Der Schlagregen an der holländischen Küste hat sich gelegt, nicht aber der Seitenwind. Es trifft sich daher gut, dass das Testfahrzeug, ein Toyota Proace Max, mit der Seitenwind-Stabilitätskontrolle ausgerüstet ist, die ab 65 km/h bei Schwanken und abnehmender Bodenhaftung mit stabilisierenden Bremseingriffen entschärfend eingreift.
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Der 140 PS starke Diesel-Lastesel nagelt nicht, grummelt eher verhalten, schaltet sauber durchs gut gestufte Sechsgang-Getriebe, lenkt sich in der Hochdachvariante fast wie ein Pkw. Dazu passt, dass mangelnde Sicherheit selbst in den engen Durchfahrten Den Haags mit breiten Radspuren kein Thema ist.
Neben den großen seitlichen Außenspiegeln ist selbst das Heck des Proace Max kein schwarzes Loch, sondern eine sichtbare, gut überschaubare Szene im kamerabasierten System. Gerade beim Einparken vermittelt die neue Rückfahrkamera Vertrauen, nicht zuletzt dank des 360-Grad-Flankenschutzes, der mit bis zu 16 Sensoren arbeitet.
Mehr Entwicklungsarbeit erforderte die BEV-Variante, die anders als die Selbstzünder nicht im italienischen Atessa, sondern im polnischen Gliwice vom Band rollt: Dank 279 PS im Powermodus kann der batterieelektrische Großtransporter sprinten wie kaum ein anderer seiner Klasse.
Nervenschonend ist dabei nicht nur sein lautloses Fahrvermögen, sondern auch der Stauassistent (Option), den verständlicherweise nur die drei Varianten mit Automatikgetriebe ordern können. Damit hält der Großtransporter nicht nur die Spur, sondern bremst im Stop-and-go auch bis zum Stillstand ab, beschleunigt dann bis zur eingestellten Höchstgeschwindigkeit.
Es hat lange gedauert, bis Toyota die letzte Nutzfahrzeug-Trumpfkarte auf die Räder stellen und ausspielen konnte. Möglich war dies freilich nur durch das Joint Venture mit Stellantis, das 2012 mit der PSA- und Fiat-Partnerschaft startete.
Ab Werk ist das neue Toyota-LCV-Aushängeschild der Vollständigkeit halber mit zwei Radständen, in drei Längen und für alle Fälle auch in drei Höhen lieferbar. Und um alle Kundenwünsche zu erfüllen, besteht das Motorisierungsangebot gleich aus drei Diesel-Vierzylindern mit 120, 140 und 180 PS abgestuft.
Mit 2,8 Tonnen Leergewicht dürfte der Nutzfahrzeug-Stromer nur knapp über 700 Kilogramm zuladen. Aber hier greift zur Homologation das "Gleichsetzungsverfahren" Batterie = Tank: Beides wird bei der Berechnung des Maximalgewichts weggelassen und beschert so dem Nutzer eine Trumpfkarte mit 1.460 Kilogramm Zuladung.
Seine Reichweite wurde nach WLTP mit 420 Kilometer angegeben. Der leere Akku soll am Schnelllader in unter einer Stunde wieder auf 80 Prozent der Kapazität kommen. Der 110 Kilowattstunden-Energiespeicher bestimmt auch die Fahrzeugmaße: Als BEV wird der Proace Max mindestens als L3H2 gebaut und bringt deshalb sechs Meter Gesamtlänge mit.
Der Einstieg ins 3,5-Tonnen-Segment ist zwar Neuland für Toyota, aber wohldurchdacht. Die Japaner wollen die aktuelle 140.000er-LCV-Marke im nächsten Jahr auf 180.000 Einheiten pushen. Ob das gelingt?