Bewundernde Blicke folgen der Premiumlimousine, die den Firmenhof verlässt - und die dem Menschen hinter ihrem Steuer einmal mehr ein hochzufriedenes Lächeln entlockt. Wer kennt diese Bilder von hart erarbeiteten, ja erkämpften Dienstwagen nicht, mit denen man auch alle Privat- und Urlaubsfahrten absolvieren kann?
Mit der Gegenwart haben solche weichgezeichneten Vorstellungen aber womöglich nicht mehr viel gemeinsam. Flexible Mobilitätskonzepte auch mit Augenmerk auf Carsharing - so lautet vielerorts das Gebot der Stunde: eine geradezu beispielhafte Versöhnung von Ökonomie und Ökologie.
Wie viel Corporate Carsharing?
Der Bundesverband Carsharing (BCS) verkündet vollmundig, dass zum Jahresanfang 2023 schon 4,47 Millionen Fahrberechtigte bei hierzulande 249 Anbietern mit 33.930 Fahrzeugen angemeldet sind. Aber Achtung: Mehrfachnennungen zu Anmeldungen bei den unterschiedlichen Anbietern sind hierbei nicht nur möglich, sondern höchstwahrscheinlich. Eine spannende Frage besteht darin, wie viele Carsharer gewerblich-beruflich unterwegs sind. Ebenso von Bedeutung könnten Zahlen zum klassischen Corporate Carsharing sein, also wie viele firmeneigene Flotten mittlerweile gemeinsam genutzt werden. Erstaunlicherweise kann der BCS auf Nachfrage hierzu keinerlei Aussagen machen.
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Bei Anbietern unter den Top Ten wird man in mehrfacher Hinsicht fündig: Sixt nennt zwar grundsätzlich keine Zahlen, betont aber, dass in den vergangenen Jahren der Bedarf an Corporate Carsharing zurückgegangen sei, da Unternehmen in der Pandemie ihre Flotten reduziert und hybride Arbeitsmodelle an Bedeutung gewonnen hätten. Demgegenüber könne der 2019 gegründete hauseigene Service Sixt Share sein Angebot kontinuierlich ausbauen. Wettbewerber Share Now wird konkreter: "Derzeit sind über 110.000 geschäftliche Bezahlprofile bei uns registriert, und wir stellen knapp 14.000 Unternehmen betriebliche Mobilität in Form eines Corporate Accounts zur Verfu?gung. Von 2019 bis 2022 konnte Share Now for Business ein Umsatzwachstum von 36 Prozent im deutschen Markt erzielen."
Carsharing: 80 Prozent weniger Dispoarbeit
Zum Kundenstamm gehört der Frankfurter Personaldienstleister im Hotellerie-, Gastro- und Catererbereich namens Service Allstars. Disponentin Maika Stock nimmt kein Blatt vor den Mund: "Seit wir unsere Autos bei Share Now buchen, habe ich bei der Dispoarbeit eine Entlastung von 80 Prozent." Vorher organisierte sie die Fahrzeuge bei einer Autovermietung, die ihnen während der Corona-Zeit kündigte. "Mir ist erst mit dem Carsharing klar geworden, wie mühselig der Prozessablauf vorher war." Mittlerweile lobt sie die in ihrer Branche notwendigen flexiblen Buchungsmöglichkeiten. Jeder ihrer rund drei Dutzend Führerscheinbesitzenden bucht selbstständig über eine App das Auto im Stadtgebiet für den Termin. Als Treffpunkt der jeweiligen Gruppe, die dann zum Einsatz fährt, gilt meist der Hauptbahnhof.
"Meine Mitarbeiter sind entspannter, weil der Aufwand, zum Wagen zum kommen, wesentlich geringer ist - die Autovermietung war ungünstig öffentlich zu erreichen." Obendrein hätte die Buchhaltung einen wesentlich geringeren Aufwand bei der Rechnungskontrolle. Die Fahrzeugkosten seien im Vergleich zur früheren Kooperation mit der Autovermietung zwar ähnlich, aber die Vorteile lägen hier in der Einsparung von Arbeitszeit und der ausgeprägten Zufriedenheit.
Als Hürden gibt Disponentin Maika Stock nur anfängliches Zurechtruckeln beim Anlegen der Firmen-Accounts in den diversen Handys an. Gibt's sonstige Probleme im Carsharing-Alltag? "Na ja", meint sie mit einem Schulterzucken, "bei der Autovermietung hat natürlich immer jemand vor der Herausgabe das Fahrzeug durchgeschaut. Jetzt kann es passieren, dass mal Cashewkerne vom Vorgänger im Fußraum liegen. Aber das melden wir dann. Bei technischen Problemen stellt man indes das Auto ab und bucht ein anderes - das geht erfahrungsgemäß zack, zack."
