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Car Policies unter Druck

01.08.2017 06:00 Uhr
Car Policies unter Druck

"Die meisten Unternehmen müssen durch den neuen Messzyklus CO2-Grenzen überprüfen und die Referenzmodelle anpassen", sagt Marc-Oliver Prinzing, Vorsitzender des Fuhrparkverbands.

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_ Nicht erst seit dem Abgasskandal sind Abgaswerte und Kraftstoffverbrauch viel diskutierte Themen. Dass Prüfwerte nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben, ist inzwischen auch der breiten Öffentlichkeit klar geworden.

Seit den 1990er-Jahren werden die Werte bei Neufahrzeugen einheitlich durch das NEFZ-Verfahren (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ermittelt. Das Verfahren gilt schon lange als antiquiert und realitätsfremd, kann zum Beispiel auch Elektro- und Hybridfahrzeuge nicht abbilden. Durch die unrealistischen Bedingungen beim NEFZ geriet dieser schnell in die Kritik. Schon 2007 wurde entschieden, Anpassungen im Fahrzyklus vorzunehmen oder gleich einen ganz neuen Fahrzyklus zu etablieren.

Nun soll NEFZ ab September durch den Standard WLTP - "Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure" abgelöst werden. Der neue Prüfzyklus zur Ermittlung von Kraftstoffverbräuchen bei Pkw ist schon viele Jahre in Arbeit und wird auch Auswirkungen für Fuhrparkbetreiber haben. WLTP soll realistischere Bedingungen bieten als der NEFZ. Zudem sollten diese Standards weltweit einheitlich sein. Die EU verfolgte ab 2014 die Einführung des WLTP, wobei sie damit fast alleine ist, denn mittlerweile haben sich nahezu alle außereuropäischen Staaten aus der Einführung von WLTP zurückgezogen. Somit wurde aus dem weltweiten Standard eher ein europäischer.

Was dahintersteckt I

Der WLTP ist genau wie der NEFZ ein Fahrzyklus, der auf dem Prüfstand durchgeführt wird. Dementsprechend ist auch dieser eher realitätsfern. Um die Kraftstoffverbräuche und die damit verbundenen Emissionen praxisorientierter zu ermitteln, sind Messungen auf der Straße ein Bestandteil des WLTP. Die"Real Driving Emissions" (RDE) haben besonders für die Ermittlung der Stickoxide eine hohe Bedeutung, denn diese hängen nicht direkt mit dem Kraftstoffverbrauch zusammen, wie es bei CO2 der Fall ist. Deswegen findet bei der Typengenehmigung von Lkw mit Euro-6-Norm eine RDE-Fahrt statt, um die Stickoxide zu messen.

Die Veränderungen des Messverfahrens auf dem Prüfstand sind umfangreich, jedoch lassen diese immer noch genügend Spielraum für Anpassungen am Fahrzeug. Sonderausstattungen werden beim WLTP berücksichtigt, jedoch dürfen Klimaanlage und Sitzheizung weiterhin ausgeschaltet bleiben.

Fuhrparkbetreiber aufgepasst I

Veränderungen der Kraftstoffverbräuche und der CO2-Emissionen haben auch direkte Auswirkungen auf die gewerblichen Flotten. Zum einen, wenn in der Car Policy Referenzmodelle mit CO2-Grenzen angegeben sind. Zum anderen bei der Kfz-Steuer: Hier kommt es im Einzelfall ohne eine entsprechende gesetzliche Reform zu möglichen Mehrbelastungen.

Durch die Vorgaben von Schaltzeitpunkten im NEFZ und die vergleichsweise geringe Leistungsabgabe von vier bis 34 Kilowatt während des Fahrzyklus werden große Motoren benachteiligt. So konnte in einem Test von Auto-Motor-Sport (WLTP Prüfzyklus mit RDE) ermittelt werden, dass ein Ford Mustang mit V8-Motor den NEFZ-Verbrauchswert um bis zu vier Liter unterbot. Dem stehen Downsizing-Motoren gegenüber, die bei den geringen Belastungen im Fahrzyklus fabelhafte Werte erreichen und im täglichen Gebrauch zu erhöhtem Verbrauch neigen.

