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Diesel-Skandal: Enge Abstimmung zwischen KBA und Autobauern

11.11.2016 08:52 Uhr
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat sich für einen umstrittenen Bericht zu überhöhten Abgaswerten nach dem VW-Skandal eng mit deutschen Autobauern abgestimmt.

In der Abgas-Affäre hat Verkehrsminister Dobrindt viele Automodelle überprüfen lassen. Unabhängig, wie die zuständige Behörde stets betonte. Schriftwechsel mit den Herstellern zeichnen ein anderes Bild.

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Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat sich für einen umstrittenen Bericht zu überhöhten Abgaswerten nach dem VW-Skandal eng mit deutschen Autobauern abgestimmt. Das geht aus E-Mails hervor, deren Inhalt die Deutsche Presse-Agentur, "Spiegel Online" und "BR Recherche" einsehen konnten. In einer Notiz des KBA von Mitte Januar heißt es zum Beispiel, es werde mit den Herstellern "zuvor konkret besprochen", was veröffentlicht werde. An anderer Stelle ist die Rede von einem "abgestimmten Vorschlag" für einen Bericht der "Untersuchungskommission Volkswagen".

Verbraucherverbände und die Opposition im Bundestag reagierten mit scharfer Kritik und sprachen von "Mauschelei". Das KBA ist dem Bundesverkehrsministerium untergeordnet. Es erteilt sogenannte Typgenehmigungen, die die Einhaltung von Abgasgrenzwerten voraussetzen.

In einer gemeinsamen Stellungnahme von Bundesverkehrsministerium und KBA zu den Recherchen hieß es: "Mit den Herstellern wurden im Rahmen dieser Untersuchungen Gespräche geführt und technische Fragen erörtert. Ein solches Prozedere ist international üblich und notwendig." Schlussfolgerungen im Untersuchungsbericht seien durch die Untersuchungskommission getroffen worden. "Die Meinungsbildung erfolgte unabhängig."

Absprache nur in Technikfragen

"Technische Fragen wurden mit den Herstellern erörtert. Das erklärt sich von selbst, wenn man solche Untersuchungen durchführt", sagte ein Sprecher von Minister Alexander Dobrindt (CSU) am Freitag in Berlin mit Blick auf die Abgas-Nachmessungen des KBA, die zu einer "freiwilligen Serviceaktion" verschiedener Hersteller geführt hatten. Er wisse aber nicht, woher Informationen stammten, dass es darüber hinaus "Formulierungshilfen und Darstellungshilfen" vonseiten der Autobauer an das KBA geben würde.

"Mit den deutschen Herstellern, die Typzulassungen in Deutschland haben (...), wurden die Maßnahmen der Hersteller zum Rückruf im Rahmen einer Serviceaktion bindend festgelegt und natürlich auch besprochen", betonte der Ministeriumssprecher. Formulierungen, die eine große Industrienähe der Behörde nahelegen, wollte er jedoch nicht kommentieren: "Es handelt sich um eine interne Mail des Kraftfahrt-Bundesamtes." Aus dem Verband der Automobilindustrie (VDA) hieß es, das Vorgehen von Autoherstellern und Politik halte man "für nachvollziehbar und völlig üblich".

Infolge des VW-Dieselskandals um manipulierte Abgastests hatte Dobrindt im September 2015 die "Untersuchungskommission Volkswagen" eingesetzt. Außerdem ordnete er Abgas-Nachmessungen durch das KBA bei VW und anderen Herstellern an. Die Ergebnisse dieser Messungen finden sich in dem Bericht der Untersuchungskommission, der im April veröffentlicht wurde.

Demnach bestanden bei 22 von 53 getesteten Dieselmodellen Zweifel, ob das Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen wirklich mit dem Schutz von Motorbauteilen zu tun hat. Es wurde ein Rückruf von insgesamt 630.000 Fahrzeugen von Audi, Mercedes, Opel, Porsche und VW beschlossen, um die Technik zur Abgasreinigung zu ändern. Die Hersteller sprachen von einem "freiwilligen" Update und betonten, es gebe keine Hinweise auf unzulässige Software

Enger abgestimmt als bislang belegt?

E-Mails zwischen der Aufsichtsbehörde KBA und den Autoherstellern legen nun nahe, dass sich beide Seiten über Inhalte des Berichtes enger abgestimmt haben als bislang belegt. Die Opposition im Bundestag wirft Dobrindt schon seit Bekanntwerden des Dieselskandals zu große Nähe zu den Autobauern vor.

In den E-Mails schrieb ein Vertreter von Opel an einen KBA-Mitarbeiter, der Autohersteller könne Formulierungen in einem Entwurf des Berichts nicht zustimmen. "Uns geht es um einen Maßnahmenplan im Rahmen einer von uns vorgeschlagenen, freiwilligen Produktverbesserung." Es könne daher nicht von "Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit" gesprochen werden. Dies impliziere einen Gesetzesverstoß, der aber nicht angemessen sei.

An anderer Stelle schreibt ein KBA-Vertreter an einen Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums, in der Rohfassung des Berichts sei ein "Porsche-Text" mit dem Hersteller abgestimmt. Ein VW-Mitarbeiter schrieb an das KBA, man wolle einen "abgestimmten Vorschlag" an die Untersuchungskommission versenden.

In den Unterlagen taucht auch KBA-Präsident Ekhard Zinke auf. Er schrieb an einen seiner Mitarbeiter, er halte Opel-Ausführungen "insbesondere im techn. Teil im Grunde nach für nachvollziehbar." Der Behördenchef schließt dann: "Mit industriefreundlichem Gruß."

Ein VW-Konzernsprecher teilte mit: "Die beteiligten Marken haben konkrete Lösungen erarbeitet und dem KBA zur Überprüfung und Freigabe vorgestellt." Weiter hieß es: "In dem gesamten Prozess haben wir gegenüber dem KBA sensible und vertrauliche Daten offengelegt. Wenn das KBA mit Blick auf die angekündigte Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes Rücksprachen mit betroffenen Unternehmen führt, ist dieses aus unserer Sicht erst einmal nachvollziehbar und naheliegend." Der Autobauer Opel wollte sich nicht äußern.

"Anschein einer Kultur der Kumpanei"

Die Grünen sehen sich in ihrem Vorwurf bestätigt, Verkehrsminister Dobrindt und das KBA handelten nicht unabhängig. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck sagte: "Hier hat offenbar die Industrie dem KBA die Feder geführt. Das ist ein Problem. Schon allein der Anschein einer Kultur der Kumpanei ist fatal." Die logische Konsequenz könne nur sein, dass eine unabhängige Kommission das Ganze noch einmal aufrolle.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sprach von einem "Skandal". Die E-Mails bestätigten den schon lange gehegten «Verdacht der Mauschelei» zwischen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und Herstellern, sagte der VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert am Freitag in Berlin. Das Umweltbundesamt solle nun noch einmal Abgas-Nachmessungen vornehmen. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, sagte dem "Handelsblatt", das KBA müsse "dringend reformiert" werden.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte ein "Versagen" staatlicher Kontrollgremien. "Es wird überdeutlich, wie notwendig der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages ist." Im Juli hatte ein Untersuchungsausschuss zum Dieselskandal seine Arbeit aufgenommen. Der von der Opposition beantragte Ausschuss soll für die Zeit seit 2007 beleuchten, was die Bundesregierung in Bezug auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr. (dpa)

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