Ende August zeigt VW die ersten Fotos des neuen VW Passat ohne Tarnfolie. Das ist dann ziemlich genau 50 Jahre nach Markteinführung der Modellreihe. Der Passat B9 wird von Grund auf erneuert und ist ab Frühjahr 2024 ausschließlich als Variant erhältlich. Damit ist die neunte Generation des VW Passat die erste, die nicht als Limousine zu haben sein wird – wer Passat in Limousinen-Form möchte, muss zum ID.7 greifen. Das könnte auch zeigen, dass sich VW mit dem B9 auf den europäischen und chinesischen Markt konzentriert. In den USA gibt es bei VW keinen einzigen Kombi, in Brasilien keinen, in Südafrika keinen. Wenngleich in den USA eh ein anderer Passat am Start war (da gibt es nur noch Jetta und Arteon). In China hat VW hingegen drei Kombis im Angebot – auch den Passat. Aber im Reich der Mitte gibt es ohnehin so viele VW-Modelle wie nirgends sonst.
VW Passat 2.0 TDI 4Motion (200 PS)
BildergalerieVW Passat 2024 nur noch als Kombi
„Kombi only" lautet also das Mantra beim VW Passat B9. Sein Pendant, der Skoda Superb in neuester Version, gibt zeitgleich ab Frühjahr 2024 sein Debut und ist weiterhin als Combi und als Limousine zu haben. Das wird Francesco Oldenbourg nicht stören. Francesco mag Kombis – und er mag seinen Passat Variant aus dem Jahr 2016. Francesco ist selbstständig und fährt noch immer einen Passat B8 vor Facelift. TDI, 150 PS, DSG mit allen Komfort- und Sicherheits-Features, die es 2016 gab. Mittlerweile ist er rund 100.000 Kilometer mit seinem Wagen gefahren und er sieht nach wie vor neuwertig aus. Francesco mag seinen Passat, wie bereits erwähnt, und pflegt ihn. Daher ist er für uns der ideale Gutachter, um kurz vor der Ablösung der achten Generation ein Urteil abzugeben, wie sich der Passat in den letzten Jahren entwickelt hat. Denn seine Überlegung lautet: Noch einen der letzten B8 neu holen oder auf den B9 warten? Oder komplett der Marke VW den Rücken kehren?
Perfekter Kompromiss
Ein Passat ist für Francesco aus diversen Gründen ein idealer Partner im Arbeitsalltag: „Als Geschäftsführer ist mir die Außenwirkung beim Kunden sehr wichtig. Der VW Passat war lange Zeit der perfekte Kompromiss zwischen Image und Understatement. Er strahlt eine gewisse Seriosität und Wertigkeit aus, ohne dabei protzig oder übertrieben zu wirken. Ich frage mich jedoch, wie lange dieser Ruf noch Bestand haben wird, wenn die aktuellen Veränderungen und Kompromisse weiterhin im Passat fortgeführt werden.“
Wir machen mit Francesco den Zwischenschritt und haben als Testwagen einen Passat Variant 2.0 TDI 4Motion organisiert, also das Facelift-Modell seines Exemplars mit Highend-Ausstattung. Dieser 200-PS-Diesel hat nahezu alle Extras an Bord, die VW in der Aufpreisliste aufgeführt hat, und mit diesen wird der Wolfsburger zum wahren Understatement-King. Oder hätten Sie vermutet, dass ein Passat 76.144 Euro (brutto) kosten kann? So formuliert auch Francesco: „Der aktuelle Passat ist ein Fahrzeug, das auf dem Papier alle Eigenschaften und Features bietet, die heutzutage von Vielfahrern gewünscht werden. Der Innenraum wirkt hochwertig“, und schränkt seine Aussage zugleich ein, „jedoch fehlt ihm ein Hauch von Raffinesse und Eleganz“. Das ist ein kleiner Dämpfer für den in Emden produzierten Wolfsburger. Oder aber der Ritterschlag, etwas Besonderes zu sein, ohne es zu zeigen – Ansichtssache.
Materialien und Verarbeitung: Zenit erreicht
Aber potenzielle Käufer wie Francesco schauen oft genau hin, vor allem dann, wenn man ein Modell „schon immer“ fährt. „Die Materialien und Verarbeitung lassen darauf schließen, dass an einigen Stellen Abstriche gemacht wurden, um Kosten zu sparen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass das Fahrzeug trotz seiner modernen Ausstattung nicht das gewünschte Premium-Feeling vermittelt. Im Vergleich zum Passat von 2016 ist eine spürbare Verschlechterung festzustellen.“
So ist auch uns aufgefallen, dass seit einigen Jahren die Folge-Generation der Fahrzeuge keinen Sprung mehr bei der sicht- und fühlbaren Qualität macht. Der Zenit scheint vor einigen Jahren erreicht gewesen zu sein. Und auch Francesco kreidet beispielsweise das Bedienkonzept an. „Im Innenraum wurden insgesamt 28 Knöpfe durch Touch-Elemente ersetzt. Persönlich finde ich diese Veränderung weder ergonomisch noch intuitiv. Es kann schwierig sein, die richtigen Funktionen während der Fahrt zu bedienen, da die Touch-Elemente keine haptische Rückmeldung bieten und man den Blick von der Straße nehmen muss, um sie zu finden. Dies kann zu einer Ablenkung und möglicherweise zu Sicherheitsrisiken führen. Es wurden einige Knöpfe reduziert, um die Komplexität zu verringern, jedoch geht dabei auch ein gewisser ,Sense of Occasion‘ verloren. Im Vergleich zum konservativeren, aber insgesamt runderen Interieur des Passats von 2016 wirkt der neue Passat austauschbar und langweilig. Trotzdem kann man nicht bestreiten, dass der Innenraum hochwertig und solide verarbeitet ist.“ Übrigens bestätigt der ADAC in seinen Tests diesen Eindruck. Bei der Bedienung lautet die Beurteilung in Schulnoten 1,7 zu 1,9 zugunsten des „alten“ Passat – eben aufgrund fehlender Tasten und Drehregler.