_ Der Mercedes-Benz Sprinter ist Benchmark in einem Segment, das im Grunde recht konservativ tickt. Nun umweht den traditionsreichen Stuttgarter und seine schwäbischen Transporterbrüder aber ein hipper Start-up-Duft. Denn die Flotte wird, ab Juli beginnend, Teil einer Transportermietmarke, die neue Wege gehen will.
Im vergangenen Herbst, als Daimler das neue Tochterunternehmen auf der IAA in Hannover vorstellte, gab es nicht mehr als den Namen (Mercedes-Benz Vans Mobility) und mit Frank Braband einen Geschäftsführer. Der Manager mit langjähriger Erfahrung im Reich des Sterns stellte fortan ein Team zusammen, das mittlerweile gut 40 Mitarbeiter zählt.
Neustart in Berlin
"Es ist eine sehr interessante Erfahrung, aus der großen Konzernwelt in eine kleinere GmbH zu wechseln, ein Team aufzubauen und die gemeinsamen Ideen mit Leben zu füllen", erzählt der Mitarbeiter Nummer eins im Gespräch mit der Autoflotte. Dieses Leben findet im Dachgeschoss eines weißverklinkerten historischen Gewerbehofes in Berlin-Mitte statt. Wo einst die Hightech-Marke der DDR Robotron tüftelte, sitzen nun Web-Entwickler, Marketing und die beiden Geschäftsführer in zwei Großräumen zusammen. Entsprechend zwanglos geht es zu. Unter der Maisonette wird sich geduzt und einmal die Woche gemeinsam gefrühstückt. So ein Ritual ist in der Gründerszene eigentlich nicht erwähnenswert, aber irgendwie passt dies auf den ersten Blick nicht zum Thema Transportermiete - zumindest so lange, bis man zum ersten Mal mit Frank Braband darüber spricht.
Wandel der Wünsche
Der 50-Jährige ist quasi ein Daimler-Eigengewächs und zählt damit zu einer Minderheit im Team, das verstärkt mit externen Spezialisten besetzt wurde, um damit ganz bewusst den eigenen Horizont zu erweitern. Angeleitet wird die Mannschaft von Braband und André Girnus, dem Geschäftsführer-Duo von Mercedes-Benz Vans Mobility.
Die Idee hinter dem Start-up ist recht klar definiert: "Die Geschäftsstrukturen und Bedürfnisse der Transporterkunden wandeln sich im Moment stärker als jemals zuvor. Zum Beispiel sprießen städtische Lieferdienste für die kurzfristige und flexible Zustellung online bestellter Waren und Lebensmittel wie Pilze aus dem Boden, was gut veranschaulicht, wie digitale Bestellprozesse die Geschäftsbedingungen verändern. Unsere Kunden brauchen vermehrt spontane Kapazitäten, ohne zu wissen, wie lange sie diese benötigen. Das zieht neue Anbieter in den Transportermarkt, sodass Daimler entschieden hat, künftig neben den Fahrzeugen auch bedarfsgerechte und ganzheitliche Mobilitätslösungen anbieten zu wollen. Das ist das Ziel der neuen Marke", berichtet der Geschäftsführer.
Schnelle Zeiten erfordern eben schnelles Handeln. So vermittelt das Team auch mehr den Charme einer hippen Agentur als den einer klassischen Fahrzeugvermietung. Braband verantwortete zuletzt das Transportergeschäft in Dänemark und Schweden, sodass er die in Skandinavien typischen flachen Hierarchien bestens kennt. Jung, dynamisch, entscheidungsfroh - sind die Koordinaten des Start-ups, das in vielen Dingen anders agiert, als die Zentrale in Stuttgart.
