Optisch ist der 4,57 Meter lange Dacia Bigster in vielen Details dem 23 Zentimeter kürzeren Dacia Duster zum Verwechseln ähnlich. Auffällig auch beim Bigster: die robuste, aber schlichte Linienführung, die dem SUV eine praktische Note verleiht – auch eine Klasse über dem Duster. Noch nie hat Dacia ein so großes Fahrzeug produziert. Die Verkaufszahlen in Europa und speziell in Deutschland unterstreichen das Vorhaben der Renault-Tochter, in neuen Segmenten nachhaltig zu wachsen. Und dass Dacia „Wegwerf-Autos“ produziere, beantwortet Dacia-Deutschland mit der Info, dass seit Marktstart im Jahr 2005 noch immer 80 Prozent der jemals zugelassenen Modelle führen.
Dacia Bigster (Fahrbericht)

Dacia Bigster: viel Platz und wenig zimperlich
Der Bigster soll dazu beitragen und macht sich in der verkaufsstärksten Fahrzeugklasse Deutschlands (und der EU) breit – dem C-SUV. In diesem geht es oft um das Platzangebot. Das im Innenraum und das im Kofferabteil. Der Dacia Bigster kann hierbei mit den Großen mitspielen und verbucht einen spürbaren Platzgewinn im Vergleich zum Duster. Zwar ist die Rückbank nicht verschiebbar, dafür aber erstmals dreiteilig umlegbar und sie bietet eine komfortable Mittelarmlehne samt Handy-Steckfächer und Becherhalter. Wer die drei Teile umlegt (per Schlaufe am Sitz oder Fernentriegelung aus dem Kofferraum), erweitert beim Hybrid das Volumen auf 1.851 Liter und hat im Bestfall eine Ladelänge von bis zu 2,70 Meter. Dass der Volumengewinn von 50–155 Litern im Vergleich zum Duster kleiner als erwartet ausfällt, steht auf einem anderen Blatt.
- Dacia bringt den Bigster: "Wir wollen ein schönes Stück vom Kuchen"
- Dacia Duster TCe 130 4x4: Das ist der günstigste 4x4 in Deutschland
Klar ist auch, dass in den Preisgefilden – der Startpreis des Dacia Bigster liegt bei 24.000 (für den Expression) Euro und damit 3.000 Euro über dem Duster – Premium nicht der Anspruch sein darf. Hartplastik dominiert das Interieur. Weiche Teile zum Anlehnen gibt es nur für das Knie an der Mittelkonsole, die Mittelarmlehne und die Armauflage in der Türverkleidung. Man kann es auch praktisch sehen und sich an der Abwaschbarkeit der Materialien erfreuen.

„Der Bigster ist 15.000 Euro günstiger als ein VW Tiguan“
Der Sitzbezug ist aus wenig körperschmeichelndem Kunststoff, was gerade im Hinblick auf den „von Dacia“ immer wieder mit einem Seitenhieb erwähnten „15.000 Euro teureren“ VW Tiguan hervorgehoben werden muss. Da sieht man dann doch, wo (unter anderem) der Mehrpreis drinsteckt. Jedoch muss ehrlicherweise geschrieben werden: Schlecht macht es auch der Bigster nicht. Wenngleich die Sitze nicht genug Seitenhalt und Schenkelauflage bieten und die Lendenwirbelstütze mittels einfachem „Balken“ manuell per Hebel in den Rücken gerammt wird. Kann man so machen, erntet aber keinen Applaus. Dass der Bigster als erster Dacia über eine teilelektrische Sitzverstellung verfügen kann, ist eine Erwähnung wert, mehr aber auch nicht. Und täuscht nicht darüber hinweg, dass die Sitzposition nicht für alle Fahrer passen wird. Immerhin: Der Beifahrersitz lässt sich in der Höhe verstellen.
Positiv hervorzuheben sind die gut platzierten Fensterheber und die praktische Spiegelverstellung – also so, wie man es von jeher kennt. Ziemlich genial hingegen: die Tasten für Lautstärkeregulierung und Displaysteuerung. Diese befinden sich oben auf dem 10-Zoll-Display, sind für Fahrer und Beifahrer gleichermaßen gut erreichbar und auf Wunsch lässt sich der Touchscreen darüber komplett verdunkeln. Besondere Erwähnung verdient das geräumige Fach unter der beim Hybridantrieb deutlich zu massiv geratene Mittelkonsole. Das Fach wird über die Klimaanlage gekühlt. Und wo wir bei den Ablagen sind: Das Handschuhfach ist sogar beleuchtet.
Im Dacia Bigster ist alles drin, was man braucht
Ansonsten überrascht der Bigster beim Thema Infotainment wenig. Apple CarPlay ist kabellos, geladen wird das Handy induktiv (Option) und wer Apple Karten beim iPhone nutzt, kann sich die Kartenansicht auch ins Kombiinstrument holen. Das funktioniert besser als das integrierte Navigationssystem, das beim ersten Aufwecken eine Ewigkeit bis zur Einsatzbereitschaft benötigt. Navigiert wird intern mit Daten von Here.
Das Kombiinstrument besitzt in der Basisausstattung das 7-Zoll-Display vom Duster, in den höheren (Journey und Extreme) gibt es zum 10-Zoll-Touchscreen ein ebenso großes Kombiinstrument. Überraschend sauber klingt das Soundsystem des Bigster. Der Klang ist klar und kräftig, solange man es mit der Lautstärke nicht übertreibt. Wie beim Duster und auch bei Renault phänomenal gut gelöst: das Individualisieren der Assistenzsystem-Präferenzen und das Abrufen dieser mittels zweifachen Drucks auf den Knopf über dem linken Knie. So gehört das. Bei den Assistenten ist nun der adaptive Tempomat an Bord.

