenetz bis 2017 ausdehnen. Gegenüber stehen 955 Mercedes-Benz Partner, die sich um den Sprinter kümmern. Ein weiterer Punkt, bei dem das Vorbild die Nase vorn hat.

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