_ Der Fahrzeughalter und damit einhergehend der Fuhrparkverantwortliche hat unzählige Pflichten. Eine davon ist es, den Behörden Auskunft darüber zu erteilen, an welche Mitarbeiter Fahrzeuge überlassen worden sind. Doch was passiert, wenn eine Auskunft nicht erteilt wird? Die Möglichkeit, dass eine Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a StVZO angeordnet wird, ist bekannt.
Doch welche Möglichkeiten respektive Gefahren bestehen noch? Dürfen Geschäftsräume zur Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit durchsucht werden? Hierüber entschied aktuell das Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 15. März 2016 (Az. 5 Qs 99/16).
Der Fall
Das Amtsgericht Cloppenburg hat die Durchsuchung der Geschäftsräume und Fahrzeuge einer GmbH angeordnet. Dem Beschluss lag ein mit einem Firmenfahrzeug begangener Abstandsverstoß zugrunde, bei dem der Fahrer durch die Firma nicht benannt wurde, mithin unbekannt war. In der Akte war jedoch ein Messfoto enthalten.
Gegen diesen Durchsuchungsbeschluss hatte sich die Geschäftsführung gewehrt. Ziel der Durchsuchung war die Suche nach Unterlagen oder Datenträgern, aus denen sich ergibt, wer zur Tatzeit der Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlicher Fahrzeugführer gewesen ist.
Die Entscheidung
Das Landgericht hat den Durchsuchungsbeschluss als zulässig erachtet. Insbesondere haben die Richter bestätigt, dass dieser recht- und verhältnismäßig war. Die Durchsuchungsanordnung war nach Ansicht des Gerichtes nicht deshalb entbehrlich, weil sich in der Akte ein Messfoto des Fahrzeugführers befindet. "Denn einerseits wird im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Qualität des Messfotos von Betroffenen und Verteidigern erfahrungsgemäß häufig beanstandet. Zudem war der jetzige Beschwerdeführer nach Einschätzung der Polizeibeamtin, die zunächst mit der Fahrerermittlung vor Ort beauftragt worden war, augenscheinlich nicht der Fahrzeugführer auf dem Messbild. Hätte die Bußgeldstelle hier keine weiteren Ermittlungen veranlasst, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen, dass ihr von dem Beschwerdeführer oder seinem Verteidiger eben dies im anschließenden Verfahren zum Vorwurf gemacht worden wäre. Auch der Vollzug der Durchsuchungsmaßnahme war verhältnismäßig. Die Durchsuchung selbst lief offenbar dezent und ohne Erregung von Aufsehen ab. Nach Eröffnung des Beschlusses nannte die Geschäftsführerin den Namen des Fahrzeugführers, sodass eine Durchsuchung im eigentlichen Sinn gar nicht mehr notwendig war. Entsprechend gering war auch die Eingriffsintensität."
Fazit: Verhältnismäßigkeit abwägen
Bereits im Jahre 2006 hat das Bundesverfassungsgericht darüber entschieden, dass es "evident sachfremd und daher grob unverhältnismäßig und willkürlich ist, wegen einiger Verkehrsordnungswidrigkeiten, für die Geldbußen von je 15 Euro festgesetzt wurden, die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts zu durchsuchen". Dem dortigen Durchsuchungsbeschluss lag ein Parkverstoß zugrunde. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Anordnung der Durchsuchung von Wohnung und Garage auf Motorradhelm, Handschuhe, Jacke, Hose, Sonnenbrille und Schuhe des Betroffenen sowie die Beschlagnahme dieser Gegenstände als unverhältnismäßig erachtet worden (Landgericht Freiburg, Beschluss vom 3.2.2014, Az. 3 Qs 9/14). Ein Durchsuchungsbeschluss ist immer ein erheblicher Eingriff, sodass bei jedem Fall die Verhältnismäßigkeit abgewogen werden muss.
Inka Pichler-GieserRechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Partnerin der Kanzlei Kasten & Pichler in Wiesbaden
- Ausgabe 06/2016 Seite 71 (127.8 KB, PDF)