Kleinbus im Carsharing
Dass es viele Spielarten im gewerblichen Carsharing gibt, zeigt die Mischform im Fuhrpark des Deutschen Alpenvereins Sektion Tübingen (DAV). Dort stehen drei eigene Kleinbusse zum Transport von bis zu neun Personen. Letztes Jahr ging es um die Anschaffung eines vierten. "Wir waren uns schnell einig, dass wir uns aus Nachhaltigkeitsgründen und wegen geringerer Verwaltungsarbeit für einen Bus vom örtlichen Anbieter teilAuto entscheiden werden", erklärt uns DAV-Geschäftsführer Matthias Lustig. Rund 170 führerscheinberechtigte DAV-Ehrenamtliche fahren mit den Bussen auf Touren in die Berge. "Mit öffentlichen Verkehrsmitteln können wir unsere Ziele ja meist nicht erreichen. Dazu kommt noch die Ausrüstung."
Das Modell sieht vor, dass der teilAuto-Bus samt Dachbox vor der DAV-Kletterhalle in Tübingen stationiert ist. Für die Kurstouren kann ihn Lustig schon frühzeitig blocken, da der Verein ein Jahr im Voraus plant. "Natürlich steht die Nutzung der eigenen Flotte im Vordergrund, aber im letzten Jahr sind wir mit dem teilAuto-Bus rund 20.000 Kilometer gefahren." Außerhalb der DAV-Fahrten steht der Bus anderen Nutzern zur Verfügung. Die Bilanz des ersten Jahres: Ein Drittel der Kilometer ging aufs DAV-Konto, zu zwei Dritteln nutzte ihn die allgemeine teilAuto-Kundschaft.
Für die Zukunft denkt Lustig, dass man eventuell die Abläufe mit den Schlüsseln der eigenen Busse und den Zugangskarten des teilAuto-Busses zusammenlegt. Davon profitiere die hauseigene Disposition. Abschließend meint er: "Wir können uns eine erweiterte Zusammenarbeit sowieso gut vorstellen, denn wenn eines Tages die eigenen Busse aus dem Fuhrpark ausscheiden, wäre der Weg für die nächsten geteilten Busse geebnet."
Carsharing: Viele Modelle sind möglich
Es hört sich immer recht einfach an, wenn man in die Praxisbeispiele hineinschaut. Worin liegen dann die Hürden für ein Unternehmen, auf entsprechende Carsharing-Angebote zuzugreifen? Anita Gaiser ist Produktmanagerin bei "teilAuto Neckar-alb" und fasst ihre Erfahrungen so zusammen: "Die Umstellung findet im Kopf statt, denn es ist mit der maßgeschneiderten Software höchst einfach zu dirigieren. Im Prinzip können wir alle Anforderungen erfüllen, Herausforderungen sind allenfalls Spezialfahrzeuge, beispielsweise von Handwerkern."
Von der Umstellung im Kopf kann auch Uwe Zimmermann berichten. Der Projektleiter Regio.mobil/Homberg Efze hat 2018 ein Pilotprojekt unter anderem mit der Stadt- und Kreisverwaltung aufgelegt, das auf drei Jahre angelegt war und sich aktuell bereits im Regelbetrieb befindet: Die Autos werden von den Angestellten für ihre Wege vom ländlichen Wohnort zum Arbeitsplatz und abends wieder nach Hause genutzt. Tagsüber stehen sie für Dienstfahrten bereit. Abends und am Wochenende können sie frei gebucht werden.
"Vorbehalte gegenüber der Fahrzeug-Verfügbarkeiten kenne ich nur zu gut, aber sie bewahrheiten sich nicht. Wir stellen jedenfalls fest, dass die Fahrzeuge gut ausgelastet sind, aber auch eine hohe Verfügbarkeit besteht." Laut Zimmermann hat das Projekt schon größere Kreise gezogen, sodass andere Kommunen ebenfalls diesen oder einen ähnlichen Weg gehen.
Noch kein Durchbruch beim gewerblichen Carsharing
Den großen Durchbruch kann man beim Carsharing im gewerblichen Gebrauch sicher nicht erkennen. Und wer nahezu täglich mehrere hundert Kilometer quer durch die Republik zurücklegt, wird auch weiterhin einen eigenen Dienstwagen bevorzugen. Aber die Zeiten bewundernder Blicke auf die einzelgenutzten Karossen als Statussymbol scheinen vorbei zu sein. Die Schwerpunkte der Fortbewegung verschieben sich gerade in ganz andere Richtungen.