So ganz korrekt ist die Einleitung nicht. Denn auch in den USA gibt es immer mehr EV-Modelle der etablierten Hersteller aus Michigan – der Druck ist auch dort zu spüren. Doch die Realität beim Autohändler sieht in den USA noch gravierender nach alter Technik aus als in Europa. Da hat sich in den USA in den vergangenen Dekaden wenig verändert.
Dodge Durango SRT Hellcat
BildergalerieGroß, größer, Pick-up
Nach wie vor verkaufen sich die Modelle der Ford F-Serie mit 5,2-Liter-Achtzylinder, verteilt auf 5,30–5,90 Meter Länge am besten. Der Chevrolet Silverado (Pick-up) mit seinen 6,6-Liter-V8-Aggregaten (Benziner und Diesel) und der im Vergleich zierliche Toyota RAV (in den USA als 2,5-Liter-Benziner, als Hybrid und Plug-in-Hybrid zu haben) folgen auf den Plätzen. Kurz am Treppchen vorbei schrammte in der erste Jahreshälfte 2024 Teslas Model Y, oha, elektrisch; aber bereits beim Platz sechs kommt mit dem Ram wieder ein Monster-Pick-up ins Spiel. Auf Platz 8 liegt der ähnlich mächtige GMC Sierra, sogar mit einem leichten Plus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der kommt auch mit einem kleinen Vierzylinder, hat dann „nur“ 310 PS. Wer mehr will, wird bedient. Dreiliter-Diesel, 5,2-Liter- und 6,2-Liter-V8-Aggregate stehen zur Wahl. Interessant zu sehen, wie die Hersteller die Pick-ups auf der eigenen Homepage bewerben. Ein gewisses Muster ist definitiv erkennbar. Das kürzeste Fahrzeug unter den Top-15 ist der erwähnte RAV 4 mit etwas mehr als 4,60 Metern. 18 der 25 meistverkauften Fahrzeuge passen in die Kategorien Pick-up und SUV, wenn man Teslas Y mit dazurechnet, sind es 19. Die ganze Liste der Zulassungen von Januar bis einschließlich Juni 2024 in den USA gibt es hier zu sehen.
Auch Dodge – mittlerweile, wie Jeep, Chrysler und Ram zum Stellantis-Universum gehörend – hat etwas Besonderes im Programm. Den Dodge Durango. Der ist per se gar nicht besonders und deswegen ist das 5,11-Meter-SUV wohl auch kein Bestseller, aber doch im Markt gut vertreten. Vor allem die Brot-und-Butter-Version Dodge Durango GT mit Heckantrieb und 3,6-Liter-Benziner ist in den USA gefragt. Leistung: knapp 300 PS. Startpreis: schmale 41.420 US-Dollar (vor Steuern). Bei den Varianten gibt es mehr als ein halbes Dutzend. Ein 5,7-Liter-V8 (R/T), ein 6,4-Liter-V8 (SRT) und ganz „oben“ der SRT Hellcat, den wir passend zu den USA, rund um Mainhatten (also Frankfurt) fahren.
Der Dodge Durango SRT Hellcat hat einen 6,2-Liter-V8-Benziner im Bug und ist derzeit das stärkste Serien-SUV aus US-Produktion. Ein Kompressor presst beim Durango SRT Hellcat Luft in die acht Brennräume und steigert die Leistung auf abartige 710 PS. 889 Newtonmeter Drehmoment sind die Begleiterscheinung. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei 290 km/h erreicht und der Standardsprint dauert 3,6 Sekunden. Mittels Bordcomputer gelang uns bereits beim ersten Versuch eine 3,9. Allradantrieb und Achtgang-Automatik lauten die Zutaten, um die immense Kraft zu verteilen.
Dodge Durango SRT Hellcat: Nicht das Maß der Dinge – aber nah dran
Doch der Durango SRT Hellcat ist damit weder das stärkste noch das schnellste SUV. Ein Aston Martin DBX707 verrät seine Leistung bereits im Namen und zieht knapp den Kürzeren, hat aber elf Newtonmeter mehr Drehmoment – pari also. Porsche hat gerade nachgelegt und im Cayenne Turbo E-Hybrid schummelige 739 PS verkündet. Schummelige? Ja, der Stuttgarter-Vierliter-V8 leistet „nur“ 599 PS und wird zusätzlich elektrisch auf Trab gebracht. Ähnlich sieht es beim limitierten BMW XM Label aus. Ferrari setzt beim Purosangue auf einen V12-Motor klassischer Bauart mit fetten 6,5 Litern Hubraum und schafft es damit auf echte 725 PS. Der Sauger hat aber lediglich 716 Newtonmeter. So oder so: Bei den anderen sprechen wir von High-Performance-Fahrzeugen, die mit einem SUV auch optisch kaum etwas zu tun haben. Der Durango sieht sich eher auf einer Etage mit einem Mercedes G63 oder einem Land Rover Defender V8 Octa. Schrankwände eben. Der Deutsch-Österreicher (die G-Klasse kommt von Magna aus Graz) und der Anglo-Slowake (der Defender wird in Nitra/Slowakei produziert) haben jedoch deutlich weniger Leistung als der unscheinbare Brutalo-Ami.
