BMW gehört auf dem Spielfeld der Elektromobilität zum Team: Technologieoffenheit. Diese Taktik funktioniert nur so lange, wie die großen E-Absatzmärkte – vor allem China – genug E‑Modelle erhalten, die den lokalen Wünschen entsprechen, und die restlichen Verkaufsgebiete sich nur langsam vom Verbrenner-Nimbus lösen. Wie schwierig dies fällt, sieht man aktuell an der Diskussion in Großbritannien, wo man das Verbrenner-Aus (geplant war 2030) fünf Jahre verschieben will (auf das Jahr 2035), damit aber den Beitrag der Mobilität zur Klimaneutralität (im Jahr 2050) verwässert.
Das sind gesellschaftspolitische Entscheidungen. BMW baut in erster Linie eben nur Autos. Aber relativ viele davon haben bereits einen Stecker. Die E-Quote der Münchner bewies im ersten Halbjahr 2023, dass die Taktik („Wir bieten alles an“) momentan zumindest aufgeht. Über zwölf Prozent der Neufahrzeuge waren bis dato elektrifiziert, das klingt nach wenig, ist aber für das deutsche Premiumsegment ein sehr guter Wert.
Nun könnte man meinen, dass die Kundschaft perfekte Verbrennermodelle erhält, wenn denn 88 Prozent der Verkäufe noch mit Benzin oder – wie in unserem Fall – Diesel betrieben werden. Das könnte man. Und auch der schnelle Blick auf die Preisliste, die samt Ausstattung bei knapp 52.300 Euro (netto) einrastet, weckt Erwartungen. Doch diese erfüllen sich bei unserem BMW X1 20d leider nicht vollends.
Wer einen BMW kauft, sucht den Kontakt zur Straße, mag Kurven und erwartet eine satte Beschleunigung. Das alles liefert der X1 der dritten Generation, welche seit Herbst 2022 auf den Straßen zu sehen ist, leider nur in Ansätzen. Gut, baulich bedingt klebt kein SUV auf dem Asphalt, aber der Kontakt zur selbigen äußert sich in unserem Fall nur im hoppligen Galopp, denn das Fahrwerk neigt zum Schwanken statt zu stabilisieren. Das prägt dann auch die Fähigkeiten zum Kurvenräubern: eher mau. Was auch am dritten Malus des Münchners liegt: dem Sieben-Gang-Doppelkupplungs-Getriebe.
Dieses findet selten das richtige Zahnradpaar, verschenkt oder überdosiert damit die Kraft und sorgt nicht für ein entspanntes und etappenweises rasantes Vorankommen, sondern nur für Hektik und einen unnötigen Motor-Sound. Das Schalten zwischen „D“ und „R“ passiert behäbig und unentschlossen. Man nimmt also Rücksicht auf das Auto, könnte man meinen, um es nicht zu überfordern, aber das sind keine BMW-Tugenden. Diese werden im Inneren dafür sichtbar.
Das beginnt bei den Topsitzen, besser Sportsitzen. Elektrisch einstellbar samt Unterschenkelauflage, dennoch sind sie eng geschnitten. Die schwebende Mittelarmlehne ist schick und praktisch. Der Wählhebel ist zwar nicht klobig, aber das Lenkrad vermittelt einem das Gefühl, nicht im BMW, sondern im Mini zu sitzen. Es ist etwas zu mächtig für ein Kompakt-SUV, dafür sind Tempomat (links) und Entertainment (rechts) gut untergebracht. In der erwähnten Mittelkonsole gibt es die Fahr-Stimmungs-Modus-Taste, die in teils ungewöhnliche Welten (Expressive) oder in die Entspannung (relax samt Massagefunktion von Fahrer und Beifahrer) abbiegt.
Praktisch ist die große Smartphone-Klemme (Teil des Premium-Pakets, 1.470 Euro inklusive Fernlicht-Assistent u. a.), in der kein Handy-Format verrutscht. Davor sind zwei große Cupholder sowie zwei USB-C-Ladebuchsen präsent. Das ist Basisdemokratie, alles im Doppelpack.
