Es wird immer erzählt, die deutsche Autoindustrie hätte die E-Mobilität verschlafen. In vielen Fällen ist da Wahres dran, aber nicht in allen. BMW war Ende 2013 recht früh mit seinem ersten E-Auto am Markt. Klar, den Tesla Roadster gab es bereits seit 2009 in Deutschland, doch der Wagen war eher ein Gag und zeigte sanft, was die Zukunft bringen könnte. Die startete bei den US-Amerikanern mit dem Model S schon im Sommer 2012 – allerdings in einer Preisklasse, in der es einfach(er) ist, Hightech zu entsprechenden Preisen anzubieten.
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Der BMW i3 war 2013 ebenfalls Hightech und ist es noch heute, teuer war er auch. Ein Grund für den hohen Preis: seine Karbon-Fahrgastzelle mit der BMW beweisen wollte, wie man das Mehr-Gewicht der Batterien clever kompensieren könnte. Zudem sollte die Crash-Sicherheit damit Benchmark sein. Heute weiß man, dass das Gewicht bei E-Autos nicht entscheidend ist, um effizient voran und weit zu kommen. Dass es dennoch sinnvoll ist, gewichtoptimiert unterwegs zu sein, erleben wir tagtäglich auf den Straßen, die von Straßenschäden gepflastert sind – selten verursacht, durch leichte Fahrzeuge.
BMW i4 Fahrbericht (2022)
BildergalerieDer BMW i4 kommt weit und lädt lange schnell
Mit deutlich mehr als 2,1 Tonnen ist der neue BMW i4 kein Fliegengewicht. Karbon und andere Hightech-Materialien sucht man am Münchener, den es seit gut einem Jahr mittlerweile in drei Versionen gibt, vergeblich. Das Gewicht kommt auch hier vor allem durch die Batterie zustande. Die Basis, der i4 eDrive 35, besitzt einen 67-kWh-Akku und der E-Motor leistet 286 PS. Das Spitzenmodell ist derzeit der allradgetriebene i4 M50 mit irrwitzigen 544 PS. Wir haben die goldene Mitte zum Test anrollen lassen, den i40 eDrive 40. Das bedeutet großer Akku (81,5 kWh), Heckantrieb und mit 340 PS mehr als ausreichend Leistung. Er soll besonders weit kommen und der Sparmeister im i4-Club sein. Was also liegt näher, als den Wagen auf die 420-Kilometer-Autobahn-Tour zu scheuchen, auf einer Strecke, die wir im Schlaf fahren könnten.
Gleich vorweg: Diese Distanz schafft der BMW mit einer Ladung. Bei warmen Außentemperaturen und mit einem Tempo, das einem BMW Gran Coupé nicht würdig ist. Daher haben wir uns vorgenommen, dieses E-Auto wie einen Verbrenner im Vertriebler-Alltag zu bewegen. Also rauf auf die Autobahn und pedal to the metal.
Erste Ernüchterung: Wo sind die 340 PS? Zweiter Dämpfer: Bei Tacho 193 setzt der Begrenzer ein. Wer mehr will (225), muss sich den i4 M50 mit Doppelmotor gönnen. Mehrpreis: 10.000 Euro netto. Dabei liegt auch der i4 40 satt und gelassen, lediglich die Lenkung ist bei hoher Geschwindigkeit zu aufmerksam – da dürfte aus unserer Sicht mehr Ruhe einkehren. Selten fahren wir langsamer als Tempo 140, denn der nächtliche Verkehr meint es gut mit uns. Gewohnt sind wir bei diesem Tempobereich Verbräuche deutlich jenseits der 30 kWh – vor allem dann, wenn man in einem E-SUV sitzt.
Mit Erstaunen zeigte der Bordcomputer des i4 keine 27 kWh an, und auch das Nachrechnen nach dem Ladevorgang entsprach trotz hinzukommender Ladeverluste einem bislang unbekannt günstigen Wert. Chapeau, BMW. Mit einem vergleichbaren Polestar 2 haben wir diese Strecke bei warmen Temperaturen ebenfalls mit 26 kWh erledigt – bei maximal 140 km/h. Die Effizienz des BMW-Antriebs bei hohem Tempo ist auch der guten Aerodynamik (cW-Wert 0,25) und der vergleichsweise kleinen Stirnfläche zuzurechnen. Wie schön Limousinen doch sein können.
BMW i4: 400 Volt sind nicht immer langsam
Das Laden am HPC macht der BMW trotz „nur“ 400-Volt-Bordnetz gut. Unser Maximalwert: 203,5 kW. Versprochen werden 205, das passt also. Freilich hielt dieser Wert nur kurz und tauchte nur bei einem State of Charge (SoC) zwischen elf und 18 Prozent auf. Sobald der rund 550 Kilogramm schwere Akku etwa zur Hälfte gefüllt ist, sinkt die Ladeleistung auf etwa 150 kW und geht dann bei zirka 70 Prozent runter auf knapp 100 kW um bei 80 Prozent noch mit etwa 70 kW Energie einzuschießen.
Aber: Davon träumen E-Fahrer anderer Modelle als realen Maximalwert. Die Ladeverluste an unserer 11-kW-Wallbox bewegten sich im Bereich von fünf Prozent. Ein exzellenter Wert. Wer es drauf anlegt, landet beim i4 auch bei Verbrauchswerten von rund 18 kWh und auf der Autobahn bei gut 20 kWh. Das Fahren und Laden ist somit eine Domäne des i4 und echte Konkurrenz gibt es aktuell kaum. Ja, ein Hyundai Ioniq 5 lädt theoretisch schneller, ist aber beim Schnellfahren nicht so effizient – wie wir nach mittlerweile 28.000 Kilometern Ioniq 5 im Selbstversuch erfahren haben.
BMW 3.0 CSL
BildergalerieDafür hat der Koreaner viel Platz. Sehr viel. Vor allem im Vergleich zum BMW i4. Sitzt es sich im Münchener (er wird im größten Dorf der Welt produziert) vorn auf den serienmäßigen Sportsitzen noch sehr „integriert“, wird es hinten richtig eng. Menschen über 180 Zentimeter Länge können schon mit vorhandenem Haupthaar am Dach streifen. Und ist der Vordersitz ganz nach unten justiert, passen hinten nur noch Ballerina-Schühchen unter diesen. Da wird der i4 eher seinem Namenszusatz Coupé und nicht mehr dem Gran gerecht.
Dafür gelingt das Gepäckeinladen einfach. Die Klappe schwingt stets elektronisch gesteuert weit auf und es passen 470 Liter in den gut beladbaren Kofferraum. Wer die dreiteilige Rückenlehne umklappt, erweitert das Volumen auf knapp 1.300 Liter. Bei den Extras fehlt dann jedoch das Gepäcknetz, elementar für Firmenwagen.