Von Michael Gebhardt/SP-X
Dass es Detroit nicht gerade gut geht, ist hinlänglich bekannt: Mit Anmeldung der Insolvenz im Jahr 2013 hat die Stadt den bislang größten, kommunalen Bankrott in der US-Geschichte hingelegt und auch wenn in den letzten Jahren wieder ein bisschen Leben in zurück gekehrt ist, ist die Stadt doch noch immer vom Verfall geprägt. Hier und da siedeln sich zwar kleine, coole Läden an. Ein paar Kaffeeröster lassen sprichwörtlich frischen Wind durch Detroit wehen, es gibt teure Modelabels und stylische Bars. Doch noch dominieren heruntergekommene Wolkenkratzer und leerstehende Prachtbauten das Stadtbild in Downtown Detroit.
Auch das einstige Highlight des Jahres und Aushängeschild der Motor City hat seine besten Tage hinter sich: die North American International Auto Show (bis 27. Januar), kurz NAIAS. Seit 1907 schon trifft sich die amerikanische Autobranche kurz nach dem Jahreswechsel in Detroit. Und mit dem Siegeszug des Automobils begann auch der Aufschwung der Messe. Seit Ende der Fünfzigerjahre stellen auch europäische Hersteller auf der NAIAS auf – doch die sind inzwischen nahezu ausnahmslos vor dem eiskalten Winter in Michigan geflohen. Zwar hat sich die Messe von kleineren Krisen in den frühen 2000er Jahren kurzzeitig erholen können, doch 2019 erlebte die Auto Show einen Tiefpunkt in Sachen Ausstellerliste: Mercedes, BMW, Audi, Porsche, Mini, Volvo, Jaguar, Land Rover, Bentley, Rolls-Royce, Maserati, Mazda, Tesla – sie alle fehlten in der Cobo Hall und sorgten so für eine stark geschrumpfte Ausstellungsfläche und breite Gänge zwischen den einzelnen Ständen.
Aus der alten Welt hält nur noch Volkswagen der Messe die Treue, was umso mehr überrascht, als dass der Verband der deutschen Automobilhersteller (VDA) gerade erst die Bedeutung des US-Marktes betont hat: Der scheidende VDA-Geschäftsführer Bräunig verlautbarte auf der Messe, dass die deutschen Pkw-Marken 2018 knapp acht Prozent Marktanteil in den USA erreicht und wie im Vorjahr rund 1,34 Millionen Fahrzeuge unters amerikanische Volk gebracht haben. Außerdem konnte die Produktion deutscher Hersteller in den Vereinigten Staaten zuletzt deutlich auf 750.000 Autos gesteigert werden, damit sind die USA drittgrößter Auslandsstandort.
Detroit Motorshow 2019
BildergalerieWelche Bedeutung Amerika für Volkswagen hat, machte der Auftritt Herbert Diess’ deutlich. Der Konzernchef war höchstpersönlich nach Detroit gereist und unterstrich, dass "die NAIAS für uns eine wichtige Auto Show ist". Der Auftritt sei ein Muss für VW und ein Bekenntnis zum amerikanischen Markt, der für die Niedersachsen noch immer großes Potential biete. Mit dem überarbeiteten Passat hat VW auch eine Top-Neuheit dabei, und auch Kia und Ford, Subaru und Cadillac warten mit wichtigen Premieren für den US-Markt auf.
Einen Kracher von internationaler Bedeutung gibt es dagegen nur am Toyota-Stand, mit dem neuen Supra haben die Japaner den Titel „Star der Messe“ sicher in der Tasche. Und auch die Studien-Highlights kann man an einer Hand abzählen: Neben dem Infiniti QX Inspiration, der das zukünftige Design der Marke vorweg nehmen soll, zeigen auch Nissan, Cadillac und der chinesische Hersteller GAC jeweils recht unspektakuläre Elektro-Concepts.
Neustart im Sommer
Dass es so nicht weitergehen kann, ist auch den Veranstaltern klar. Sie versuchen, die Messe mit allen Mitteln zu retten, und haben die NAIAS jetzt kurzerhand in den Sommer verlegt. Ab 2020 trifft sich die Autobranche im Juni statt im Januar – falls im kommenden Jahr überhaupt noch Autohersteller nach Detroit kommen. Die Terminverschiebung ist auch eine Flucht vor der CES: Die Elektronik-Messe in Las Vegas lockt seit einigen Jahren auch eine Handvoll Autobauer an. Und obwohl die auf der riesengroßen Consumer Electronics Show nicht mehr als eine Randnotiz sind, läuft sie der NAIAS zumindest gefühlt den Rang ab. Ob die Autoshow am zeitlichen Abstand zur CES tatsächlich genesen kann, bleibt abzuwarten. Eventuell lockt auch der warme Sommer mehr Besucher nach Michigan, die der Messe neuen Schwung verleihen. Vielleicht ist über einhundert Jahre nach der ersten North American International Auto Show aber auch schlichtweg der Zeitpunkt gekommen, die Türen der Messehalle endgültig abzuschließen. Schließlich haben die USA mit den Schauen in New York (Frühjahr) und Los Angeles (Spätherbst) noch zwei große, Messen – die noch dazu an deutlich attraktiveren Plätzen stattfinden.