BMW verfolgt weiterhin die Strategie, eine Karosserieform für alle Antriebsarten anzubieten – so macht es auch der Stellantis-Konzern mit einigen seiner Marken und Modelle. Der neue BMW X2 folgt diesem Weg, ihn gibt es als Diesel, Benziner und Stromer mit einem Leistungsspektrum von 150 (X2 sDrive 18d) bis 313 PS (iX2 xDrive30). Für die ersten Fahrten standen der X2 M35i xDrive und der stärkere der beiden Elektroantriebe, der iX2 xDrive30 bereit.
BMW X2 M35 i | BMW iX2
BildergalerieBMW X2 ist deutlich gewachsen
Die erste Neuerung des BMW X2 sieht man auf den ersten Blick: die schiere Größe. Mit 4,55 Metern ist der X2 im Vergleich zum markanten Vorgänger um 19 Zentimeter gewachsen. Der hat sich übrigens seit 2018 fast 400.000-mal verkauft. Laut BMW war das Wachstum dennoch nötig, um die Reihenfolge und den Abstand zum neuen BMW X1 (4,50 Meter) zu wahren. Kann man so argumentieren, ist dennoch aus europäischer Sicht nicht der richtige Weg. Aber nur für Europa werden Autos schon länger nicht mehr erdacht, geschweige denn gemacht. Immerhin wird der neue X2 wieder in Regensburg produziert, wo seit 1986 BMW-Modelle vom Band rollen.
So steht der X2 in der Silhouette dem großen Bruder X4 in nichts nach – außer in 20 Zentimetern Länge. Ob man das Design des SAV (Sports Activity Vehicle), wie BMW diese Gattung mit dem Schrägheck nennt, mag oder nicht, Vorteile bietet das Design im Innenraum jedenfalls nicht. Trotz des Längenzuwachses ist es am Kopf (Fahrzeughöhe plus sechs Zentimeter) und an den Knien kaum luftiger als im alten Modell und in jedem Fall knapper als in den meisten SUV mit ähnlichen Abmessungen. Auch hier könnte das Konzept „One Fits All“ in Bezug auf Antriebsarten Negativeinfluss haben – das kennen wir vom Peugeot 308 und Astra, die in ihrer Klasse keine Raumriesen sind.
BMW X2: großer Kofferraum
Wohlfühlen kann man sich dennoch im neuen X2. Schade, dass das Glasdach nur Aussicht, nicht jedoch Luft bietet – zu öffnen ist es nicht. Den Platzgewinn des neuen BMW X2 im Vergleich zum alten spürt man indes im Kofferraum. 560 Liter passen in die Verbrenner-Versionen, 15 weniger in den elektrisierten iX2. Zwar muss man dafür viel unter dem doppelten Ladeboden platzieren, da gibt es auch ein kleines Abteil für das Ladekabel, hohe und schwere Gegenstände müssen aufgrund der dann tiefen Lademulde jedoch umständlich hineingehievt werden.
Die Materialien im Interieur sind standesgemäß gut und können mit Alcantara am Armaturenbrett und Echt-Leder auf den Sitzflächen verfeinert werden. Die Passungen sind sauber aneinandergefügt und Details wie die Verkleidung an den Türrahmen innen tragen zum hochwertigen Ambiente bei. Jedoch muss man klar sagen: Das machen chinesische Anbieter auf den ersten Blick nicht schlechter. Langzeitqualitäten und Abnutzungsresistenz müssen sich dann weisen – bei BMW war das bislang der Fall.
Etwas verbaut geht es vorn weiter. Die installierten Sportsitze bieten zwar ausgezeichneten Seitenhalt. Dennoch drückt es auch schlanken Personen am Latissimus oder den Oberschenkeln, und verstellbare Seitenwangen sind nicht zu haben. Die hohe Mittelkonsole mit offener Ablage darunter kann beim hektischen Lenken im Weg sein und die fest installierte Kopfstütze sitzt zu nah am Hinterkopf – zumindest bei steiler Lehnen Einstellung, wie sie beim Fahren empfohlen wird.
