_ Kaum zu glauben, dass es sich bei den beiden Testprobanden schon wieder um Auslaufmodelle handelt. Schließlich unterzog Renault seinen Master erst im letzten Jahr einem größeren Facelift und der komplett neu konstruierte Ford Transit ist ebenfalls erst seit 2014 zu haben. Dem "Tode geweiht" ist allerdings die Euro-5-Schadstoffnorm, in der beide Transporter zum Test antraten.
Denn ab September nächsten Jahres wird auch für Kastenwagen bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht Euro 6 verbindlich. Dann ist im Vergleich zu Euro 5 noch mal eine 80-prozentige Verringerung der Stickoxide Pflicht. Und das funktioniert nur in Verbindung mit einer Abgasnachbehandlung per SCR-Kat. Weshalb das regelmäßige Auffüllen des Adblue-Vorrats dann auch in Master und Transit zur Pflicht wird.
Mehr Drehmoment im Ford
Wer das - und den sicher höheren Euro-6-Anschaffungspreis - umgehen möchte, sollte deshalb jetzt noch mal zugreifen. Zum Test schickten beide Hersteller ihre Topmotorisierungen. Was in konkreten Zahlen beim Ford 155 PS und 385 Newtonmeter Drehmoment entspricht. Acht Pferdestärken mehr, aber 25 Newtonmeter weniger wuchtet der Renault-Motor an die Master-Vorderräder. Seinen kleinen Drehmoment-Vorteil kann der Ford allerdings auf der Straße nicht umsetzen. Im Gegenteil: Im Vergleich zum doppelt aufgeladenen dCi-Vierzylinder des Renaults wirkt der 2,2-Liter-TDCi im Transit träge. So richtig wohl fühlt sich das Common-Rail-Aggregat erst oberhalb von 1.600 Umdrehungen pro Minute, der Drehzahlkeller von 1.100 Touren ist zwar notfalls ebenfalls möglich, aber eben brummig und kraftlos. Ganz anders der 2,3 Liter große Master-Antrieb. Dem verpasste Renault bei der stärksten Ausführung im Rahmen des letzten Facelifts einen Biturbo, der Elastizität und Ansprechverhalten des Vierzylinders nochmals verbesserte. Weshalb der Renault spürbar leichtfüßiger und souveräner die Transportaufgabe von 800 Kilo Testballast absolvierte. Das Surfen auf der Drehmomentwelle beginnt schon bei 1.000 Umdrehungen, weshalb sich Ortsdurchfahrten auch bei beladenem Frachtabteil locker im sechsten Gang bewältigen lassen - inklusive anschließendem Herausbeschleunigen.
Da hat der Ford-Fahrer längst zum "Joystick" des dafür äußerst knackig schaltbaren Sechsganggetriebes gegriffen. Und das, obwohl Ford das Getriebe sogar etwas kürzer übersetzt als Renault. Bei Tempo 120 dreht der Transit-Antrieb bei 2.350 Umdrehungen pro Minute, im Master liegen bei gleichem Tempo 100 Touren weniger an.
Nutzlast-Sieger Master
Ein Grund für die höhere Trägheit des in der Türkei gefertigten Transit dürfte auch im hohen Leergewicht liegen. Satte 2.545 Kilogramm brachte der heckgetriebene L3H2-Testwagen auf die Waage. Woraus magere 955 Kilo Nutzlast resultierten, satte 300 Kilo weniger als in den 2,24 Tonnen leichten Master-Testwagen legal eingeladen werden durften. Übrigens trotz dessen serienmäßigem 105-Liter-Tank, der im Vergleich zu dem 80-Liter-Kraftstoffvorrat des Ford zusätzliche Kilos bringt, aber eben die Reichweite verlängert.
Dass der Franzose eine Karosserieversion kleiner (L2H2) zum Test antrat, ist für den Ford übrigens keine Entschuldigung. Schließlich schafft der Renault trotzdem bis zu 10,3 Kubikmeter Fracht weg und damit nur unwesentlich weniger als der Transit (11,0 Kubikmeter). Genaueres Hinsehen lohnt sich trotzdem: Schließlich sind die 41 Zentimeter mehr an Ladelänge wie auch die um zwei Zentimeter höhere Innenbreite des Fords im Transportalltag sicher wichtiger als das Plus von knapp elf Zentimetern Innenhöhe, über die sich der Master das Volumen holt.
Was übrigens genau dem Wert entspricht, den der Ford durch sein Heckantriebskonzept verschenkt. So stark misst nämlich der Zwischenboden im Laderaum, der beim RWD-Modell nötig wird und der zudem den Zustieg ins Frachtabteil entsprechend erschwert. Weshalb ein Fronttriebler - den Ford schließlich ebenfalls in petto hätte - die bessere Wahl gewesen wäre. Auch weil der zusätzlich noch einige Kilo Gewicht gespart hätte.
Komfortabler Transit
Wo die überschüssigen Pfunde des Ford herkommen, wird beim Fahren klar. Denn in Sachen Komfort und Verbindlichkeit fährt der Transit einfach um eine Liga höher. Über Bodenwellen, welche die dünnhäutige Renault-Karosserie heftig erzittern lassen und an den Fahrer weitergegeben werden, gleitet der Ford souverän und satt hinweg. Trotzdem lässt sich das Fahrwerk auch durch scharf gefahrene Lastwechsel nicht aus der Ruhe bringen. Anders als der weichere Master, der solche Manöver mit Schwanzwedeln quittiert. Zudem findet man auf den weichen Master-Sitzen allenfalls eine passable Position hinter dem lediglich in der Höhe einstellbaren Lenkrad.
Im Ford herrscht dagegen Pkw-Wohlfühlatmosphäre. Die Sitze sind langstreckentauglich straff gepolstert, der Verstellbereich von Sitz und Lenkrad lässt jede Fahrerstatur eine bequeme Sitzposition finden. Zudem wirken die verwendeten Materialien hochwertiger als im Renault, der zudem einmal mehr mit seiner nachlässigen Verarbeitung negativ auffiel.
Für seinen Komfort und die damit einhergehenden Kilos musste der Ford aber auch beim Verbrauch auf der Testrunde Tribut zollen: 9,3 Liter auf 100 Kilometer flossen durch die Brennräume des Hecktrieblers. Vor allem im Vergleich zum Renault, der sich mit niedrigen 8,1 Litern auf 100 Kilometern beschied, deutlich zu viel. Erfahrungsgemäß hätte auch hier ein Frontantrieb-Transit besser abgeschnitten. Übrigens auch preislich. Denn dann käme der Ford bis auf verhandelbare 250 Euro an den günstigeren Renault heran. Und das bleibt bestimmt auch bei den nahenden Euro-6-Modellen so.
- Ausgabe 12/2015 Seite 42 (291.4 KB, PDF)