Es war eine pompöse Premierenfeier, so wie sie die Franzosen bis heute lieben: Der Citroën Traction Avant ("Frontantrieb") 7 CV debütierte vor 90 Jahren unter dem illuminierten Eiffelturm, dem nationalen Symbol technischen Fortschritts und der Erinnerung an die Französische Revolution. Damit nicht genug: Als kreativer Marketingpionier ließ der Automobilkonstrukteur André Citroën den Eiffelturm mit 250.000 Lampen erstrahlen, die nun eine "7" in den Nachthimmel schrieben, und prompt avancierte die futuristische Limousine 7 CV – später flankiert von den größeren Versionen 11 CV und 15-Six – weltweit zum Inbegriff einer schönen neuen Autowelt. Den Begriff High-Tech gab es noch nicht, so nannte Citroën den Frontantriebs-Typ schlicht das "modernste Fahrzeug".
90 Jahre Citroën Traction Avant
BildergalerieCitroën Traction Avant fuhr seiner Zeit voraus
Mit einer für Massenmodelle einzigartigen Fülle an Innovationen fuhr der Traction Avant seiner Zeit so weit voraus, dass er in den 1950ern noch parallel zur Nachfolgerin, der DS, gebaut wurde. Wie später die DS, der Überschalljet Concorde oder der Hochgeschwindigkeitszug TGV erreichte schon der revolutionäre Traction Avant den Status eines technischen Wahrzeichens. Taxichauffeure, Bauern, Familien, Polizei und Gangster, aber auch Präsidenten und Widerstandskämpfer liebten diesen Citroën, der niemanden unberührt ließ. Kein Triumph ohne tragisches Moment: Die teure Entwicklung des 7 CV kostete André Citroën die Unabhängigkeit: Der Michelin-Konzern übernahm 1934 die finanzielle Kontrolle über das Automobilunternehmen.
Citroen C4 You (2024)
BildergalerieDieser Citroën veränderte die Autowelt, und wer daran zweifelt, musste lediglich einen Blick auf zeitgleich präsentierte Neuheiten riskieren, wie den Renault Celtaquatre. Louis Renault positionierte sein überaus konventionelles Mittelklassemodell als preiswerten Gegenentwurf zum Traction Avant – und landete einen Flop.
Der von André Lefebvre konstruierte neue Citroën ließ alle Rivalen alt aussehen mit seiner selbsttragenden Ganzstahlkarosserie, Frontantrieb, langem Radstand, großer Spurweite, unabhängiger Federung an allen vier Rädern, tiefem Schwerpunkt, hydraulischen Bremsen – Citroën sprach vom "Auto der 100 Patente" – und einer Karosserie, die der Bildhauer Flaminio Bertoni in futuristische Formen brachte. Tatsächlich trug die unverwechselbare Silhouette dazu bei, dass der Traction Avant in fast 2.000 Kino- und TV-Filmen auftrat, etwa mit Jean Gabin im Fond als Kommissar Maigret oder im James-Bond-Abenteuer "Liebesgrüße aus Moskau".
Citroën ë-C3 | Citroën C3
BildergalerieMit insgesamt rund 760.000 gebauten Einheiten – zeitweise lief sogar in Köln eine Fertigung – prägte dieser Citroën bis Ende der 1950er das Straßenbild der Grande Nation und mancher europäischen Metropole. Von der Wiege bis zur Bahre begleitete der in vielen Karosserieversionen gebaute Traction das Leben der Franzosen: Ob mit vier (Typ 7 CV und 11 CV), sechs (Typ 15 CV) oder als Showcar 22 CV sogar acht Zylindern, der Traction Avant toppte alles, was andere europäische Mittelklasseautos in Vorkriegs- oder Nachkriegsjahren konnten. "La reine de la route" (Die Königin der Straße), wie Werbung und Medien speziell die Sechszylinder nannten, gewann damals Kunden von Handwerkern bis zu Majestäten, von Behörden bis zur Bohème.
Citroën: Dramatische Vorgeschichte
Bis ihm dies gelang, hatte der Fronttriebler eine dramatische Vorgeschichte zu bewältigen: André Citroën ließ den Traction (zuerst als Typ 7 CV) rekordverdächtig rasch in 18 Monaten entwickeln, so schnell, dass der nicht ausreichend getestete Traction Avant zunächst an zahllosen "Kinderkrankheiten" litt. Außerdem baute Citroën das Werk Javel aufwändig um – ohne ausreichendes Eigenkapital und Bankenunterstützung. Diese Belastungen brachen schließlich das finanzielle Rückgrat des Traction-Avant-Kreateurs. Die französische Staatsführung schlug Louis Renault die Übernahme des Konkurrenten vor, allerdings ohne Erfolg. Stattdessen sprang Reifengigant Michelin ein. Wenige Monate später verstarb André Citroen an einer Krebserkrankung.