Okay, einsteigen, genug Zahlen genannt. Am Ende interessiert es auch nicht, wie viel Leistung der andere hat, Hauptsache der Durango hat mehr. Zumal sich die genannten Fahrzeuge in Preisregionen bewegen, die einem Dodge Durango Hellcat-Fahrer trotz der aufzubringenden 136.000 Euro (brutto) – WAHT!?! – eher fern sein dürften. G63 und Defender Octa starten bei knapp unter 200.000 Euro (und sind noch nicht einmal individualisiert).
Individualisierung heißt beim Durango SRT Hellcat Lackierung auswählen
Beim Durango Hellcat kann man durch eine von sechs Lackierungen individualisieren. Punkt. Das ist oft so bei US-Produkten. Im Interior, in das wir nun hinaufklettern (der Wagen ist 1,83 Meter hoch und damit 14 Zentimeter niedriger als ein G63), sieht man immer rot. Das ist beim Hellcat die einzige Farbe des durchaus angenehm wirkenden Leders, das sich über die sechs Einzelsitze spannt, die eher für Menschen mit ein paar Kilogramm mehr auf den Hüften gemacht sind. Seitenhalt ist vorhanden, wenn der Körperumfang passt. Platz für sechs Personen ist da, fürs Gepäck halt nicht mehr.
Der Innenraum ist ordentlich verarbeitet. Der eher preisgünstige Kunststoff lässt sich hingegen ebenso wenig verleugnen wie die fehlende Fensterheber-Automatik für die hinteren Scheiben. Bei der Preisklasse ein No-Go. Obwohl, für umgerechnet etwa 45.000 Euro inklusive Steuern (Beverly Hills-Steuersatz von knapp zehn Prozent einberechnet) kann man das auch akzeptieren. So viel kostet die günstigste Möglichkeit, Dodge Durango zu fahren – in den USA. An die Perfektion anderer Fahrzeuge im 100.000-Euro-Preissegment kommt der Durango SRT Hellcat verständlicherweise lange nicht heran – will er auch nicht. Beim Hellcat ist es egal, dass das in Deutschland obligatorische DAB+-Radio fehlt, dass Kunststoffe nach Plastik aussehen und Spaltmaße Platz haben, damit sich die Karosserie im Geländeeinsatz verwinden könnte. Im Hellcat kommt es auf den Motor, den Motor und natürlich den Motor an. Danach kommt ein bisschen Fahrwerk, die Bremsen und das war es auch schon. Die Lenkung liegt ruhig in der Hand und auch bei Tempo 200 ist es kein Drama, wenn man ein bisschen zu viel daran „zuppelt“. Da ist Spiel drin, daher heißt es in engen Schnellfahrpassagen auch mal grob schätzen.
400-Millimeter-Brembo-Bremse im SRT Hellcat
Wer es mit der Angst zu tun bekommt, tritt die Bremse und erntet erhebliche Verzögerung. Grund dafür: die beiden 400-Millimeter-Teller an der Vorderachse. Diese werden von Brembo-Sechskolben-Festsattelanlagen in die Zange genommen und würden auch echten Sportwagen gut zu Gesicht stehen. Das Fahrwerk ist erstaunlich komfortabel und vermittelt dennoch ein sattes Gefühl der Sicherheit, wenn beim Tritt aufs Gaspedal der V8 mit seinem sirrenden Kompressorgehabe die Backen aufbläht und kurz danach das Feuer aus den armdicken Endrohren entweicht. Der Vortrieb ist gemein. Doch 700 PS vermutet man irgendwie nicht. Dafür geht es zu gesittet ab. Daher ist der SRT Hellcat ein gutes Beispiel dafür, wie weit Gefühl und Realität sich voneinander entfernen können. Dreht einem ein starkes E-Auto mit ähnlicher Beschleunigung fies den Magen um, ist der SRT Hellcat zwar nicht langsamer, aber deutlich magenfreundlicher. Im Vergleich zum Saugmotor dämmt der Kompressor das Gebrüll, was aber nichts daran ändert, dass der Tonfall im Fahrzeug bei Reisetempo 160 nervt. Draußen sicherlich noch häufiger.
Nettes Gimmick für Daten-Nerds: Im Bordcomputer-Menüpunkt „SRT“ kann man sich unter anderem die maximal erreichte Höchstgeschwindigkeit anzeigen lassen, den Bremsweg in Metern und die Zeit des absolvierten Standardsprints. Wie bereits erwähnt, klappte das beim ersten Versuch in unter vier Sekunden. Der Knopf für die Launch-Control sitzt griffgünstig vorm Automatikwählhebel. So gleitet der Durango SRT in „Destroyer Grey“ – kein Witz, so heißt die Lackierung wirklich – meistens eher souverän über die Straßen und die Insassen freuen sich über den Komfort und der Fahrer hat ein breites Grinsen im Gesicht, das das Wissen ausstrahlt: ich könnte, wenn ich wollte oder müsste.
Ein kleiner Fun-Fact zum Abschluss: Die „Höllenkatze“ gibt sich mit profanem 91 oktanigem Sprit zufrieden. In den USA ist der noch immer üblich, bei uns seit fast 15 Jahren gar nicht mehr zu bekommen. Alle anderen Fahrzeuge in den PS-Regionen schlürfen für volle Leistung teuerstes Superplus-Benzin. Interessiert aber auch niemanden.