Das Leasing boomt. Das zumindest könnte man meinen, wenn man sich die letzte Erhebung von Statista ansieht. Dort gaben 93 Prozent der befragten Unternehmen mit 500 bis 10.000 Mitarbeitern an, dass sie Leasing aufgeschlossen gegenüberstehen und "immer" bis "häufig" oder zumindest "sporadisch" als Investitionsform in Betracht ziehen. Auch juristisch ist dieses Vertragskonstrukt spannend und zieht diverse Fragen nach sich.
Zwei Arten des Leasings
Genau wie es beim Leasing zwei Arten (Restwert- und Kilometer-Leasing) gibt, werden bei der Wertminderung zwei Typen unterschieden:
Rechtlich gilt eines vorab: Leasing ist kein Kauf: Sie werden nicht Eigentümer des Kfz. Der Leasinggeber überlässt dem Leasingnehmer das geleaste Kfz für den vereinbarten Zeitraum gegen Zahlung der Leasingrate. Nach Ende des Vertrages geht das Kfz an den Leasinggeber zurück oder kann käuflich erworben werden. Nach Rückgabe lauern dann oft Kosten wie Minderwerte aufgrund von Schäden, erheblichen Abnutzungen, fälligen Wartungen und andere (ausführlich hierzu Autoflotte 12/2017, S. 87). Hier sind wir bereits bei der ersten "Wertminderung":
Minderwert bei Rückgabe
Der Leasinggeber kann vom Leasingnehmer bei Schäden, die über vertragstypische Gebrauchsspuren hinausgehen, den sogenannten Minderwert verlangen. Dieser Minderwertausgleich tritt damit wirtschaftlich und rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs auf Rückgabe des Fahrzeugs in einem vertragsgerechten Erhaltungszustand (BGH Urt. v. 17.7.13, VIII ZR 334/12). Im Regelfall gibt es Zustandsbewertungsrichtlinien, die zum Bestandteil des Vertrages gemacht werden. Einen hohen Beweiswert hat hier das Rückgabeprotokoll, welches von beiden Vertragsparteien unterzeichnet werden sollte.
Wichtig zu wissen: Der Leasinggeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein über die normale Abnutzung hinausgehender Schaden vorliegt. Hierbei ist nur der Betrag in Ansatz zu bringen, um den das Fahrzeug im Vergleich zum Normalzustand eines entsprechenden Gebrauchtwagens im Wert gemindert ist, nicht die zur Behebung erforderlichen Reparaturkosten (vgl. z.B. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 6.2.14 - 17 U 232/11). Auch eine Addition der Schäden ist falsch. Der Minderwert muss einheitlich in einer Gesamtschau ermittelt werden.
Achten Sie darauf, dass der Minderwert nach Leasingende nicht brutto in Rechnung gestellt wird, da es sich um eine umsatzsteuerneutrale Position handelt. Es steht dem Minderwertausgleich keine steuerbare Leistung des Leasinggebers gegenüber (BGH, Urt. v. 18.5.11, VIII ZR 260/10; BFH Urt. vom 20.3.13, XI R 6/11, Schreiben Bundesfinanzministerium vom 6.2.04, Gz IV D 2 - S 7100/07/10007).
Merkantile Wertminderung
Während der Minderwert einen Anspruch des Leasinggebers aus Vertrag ist, handelt es sich bei der merkantilen Wertminderung um einen Schadensersatzanspruch. Der merkantile Minderwert ist der geringere Wert, den der Markt einer beschädigten Sache nach der Reparatur allein wegen des Risikos verborgener Mängel gegenüber einer vergleichbaren unbeschädigten Sache beimisst (vergleiche ausführlich Autoflotte 2/2012, S. 70). Die Wertminderung ist steuerneutral, da der Unternehmer hierauf keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss. Es fehlt bereits am Leistungsaustausch.
Brandaktuell ist das Thema, ob sich die Wertminderung auch immer in gleicher Höhe als Schaden niederschlägt. Stein des Anstoßes war ein Urteil des AG Remscheid vom 10.11.17 - 8a C 190/16: "Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Wertminderung als solche nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Schadensrechtlich betrachtet ist dem Geschädigten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, jedoch nur derjenige Betrag zu erstatten, der ihm verbliebe, wenn er aktuell die Wertminderung - durch Veräußerung des reparierten Kraftfahrzeugs - realisieren würde. Wendet man die §§ 249 ff. BGB an, so ist davon auszugehen, dass der Unternehmer sein Betriebsvermögen immer nur netto betrachtet, denn er hat es unter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs netto gekauft und er verkauft es auch wieder netto, weil er beim Verkauf zwar Umsatzsteuer erhält, diese aber wieder abführen muss."
Dem haben sich zum Beispiel auch das AG Wipperfürth (Urt. v. 10.7.20, 9 C 90/20) und das AG Düsseldorf (Urt. v. 5.8.2019, 39 C 107/19), das AG Cham (Urt. v. 6.12.2021, 8 C 617/21) und das LG Münster (Beschl. vom 22.12.21, 03 S 24/21) angeschlossen. Grundgedanke ist, dass bei einer (gedachten) Veräußerung des reparierten Kraftfahrzeugs durch den zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten keine Umsatzsteuer anfällt, egal, ob der Erwerber ein Unternehmer oder eine Privatperson ist. Die Umsatzsteuer aus dem (verringerten) Verkaufspreis muss an das Finanzamt abgeführt werden. Was beim geschädigten Unternehmer verbleibt, ist der unfallbedingt geminderte Netto-Verkaufserlös, während der Preisabschlag eines potenziellen Käufers bei einer umsatzsteuerfrei veräußernden Privatperson voll zu Buche schlägt.
Entgegengesetzt nämlich, dass der merkantile Minderwert vom Versicherer auch beim Vorsteuerabzugsberechtigten steuerneutral ohne Abzüge zu erstatten ist, haben aktuell folgende Gerichte entschieden: AG Wuppertal (Urt. v. 11.3.22, 33 C 137/21); AG München (Urt. v. 15.4.22, 332 C 273/22); AG Köln (Urt. v. 9.3.22, 262 C 91/21); AG Hamburg Altona (Urt. vom 16.3.22, 316 C 14/22). Dies rechtlich vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Wertminderung um eine Kompensation handelt, sodass sich im Rahmen des § 251 BGB die Umsatzsteuerfrage nicht stellt. Ebenso wie bei der Abwicklung des Leasingvertrages wäre diese nur steuerneutral zu betrachten. Nehmen Sie dies gerne als Argumentationsgrundlage bei entsprechenden Kürzungen von Versicherern.
Fazit
Solange diese Rechtsfrage nicht höchstrichterlich entschieden wurde, thematisieren Sie dies auch in Ihrem Fuhrpark, damit Sie nicht auf einem finanziellen Schaden sitzenbleiben. Wenn nämlich der Versicherer die Wertminderung nur unter Abzug der Umsatzsteuer reguliert, Sie aber den vollen Minderwert an den Leasinggeber leisten müssen, verbliebe der Schaden bei Ihnen. Hier können Sie proaktiv in einem Gespräch mit Ihrem Leasingeber einen für beide Vertragsparteien gangbaren Weg finden, mit der Umsatzsteuerproblematik umzugehen.
Inka Pichler ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht sowie Head of Legal Fleet bei Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH
- Ausgabe 05/2022 S.45 (99.9 KB, PDF)