Die Sitzposition kann vielfach eingestellt werden, ausziehbare Schenkelauflagen der Sportsitze passen dann auch für Langbeiner und das dicke Lenkrad ist griffsympathisch, wenn man etwas in der Hand haben mag – anderen könnte das zu viel sein. Wenige Knöpfe und Tasten befinden sich im Volant und sollen durch den Menu-Dschungel im Bordcomputer führen. Mit etwas Übung tun sie das und lassen dennoch alle notwendigen Einstellungen vollziehen. Das Infotainmentsystem zeigt die Inhalte scharf an, besitzt jedoch eine auffallende Latenz. Es dauert im Jahr 2024 einfach zu lang, bis nach einem Druck aufs Display oder den Shortcuts vor der Mittelarmlehne die Umsetzung erfolgt. Das verwundert dann doch bei einem Premiumanbieter. Ebenso verwundert die Sprachbedienung, die bei drei Personen und jeweils zwei Versuchen es nicht schaffte, einen Zielpunkt im Navi zu setzen. Der erste Versuch mit identischem Sprecher führte bei Google Maps zum gewünschten Ergebnis.
Dabei ist BMW auf das neue Infotainmentsystem so stolz. Allerlei Apps, inklusive Einbindung von Third-Party-Anbietern, sind möglich. Dass – vor allem in Deutschland – wohl die meisten Kunden mit einer perfekten Integration von Apple CarPlay oder AndroidAuto glücklich sind und sich sofort zurechtfinden, mag aus Tekki-Sicht Oldschool erscheinen. Diese Lösung funktioniert jedoch einwandfrei bei ausreichendem Handyempfang. Noch 2024 sollen Spieleapps im X2 mittels externer Controller nutzbar sein. Das soll etwa die Wartezeit beim Laden verkürzen. Noch besser wäre es, die Ladezeit so kurz zu halten, dass der Wunsch nach einem Zeitvertreib gar nicht erst aufkommt (siehe unten zum Thema Ladeleistung).
BMW X2 M35i mit weniger Kraft als zuvor
Richtig fein sind dagegen die Antriebe. Gelten die bereits beschriebenen Punkte nahezu 1:1 für den BMW X2 M35i und den iX2 xDrive30, kommen wir nun zu den Teilen, in denen sie sich unterscheiden. Der Vierzylinder-Benziner im M35i leistet jetzt „nur“ noch 300 PS (minus sechs) und 400 Newtonmeter (minus 50). Geschuldet ist das Minus wohl dem nun in allen Verbrenner-Versionen installierten 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DKG) – und Abgasvorschriften. Im ersten X2 wurde noch die 8-Automatik installiert, die offensichtlich mehr Power verkraftet. Die reinen Fahrwerte sind daher nun etwas zurückhaltender als zuvor, dennoch ist Leistungsmangel kein Beschwerdegrund. Fix wechselt das DKG die Gänge, wenngleich es beim Abbremsen zeitgleich mit dem Herunterschalten und motorbremsender Unterstützung etwas übertreibt – auch im „Normalmodus“. Wer möchte, kann sich diese Inszenierung mit juvenilen Soundeinlagen untermalen lassen, BMW nennt das „Iconic Sound“. Alle anderen freuen sich darüber, dass der Vierzylinder im "Klang" eher dezent ist. Wer den X2 M35i ebenso bewegt, wird im WLTP-Mittel von 7,7 Litern mitschwimmen. Für ein Fahrzeug dieser Größe und Leistungsklasse bemerkenswert.
Besser macht das Spritsparen ohne Zweifel der BMW iX2, den es in zwei E-Versionen gibt. Die kleine bringt 204 PS auf die Vorderachse und dürfte für 95 Prozent der Anwendungsfälle ausreichen. Die starke Variante hat Allrad, ergo zwei Motoren, und leistet in der Spitze 313 PS. Ähnlich flott wie im M35i geht es dann auch voran. Erstaunlicherweise aber nach Daten auch nicht schneller. Hier machen sich dann die rund 330 Kilogramm Mehrgewicht des iX2 bemerkbar, wenngleich der M35i mit mindestens 1.770 Kilogramm auch kein schlaksiger Typ ist aber zumindest beim Fahren die Kilos gut vertuschen kann. Zurück zur E-Version. Der iX2 fährt sich geschmeidig, hoppelt lediglich auf der Autobahn je nach Untergrund etwas. Erstaunlicherweise ist der M35i hier im Vorteil. Trotz 20-Zoll-Bereifung interpretiert er den Asphalt so, als ob man in einem recht komfortablen Fahrzeug und nicht in der Sportversion sitzt. Das ist aller Ehren Wert und verdient Nachahmer im Segment der sportlichen Fahrzeuge. Denn an Dynamikpotenzial mangelt es dem M35i nicht. Und auch der iX2 fühlt sich bei flotter Fahrt wohl. Hier wie dort setzen die Lenkungen die Vorgabe des Fahrers millimetergenau um und wecken Vertrauen, wenn man bei Gegenverkehr ob der Fahrzeugbreite doch mal bis an den Fahrbahnrand die Fahrspur ausdehnen muss.