Der Traction Avant aber bewies am Ende, dass sich der Mut zu technologischen Meilensteinen gelohnt hatte, reüssierte er doch als überaus gewinnbringendes Modell. Flaminio Bertonis Entwurf mit Verzicht auf seitliche Trittbretter und der Silhouette einer sprungbereiten Raubkatze machten aus dem Traction Avant eine Skulptur, die das Stromliniendesign der 1930er Jahre überstrahlte und auch neben Pontonformen der 1950er von Renault (Frégate), Opel (Kapitän) oder Mercedes (220) bestand. Seinen deutschen Wettbewerbern voraus fuhr er zudem durch die typisch französische Karosserievielfalt: So gab es den Citroën nicht nur als Limousine, Coupé, Cabrio, Roadster, sondern auch als familienfreundlichen Familiale mit sieben Sitzen und großer geteilter oder aber ungeteilter Heckklappe fürs komfortable Beladen. Die Variante Commerciale eignete sich sogar zum Viehtransport, sechs Schafe oder zwei Kühe konnten den feudalen Fahrkomfort des riesigen Citroën genießen.
Citroën: Offroad- und Schlechtwegetauglichkeit
Seine Offroad- und Schlechtwegetauglichkeit bewies der zuverlässige Citroën bei abenteuerlichen Fahrten rund um den Globus, vor allem aber im Zweiten Weltkrieg, als die französische Resistance auch mit Traction Avant gegen die deutschen Besatzer Widerstand leistete. Zum fliegenden Teppich mutierte der Citroën am Ende seiner Karriere, als Citroën 1954 die Spitzenversion 15-Six H mit hydropneumatischer Hinterradfederung lancierte – ein Jahr vor dem hydropneumatischen DS 19. Als einzige Vorkriegskonstruktion galt der Citroën bis 1957, dem Jahr des Produktionsstopps, vielen jüngeren Konkurrenten überlegen.
Weshalb der französische Staatspräsident René Coty eine 1955 von Franay karossierte Limousine erhielt, die sein Nachfolger Charles de Gaulle noch nach 1968 nutzte, als er schon einen maßgeschneiderten DS im Fuhrpark hatte. Damit nicht genug: Zum Fuhrpark des Élysée-Palasts zählte ab 1955 auch eine von Chapron entworfene 15-Six Paradelimousine – sprich Cabriolet. Das britische Königshaus hatte ebenfalls eine besondere Beziehung zum Traction Avant: Prinzessin Elizabeth, die spätere Queen, nutzte ein Citroën Cabrio als erstes Kinderauto auf Schloss Windsor (ein Geschenk der französischen Republik), und 1957 erlebte Her Majesty the Queen beim Staatsbesuch in Frankreich einen Chapron 15-Six, der mit technischem Defekt den Dienst einstellte. Was die königliche Sympathie für den Traction nicht beeinflusst haben soll – vielleicht, weil er schon damals als technisches Kulturgut galt.
Die Bedeutung dieses Citroens für die Oldtimer-Community erklärt Frank Meißner von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: "Ob der 'Gangster-Citroën' wegen seiner guten Straßenlage wirklich häufiger als Fluchtauto von Kriminellen genutzt wurde als andere Modelle, lässt sich zumindest nicht eindeutig belegen. Fest steht, dass er aufgrund seiner fortschrittlichen Konstruktion bis weit in die 50er Jahre hinein ein konkurrenzfähiges Mittelklasseauto blieb und danach schnell zum Liebhaberauto avancierte. Ein gutes Exemplar der häufigen Variante 11 B Koffer kostet heute im guten Zustand mindestens 19.500 Euro."
Autotest bei Autoflotte
- Ford Kuga: Von alter Schule und doch modern
- Polestar 2 im Test: Langstrecke? Ja, aber schnell
- Alfa Romeo Junior Veloce im Test: Das Alfa-Männchen
- Kia EV9 GT-Line im Test: Ist der Wagen erst voll geladen ...
- Renault Symbioz: Einer von vielen und doch so sweet
- VW ID.7 Tourer GTX: Der Kombi ist schöner, nicht besser
- Skoda Kamiq Test: Kleines SUV mit großem Potenzial
- Dodge Durango SRT Hellcat: Wahnsinn auf vier Rädern
- Nio EL6 Test: Premium-SUV mit besonderem Ladeerlebnis
- Citroën C4 You im Test: Einfach einfach – und so gut
- GWM Wey 03 im Test: Hör mal, wer da piept
- Mazda MX-5 (Facelift): Das Offenfahr-Auto
- Peugeot 308 SW 1.5d (Automatik): Ein Klassiker, und immer noch gut
- Audi Q6 e-tron Quattro: Ziel (endlich) erreicht
- Honda Jazz Test: Viel mehr als nur Kleinklein
- Neuer Skoda Octavia: Klasse Klassiker
- MG4 77 kWh: Da geht viel – außer günstig
- VW ID.7 Pro im Test: Warum nicht gleich so?
- BYD Tang: Das ist mal eine Ansage
- VW Polo im Test: So geht einfach