Sonst sind Knöpfe rar, aber sinnvoll verbaut, wie die zwei Memory-Funktionen des Fahrersitzes. Bequem geht’s auch im Fond zu. Dort schwebt die Mittelarmlehne in Form der beiden Lüftungsschächte sowie zweier USB-C-Buchsen. Freischwebende ist auch der Türgriff. Das passt optisch als Ausgleich zum etwas überfrachteten Armaturenträger. Die seitlichen Harman-Kardon-Lautsprecher sind unter gefrästen Alu-Abdeckungen ziemlich auffällig und das dürfen sie ob ihres Sounds ruhig auch sein.
Als wäre es ein Van, kann der X1 beim Kofferraumvolumen etwas tricksen. Die Rücksitzbank lässt sich ein Drittel zu zwei Drittel nach vorn schieben. Sitzen kann dann dort keiner mehr, aber der abgesicherte Stauraum wächst. Nicht weniger als sechs Zurrösen sichern dort ab, der Ladeboden ist bis zur Hälfte doppelbödig.
Nicht doppelbödig, sondern astrein sind die Infos des Navis – wenn nur auch die Spracheingabe besser klappen würde. Die angebotene 3-D-Grafik kennt man aus den Modellen des südwestlichen Rivalen – beide Versionen klappen gut, gerade in unbekanntem Terrain. Den Blick auf das nicht einsehbare Terrain außerhalb des Cockpits übernimmt die sehr gute 360-Grad-Kamera – auch bei schlechtem Wetter. Das Terra incognito ist vor allem vorn rechts zu finden, das Eck ist noch schwerer einsehbar als jenes hinten rechts. Seine betonte Kantigkeit bringt der dritten Auflage des X1 eben nicht nur Vorteile.
Zum Fahreindruck haben wir bereits ein paar Punkte genannt, bleibt der Testverbrauch. Mit 5,8 Litern ging es durch den Testzeitraum. Auch der Langzeitzähler schlägt nur wenig drauf und landet bei 6,2 Litern. Hier hilft das 48-Volt-System, dessen 14 kW starkes E-Motörchen samt 0,9-kWh-Batterie den 150-PS-Selbstzünder unterstützt. So lockt die Reichweitenanzeige des mit gerade mal 45 Litern vollgetankten Bayern und dem wenig sportlichen Leergewicht von gut 1,77 Tonnen mit 950 Kilometern.
Den BMW X1 gibt es als Benziner (35.966 Euro, alle Preise netto), Plug-in-Hybrid (41.260 Euro) oder Diesel – wer vollelektrisch fahren will, greift zum iX1 (ab 40.252 Euro). Unser Selbstzünder (xDrive 20d, ab 40.714 Euro) bildet die goldene Mitte zwischen dem Einstiegsmodell (sDrive 18d, ab 38.110 Euro) und dem Topmodell (xDrive 23d, ab 43.530 Euro). Die Spreizung ergibt sich nicht nur aufgrund der Leistung (150 PS – 163 PS – 218 PS), sondern auch aufgrund des Front- oder zweimal des Allradantriebs. Unser 20d verfügte zudem wie erwähnt über das Doppelkupplungs-Getriebe. Angelegt hatte der Bayer nicht den Serien-Trimm, sondern die xLine-Ausführung, was einen Preisaufschlag von gut 2.440 Euro bedeutet.
Das Gros der Aufwertungen ist optischer Art. Spürbar wird es indes beim Upgrade von 17- auf 18-Zöller. Wer sich als Performer zeigen will, setzt beim M Sportpaket (ab 43.950 Euro) seinen virtuellen Haken. Die Grundausstattung fällt bereits sehr großzügig aus, denn es gibt vom Navi über das Leder-Sportlenkrad, Zwei-Zonen-Klimaautomatik und einem Rudel von Assistenten alles ab Werk.
Das erklärt den hohen Grundpreis und man könnte meinen, dass auch BMW mittlerweile in Paketen und seltener in Aufpreislisten denkt. Bis man sich selbige für den vorkonfigurierten Testwagen anschaut. Die Summe der Extras ergibt am Ende den Neupreis eines Dacia Sandero Stepway. Was als Vergleich etwas plakativ klingt, sollte eher zum Nachdenken anregen, ob hinter jedem gewählten Extra auch ein Gegenwert für den Dienstwagenfahrer steht, der über den Gesprächswert mit den Kollegen oder dem Nachbarn hinausgeht.
Rocco Swantusch