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Mobility-as-a-service: Verkehre sind nicht straßengebunden

25.02.2022 12:02 Uhr | Lesezeit: 8 min
Mobility-as-a-service: Verkehre sind nicht straßengebunden
Florian Kittelmann, Director of Mobility Orchestration and Data Innovation bei Alstom, ist ein Mobilitäts-Dirigent.
© Foto: Kittelmann

Verkehre sind nicht immer straßengebunden – das wissen Zugreisende genau so gut wie S- oder U-Bahn-Nutzer. Da die schienengebundene Strecke in der Regel nur einen Teil der Reise abdeckt, geht es zuvor oder danach mit einem zwei- oder vierrädrigen Mobil weiter oder man steigt in den Flieger beziehungsweise besteigt ein Schiff. Kurzum: Verkehre sind sehr oft intermodale Reisen.

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Jedes Beförderungsmittel hat einen eigenen Betreiber, der wiederum ein eigenes Geschäftsmodell entwickelt hat und deshalb auch selbst beim Kunden sichtbar sein möchte. Was bleibt, ist ein aus Nutzersicht bisweilen verwirrendes Netzwerk-Knaul. Dieses zu entwirren, ist der Job der Mobility-as-a-service-Anbieter. Davon gibt es mittlerweile eine ganze Menge – und in der Regel sind sie voll digital per App präsent. So dass sich auf dem Smartphone einiger Vielreisenden mittlerweile ein Sammelsurium an Apps für genau diese Zwecke angesammelt hat.

Was jetzt schon kompliziert klingt, ist leider erst der Anfang. Denn die hohe Kunst besteht nicht allein im Buchen der unterschiedlichen Mobilitätsangebote, sondern darin, auf Widrigkeiten schnell reagieren zu können. Ein Beispiel: Ich bin auf Dienstreise und möchte mit dem Zug von Frankfurt nach Köln. Das erste Stück der Reise übernimmt die U-Bahn, die mich zum Hauptbahnhof bringt. Nun hat mein Zug aber Verspätung und die Reise wäre plötzlich sinnvoller mit dem Auto.

Diese Entscheidung trifft der Dienstreisende heute mit dem Blick auf seine Bahn-App – denn diese operiert mit Echtzeitdaten. Die finale Entscheidung, das Reisemittel zu ändern, liegt bei mir. Allerdings weiß ich in dem Moment noch nicht, ob meine Idee mit dem Mietwagen statt dem Zug zu fahren, funktioniert, da die Mietwagenfirma ja weder die Zugdaten in Echtzeit hat noch von meiner Planänderung wissen kann. Das könnte sie aber.

Das ist die Idee von Mobilitäts-Hubs, die in den ersten Städten entstehen, und die dem Nutzer die Daten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Echtzeit an die Hand geben und ihm die Alternativen - vom Roller über Fahrrad bis zum Carsharing oder Mietwagen - präsentiert. Schlau wäre es nun, wenn man den Bedarf an Alternativen vorhersagen könnte, so dass der Roller-Anbieter präventiv mehr E-Scooter an genau diese Haltestelle parkt und auch die anderen Mobilhalter ihre Transportkapazitäten vorab anpassen könnten.

KI im Einsatz

Hier kommt Florian Kittelmann ins Spiel. Der Director of Mobility Orchestration and Data Innovation bei Alstom ist, wie der Name schon, sagt ein Mobilitäts-Dirigent im weitesten Sinne. Denn sein Team prognostiziert anhand von eigenen und externen Daten mittels Künstlicher Intelligenz – also lernender Algorithmen – wie die Auslastung von Zügen sein wird. So dass anhand dieser Vorhersage die Zugbetreiber die Taktung anpassen können und sich die Mobilitätsanbieter auf die geänderte Nachfrage vorab einrichten können.

Was nach viel Theorie klingt, ist in Ländern wie Panama oder Kanada schon Praxis, verrät Kittelmann. Dort werden die Daten des Zugherstellers mit den Wetterdaten und weiteren Quellen zusammengebracht, um jene Empfehlungen geben zu können. Dass es in Europa bis auf Versuche in der Alstom-Heimat Frankreich sowie in Spanien nicht ähnliche Projekte gibt, erklärt Kittelmann mit den langen und komplizierten Ausschreibungsverfahren. Wenn etwa eine Bahnstrecke von einem öffentlichen Betreiber europaweit ausgeschrieben wird, kann das Projekt vom Konzept bis zum laufenden Betrieb gut zehn Jahre dauern, rechnet der Profi vor.

Kittelmann, der selbst Software-Ingenieur ist, weiß, dass dies zu lange ist, um Innovationen auf die Schiene bringen zu können. Dabei sind die Züge das kleinere Problem, um Daten für die digitalen Prozesse rund um die schienengebundene Mobilität zuverlässig und in Echtzeit generieren zu können. Die Stellwerke sind der eigentliche Pferdefuß – was mit dem großangelegte Bahn-Projekt der "Digitalen Schiene Deutschland" langsam angegangen wird. Der Weg zum "Passenger Flow Management", wie es eben in Kanada oder Panama praktiziert wird, bleibt in Europa noch ein weiter.

Dabei braucht es seitens der Züge – also der Hardware –, gar nicht so viel, um den aktuellen Fluss an Passagieren darstellen zu können. "Zum einen haben wir die Video-Aufzeichnungen von den Haltestellen, die anonymisiert helfen, die Zahl der Reisenden zu erfassen. Parallel übermittelt die interne Messtechnik des Zugs die Gewichtsdaten, so dass man die Zahl der Passagiere haltestellengenau erfassen kann", erklärt Kittelmann im Gespräch mit der Autoflotte.

Würde man also die vorhandenen Züge nachrüsten (deren lange Lebensdauer von bis zu 40 Jahren macht das Nachrüsten der Technik sinnvoller als der Erwerb neuer Züge) und könnte gleichzeitig die Digitalisierung der Stellwerkstechnik voranbringen, dann hätte man jenen bundesweiten Datensatz, der nicht nur der Bahn, sondern im Grunde allen Mobilitätsanbietern helfen könnte. So geschieht es laut Kittelmann übrigens in Singapore. In dem Kleinstaat werden diese Verkehrsdaten über eine offene Schnittstelle allen Mobilitätsanbietern zugänglich gemacht. Kann man dann noch wie etwa in Panama mit einem flexiblen Fahrplan agieren, dann fließt der Verkehr auch bei größter Auslastung oder trotz der Ausfälle stetig.

Wie groß die Vorteile einer digitalen Bahn sind, verdeutlicht Kittelmann mit dem Hinweis auf zwei Schlagwörter: Predictive Maintenance und Autonomes Fahren. Die vorhersehbare Wartung von Zügen erhöht deren effektive Einsatzzeit. Und autonome U-Bahnen gibt es bereits in Deutschland auf Einzelstrecken. Aber auf der Schiene passiert das gleiche wie auf der Straße. Das singuläre Interesse an den eigenen Daten bremst das gesamte Netzwerk, wie unsere Titelgeschichte in der Ausgabe 1-2/2022 zeigte. So überrascht es nicht, dass auch Kittelmann aus Sicht der schienengebundenen Mobilität nach der "offenen Daten-Demokratie" ruft, denn diese würde die Entwicklungen deutlich beschleunigen.

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