Disruption bei Daimler
Im ersten halben Jahr galt es, Strukturen zu schaffen, ein Team zu formen - nicht als Stuttgarter Satellit, sondern mit sehr vielen Freiheiten. Diese nimmt sich auch Braband, der selbst im Verwerfen von Ideen durchaus Positives sieht - der viel beschworene Geist der Disruption weht in diesen Momenten durch den fünften Stock. "Wir fühlen uns als Teil der Daimler-Welt, gehen aber bewusst andere Wege und wollen dabei das Beste aus beiden Welten ziehen", umschreibt es der Geschäftsführer. Zum Start dieser Reise wurde nun eine spezialisierte Transportervermietung aufgebaut, die seit Juli am Markt ist. "Langzeitmiete ist bereits für gewerbliche Pkw-Flotten ein bewährtes Mittel, die eigene Flexibilität im Fuhrpark zu erhöhen. Das trifft nicht nur bei den urbanen Lieferdiensten, sondern zunehmend auch für Transporter-Flotten in anderen Branchen zu. Die Kunst besteht für uns nun darin, unser physisches Produkt optimal in die digitale Welt zu überführen", konkretisiert Braband die Idee dahinter. Der Mieter und sein Kunde ticken digital, also muss es der Vermieter auch tun.
Deshalb erhält die bisherige händlergestützte Transportermiete des Konzerns nun einen neuen Anstrich (Mercedes-Benz Van Rental) und einen neuen Anspruch ("So mietet man jetzt"), wie Anna Balawender, Leiterin Produktmanagement und Marketing, berichtet: "Sichtbar wird die Kampagne zunächst regional dort, wo Händler bereits Teil des Van-Rental-Netzwerks geworden sind. Ab Herbst wird das Netz dann sukzessive ausgerollt und bundesweit starten." Konkret sieht das Mietkonzept zwei Optionen vor.
Die Lastesel lassen sich ab einem Tag (Flextarif) anmieten, sodass Fuhrparks schnell auf Ausfälle oder Auftragsspitzen reagieren können. Dafür stehen klassisch vorkonfigurierte Modelle zur Wahl."Wer sich mindestens drei beziehungsweise zwölf oder 24 Monate bindet, kann mit dem Fixtarif mit längerer Mindestmietdauer einige eigene Anpassungen vornehmen, zum Beispiel speziell konfigurierte Fahrzeuge, die den eigenen Anforderungen entsprechen. Im Laufe des Jahres erweitern wir die Optionen für alle Kunden um beispielsweise Holund Bring-Service, Branchenlösungen sowie spezielle Versicherungen", blickt Marketing-Leiterin Balawender voraus.
Testphase
Im Mai und Juni wurden die ersten vier Mercedes-Benz Vertragspartner und eine Mercedes-Benz Niederlassung als Testpiloten ausgerüstet. Mit diesen Erfahrungswerten im Hintergrund öffnet sich nun das Netzwerk für alle - für Transporterkunden wie für weitere Netzwerk-Partner, die als Vermietstützpunkte dazukommen können.
Der Schwerpunkt wird hierbei zunächst auf den bestehenden Charterway-Stützpunkten in den Mercedes-Benz Niederlassungen oder den Mercedes-Benz Vertragspartnern liegen. Deren Gespür für den lokalen Markt und vor allem deren Expertise im Vertrieb sind das Faustpfand."Trotz digitaler Prozesse ist in der Transportermiete der menschliche Faktor entscheidend. Deshalb möchten wir einen eigenen Premiumstandard der Transportermiete definieren - zum Beispiel durch Mitarbeiter, die sich an den jeweiligen Standorten exklusiv um das Transporter-Vermietgeschäft kümmern. Die Fahrzeuge, die IT-Struktur und das Marketing-Kit bekommt der Partnerbetrieb dann von uns", berichtet Braband.
Ziele 2017
Bis Jahresende soll die Netzgröße dreistellig sein. Im nächsten Schritt werden dann Serviceleasing und das Fuhrparkmanagement als weitere Bausteine von Vans Mobility integriert. Im Zuge der Digitalisierung sollen schließlich auch neue Konzepte erprobt werden wie Van-Sharing und On Demand Transportation. All das klingt herausfordernd und damit genau richtig für das neue Team um Frank Braband.
- Ausgabe 08/2017 Seite 34 (172.8 KB, PDF)