Downsizing-Motoren sind naturgemäß nur im Teillastbereich sehr sparsam und werden bei höherer Belastung und stetigem Abrufen hoher Leistung schnell zum "Spritfresser". Der PSA-Konzern hat bereits Kraftstoffwerte nach WLTP für seine Flotte ermittelt - hier wurden Mehrverbräuche von 1,8 bis 4,0 Litern gegenüber NEFZ-Werten angegeben.

Car Policies mit CO2-Grenzen geraten somit zukünftig unter Druck, denn nahezu alle Referenzmodelle und deren CO2-Emissionen gehen auf Downsizing-Motoren zurück. Darüber hinaus werden große Motoren mit WLTP sparsamer im Normverbrauch, sodass längst ausgeschlossene Motoren vom Dienstwagennutzer wieder in Betracht gezogen werden könnten. Eine Überarbeitung der Car Policy und deren CO2-Grenzen beziehungsweise die Anpassung und Begutachtung der Referenzmodelle ist hier für viele Unternehmen zwingend erforderlich.

Es wird nicht einfacher I

Auch die Bestellung der Fahrzeuge kann komplexer werden, denn im WLTP fließen Sonderausstattungen in die Bewertung ein. Die Konfiguratoren müssen folglich bei der gewählten Sonderausstattung auch die Verbrauchs- und Emissionswerte anpassen, wie es heute schon Herstellerkonfiguratoren bei bestimmten Rad-Reifen-Kombinationen machen.

Die Herstellerdaten für die Konfiguratoren von zum Beispiel Non-Captive-Leasinggesellschaften müssen daher viel umfangreicher werden. Gerade in der Umstellung von NEFZ hin zu WLTP sind hier Fehlerquellen zu erwarten. So können auch Ausstattungsmerkmale, die vom Fuhrparkbetreiber über die Car Policy vorgegeben werden, dazu führen, dass das Fahrzeug CO2-Grenzen in der jeweiligen Ebene überschreitet.

Hinzu kommt eine Mehrbelastung bei der Kfz-Steuer, wenn es keine entsprechende Anpassung gibt. Die Kfz-Steuer wird bekanntlich aus Hubraum und CO2-Emissionen errechnet. Von den 8,8 Milliarden Euro Kfz-Steuer im Jahr 2015 entfielen lediglich ein Drittel auf die Hubraum-Berechnung und zwei Drittel auf die CO2-Emissionen. Laut Medienberichten wird bis 2022 mit einer Milliarde Euro Mehreinnahmen bei der Kfz-Steuer gerechnet, und dies allein durch die veränderten Normverbräuche, die mit WLTP zustande kommen. Das stellt eine versteckte Steuererhöhung von nahezu 11,4 Prozent dar - ein angenehmer Nebeneffekt für den Staat.

Somit können Fahrzeuge mit Downsizing-Motoren teurer in der Steuer werden, wohingegen bei großen und leistungsstarken Motoren Einsparungen zu erwarten sind. Eine Kfz-Steuer-Reform wäre daher zwingend notwendig.

Fazit: Auswirkungen für Flotten I

Es kommen einige Änderungen auf uns zu. WLTP kann eine Neuausrichtung CO2-basierter Car-Policies erforderlich machen. Und - wenn auf der Basis der neuen Werte die Kfz-Steuer erhoben wird - kommt es zu Mehrbelastungen durch die Hintertür. Die Veränderungen der ermittelten Verbräuche und CO2-Emissionen haben also direkte Auswirkungen auf gewerblichen Flotten. Allerdings: Für bereits zugelassene Pkw ändert sich erstmal nichts - hier greift ein Bestandsschutz.

WLTP trifft zunächst nur neue Modelle, die nach dem 1. September 2017 eine neue Typengenehmigung benötigen. Erst für Autos, die nach dem 1. September 2018 zugelassen werden, gelten die nach dem neuen Zyklus ermittelten Werte. Bis dahin geben weiterhin die im NEFZ ermittelten CO2-Werte den Ausschlag. Ab 2019 ist WLTP dann der Standard für alle neu zugelassenen Autos in Europa.

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