Neuer Hybridmotor erstmals im Dacia Bigster
Im Bigster kommt ebenfalls erstmals bei Dacia der Vollhybrid mit 1,8-Liter-Verbrennungsmotor zum Einsatz. Konnte der bislang eingesetzte 1,6-Liter mit 94 PS wenig überzeugen, spürt man den Hubraumzuwachs beim Bigster und die PS-Steigerung des Verbrenners auf 109 PS. Im Zusammenspiel mit dem großen Elektromotor (49 PS) und dem Startergenerator (kleiner E-Motor) kommt der Bigster Full Hybrid auf eine Systemleistung von 155 PS und flott in Fahrt. Das Umschalten des Energiespenders ist spürbar und hörbar, da der Verbrenner kein Leisetreter ist. Im Stadtverkehr und auf der Landstraße ermöglicht das Konglomerat eine entspannte und vor allem sparsame Gangart – oft ist man im EV-Modus unterwegs, der im Tacho visualisiert wird. Der Normverbrauch liegt bei 4,7 Litern und im Alltag sind diese – je nach Fahrprofil – auch erreichbar. Definitiv nicht wohl fühlt sich der Bigster Hybrid auf der Autobahn. Der kleine 1,2-kWh-Akku (Bruttowert) ist in Kürze leergesuckelt und die Elektro-PS lösen sich in Luft auf. Was bleibt, sind magere 109 PS, die auf der Autobahn bestenfalls zum entspannten Mitschwimmen ausreichen. Überholvorgänge werden zum Geduldsspiel – auch für den Überholten – und zur akustischen Belästigung, der Vierzylinder ist dann ungewohnt präsent und macht die beim Bigster eingeflossenen zusätzlichen Dämmmaßnahmen (dickere Scheiben und erstmals Radhausverkleidungen aus Fasermaterial anstatt Plastik) zunichte. Bei Renault – Mutter von Dacia – gibt es noch immer den 1,6-Liter-Hybrid. Aber eben auch den 1,2-Liter-Turbo mit E-Unterstützung (Rafale und Espace, jeweils mit 200 PS Systemleistung). Schade, dass man Dacia nicht dieses Aggregat spendiert hat. Das würde – PS reduziert – hervorragend zum leichten (1,5 Tonnen) Rumänen-SUV passen.
Wer Autobahnen oft im Anforderungsprofil hat, rollt mit dem 140-PS-Turbobenziner besser – jedoch muss der stets mit der Hand geschaltet werden. Der Hybrid ist der einzige Bigster mit Automatikgetriebe. Der in der Technik komplizierte Automat kann im Alltag bei gemächlicher Gangart überzeugen. Wer jedoch spontan Leistung abfragt, sollte dem Getriebe eine Sekunde zum Finden der passenden Übersetzung und Bereitstellen der vollen Leistung geben.
Klar ist: Wer Dacia kauft, ist kein Linke-Spur-Kracher und auch auf der Landstraße meist eher gemütlich unterwegs. Dieses Fahrverhalten unterstützt der Bigster Hybrid, der fahrwerksseitig mit einer gesunden Grundstraffheit überzeugt. Trotz der 19-Zoll-Räder (400 Euro, nur für Ausstattungslinie Journey) mit 205/55-R19er-Reifen ist das Ansprechverhalten für die Preisklasse gut. Beim Lenken kommen eher weniger Glücksgefühle auf als vielmehr die Gewissheit, dass die Bewegungsrichtung des Lenkbefehls grob folgt.