_ Unzählige Gerichte haben sich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Begriff Verglasung nur "echtes" Glas umfasst oder auch Kunststoff. Bei über die Teilkaskoversicherung abzuwickelnden Glasschäden liegt die Rechtsgrundlage nicht im Gesetz, sondern in den Versicherungsbedingungen, da es sich um einen vertraglichen Anspruch handelt. Den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) lag immer der Wortlaut "Verglasung" zugrunde.
Auslegung nach Funktion oder Material
Unzählige Gerichte haben sich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Begriff Verglasung nur "echtes" Glas umfasst oder auch Kunststoff.
Bisher verfolgte eine Vielzahl der Gerichte (jüngst das Amtsgericht München, Urteil vom 21.5.2014, 271 C 4878/14) die Auffassung, dass sich der Begriff im Rahmen der Teilkaskoversicherung nach seiner Funktion bestimmt. Entscheidend ist, dass die Funktion der betreffenden Teile durch die besonderen Eigenschaften von Glas bestimmt ist, nämlich die Lichtdurchlässigkeit oder die Spiegelwirkung. Wenn Kunststoff in diesem Sinne als Verglasung verarbeitet ist, ist es vom Versicherungsschutz umfasst.
Einige Gerichte vertraten allerdings die Auffassung, dass auf die chemischphysikalische Zusammensetzung abzustellen ist. So hat beispielsweise das Amtsgericht (AG) Köln am 2.11.1998 (Az. 142 C 109/98) entschieden, dass der in den Versicherungsbedingungen verwendete Begriff der "Verglasung" wörtlich zu nehmen sei. Fahrzeugteile aus Kunststoff (hier: Kunststofffenster) sind nach Ansicht des Gerichtes nicht im Versicherungsschutz enthalten, da es sich nicht um mineralisches kristallines Material handelt.
Neue Rechtslage
Da die wortgenaue Auslegung jedoch dazu führt, dass technischer Fortschritt den Versicherungsschutz aushöhlen würde, hat der GDV (Gesamtverband der Versicherungswirtschaft) nunmehr reagiert und zum 19. Mai neue Musterbedingungen für die AKB veröffentlicht. Dort ist der "Glasschaden" unter A.2.2.1.5 wie folgt neu geregelt und damit ein jahrelanger Streit in Zukunft hoffentlich obsolet:
"Versichert sind Bruchschäden an der Verglasung des Fahrzeugs. Als Verglasung gelten Glas- und Kunststoffscheiben (z. B. Front-, Heck-, Dach-, Seiten- und Trennscheiben), Spiegelglas und Abdeckungen von Leuchten. Nicht zur Verglasung gehören Glas- und Kunststoffteile von Mess-, Assistenz-, Kamera- und Informationssystemen, Solarmodulen, Displays, Monitoren sowie Leuchtmittel. Nicht versichert sind Folgeschäden."
Damit sind Kunststoffscheiben ausdrücklich mit einbezogen worden, ebenso wie Abdeckungen von Leuchten.
Praxistipp
Bei den Musterbedingungen des GDV handelt es sich - wie der Wortlaut schon sagt - um bloße Muster. Diese müssen von den verschiedenen Versicherungsgesellschaften nicht umgesetzt werden, wobei sich die Versicherer erfahrungshalber daran orientieren, zumindest für Neuverträge. Welche Versicherungsbedingungen für den Einzelnen anwendbar sind, hängt vom Vertrag ab. Wer noch ein altes Regelwerk hat, muss prüfen, ob der Versicherer die alten Klauseln auf die neuen Bedingungen umstellt.
Inka Pichler-Gieser Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Partnerin der Kanzlei Kasten & Pichler in Wiesbaden
- Ausgabe 10/2015 Seite 87 (170.3 KB, PDF)