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Winterreifenpflicht, ja oder nein?

30.09.2011 12:02 Uhr

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Winterreifenpflicht, ja oder nein?

Seit dem 4. Dezember 2010 müssen nach der Verordnung zur Änderung der StVO und der Bußgeld-Katalog-Verordnung (BKatV) Kraftfahrzeuge den Witterungsverhältnissen entsprechend ausgerüstet sein. Eigentlich bedeutet die Neuregelung nur eine Konkretisierung der seit 2006 bestehenden Rechtslage. Was das nun für die Praxis bedeutet und woran Winterpneus laut EU-Verordnung zukünftig zu erkennen sein müssen.

Die Neuregelung stellt eine Verhaltensvorschrift dar, die von allen motorisierten Verkehrsteilnehmern auf deutschen Straßen zu beachten ist. Erfasst sind damit auch Fahrzeuge mit ausländischer Zulassung. Es besteht – wie bisher – keine generelle Winterreifenausrüstungspflicht. Der Verordnungsgeber hat sich in der Begründung ausdrücklich gegen eine Ausrüstungsvorschrift ausgesprochen, die an ein bestimmtes Datum geknüpft ist.

Es geht also auch zukünftig nur um eine situative Winterreifenpflicht oder – anders formuliert – um ein Benutzungsverbot für Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen. Daher muss insbesondere niemand Konsequenzen fürchten, der sein Fahrzeug bei Schnee und Eis mit Sommerreifen lediglich geparkt hat und es bis zum Ende der „winterlichen Straßenverhältnisse“ stehen lässt.

Durch die Neuregelung wird erstmals definiert, was unter winterlichen Straßenverhältnissen zu verstehen ist. Gemeint sind „Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte“. Diese Wetterbedingungen können auch bereits bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt auftreten und so zu einer verpflichtenden Verwendung von Winterreifen führen. Eine – wie so oft diskutierte – Temperaturgrenze gibt es also nicht.

Der Wortlaut der Neuregelung schreibt vor, dass nur Reifen benutzt werden dürfen, welche die in Anhang II Nr. 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG beschriebenen Eigenschaften erfüllen. Dort ist festgelegt, dass das Laufflächenprofil und die Struktur von M+S-Reifen so konzipiert sind, dass sie vor allem auf Matsch sowie frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften gewährleisten als normale Reifen.

Einheitliche Kennzeichnung ab November vorgeschrieben

Die im Fachhandel gekauften Winter- und Ganzjahresreifen erfüllen in der Regel die so beschriebenen Voraussetzungen. Diese Reifen sind typischerweise als M+S-Reifen gekennzeichnet. Auch Ganzjahresreifen bleiben erlaubt.

Zusätzlich oder an Stelle des M+S-Symbols werden die Winterreifen zum Teil mit einer Schneeflocke (Alpine-Symbol) gekennzeichnet.

Am 1. November 2011 tritt die EU-Verordnung Nr. 661/2009 in Kraft, die den Winterreifen besser definiert und die eine einheitliche Kennzeichnung mit dem Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) bringen wird. Für (ältere) M+S-Reifen gilt ein Bestandsschutz, sodass auch über dieses Datum hinaus diese Reifen gefahren werden dürfen.

Generell müssen alle Achsen eines Kraftfahrzeugs mit Winterreifen ausgerüstet werden. Das gilt auch für Fahrzeuge mit Allradantrieb (insoweit ist bei der Nutzung von Winterreifen die Regelung eine andere als bei der Verwendung von im Einzelfall vorgeschriebenen Schneeketten).

Für Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 – also für Busse mit mehr als acht Sitzplätzen und Lkw über 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse – gilt nach § 2 Abs. 3a S. 2 StVO jedoch eine Besonderheit dergestalt, dass bei ihnen nur die Antriebsachsen mit M+S-Reifen ausge-rüstet werden müssen. Begründet wird dies damit, dass aufgrund der erhöhten Naturkautschukanteile in den Reifen der Nutzfahrzeuge diese – im Gegensatz zu Pkw-Sommerreifen – von vornherein für den Ganzjahreseinsatz an den restlichen Achsen geeignet sind.

Durch den neuen § 2 Abs. 3a S. 3 StVO sind auch land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge von der Winterreifenpflicht ausgenommen, sofern für sie bauartbedingt keine M+S-Reifen erhältlich sind. Hintergrund hierfür ist, dass diese Fahrzeuge in der Regel mit derart grobstolligen Reifen ausgerüstet sind, dass sie auch bei winterlichen Wetterverhältnissen eingesetzt werden können, ohne eine Gefahr oder Behinderung für die übrigen Verkehrsteilnehmer darzustellen.

Ebenfalls mit dieser Norm wurden Einsatzfahrzeuge der in § 35 Abs. 1 StVO genannten Organisationen ausgenommen. Voraussetzung ist allerdings, dass auch für diese Einsatzfahrzeuge bauartbedingt keine M+S-Reifen erhältlich sind. Diese Freistellung von Einsatzfahrzeugen der Bundeswehr, der Bundespolizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und der Polizei beruht nach der Beschlussbegründung auf dem Erfordernis, derartigen Fahrzeugen eine Teilnahme am öffentlichen Verkehr zu ermöglichen, wenn dies zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten ist.

Bei Verstoß droht Bußgeld

Wer gegen § 2 Abs. 3a StVO verstößt, muss mit einem nun erhöhten Bußgeld sowie dem Eintrag im Verkehrszentralregister rechnen. Der einfache Verstoß wird nach Nr. 5 a des Bußgeldkatalogs mit einer Geldbuße in Höhe von 40 Euro geahndet. Außerdem wird dieser in Flensburg eingetragen und mit einem Punkt bewertet.

Bei einer Behinderung des Verkehrs infolge falscher Bereifung bei den genannten winterlichen Wetterverhältnissen erhöht sich das Bußgeld auf 80 Euro, es bleibt bei einem Punkt.

Problematisch im Hinblick auf die Verfügbarkeit von M+S-Reifen ist weiterhin die Situation bei Krafträdern und Quads, auch wenn der Betrieb bei den genannten Witterungsbedingungen ohnehin aus Sicherheitsgründen äußerst kritisch hinterfragt werden muss. Auch diese sind von der Norm betroffen; jedoch sind Winterreifen nur sehr vereinzelt am Markt erhältlich. Die Neuregelung erfasst keine Anhänger, da nur Kraftfahrzeuge betroffen sind. Dennoch ist zu empfehlen, diese mit M+S-Reifen zu versehen, wenn Fahrten im Winter geplant sind.

Winterreifen bei Mietwagen – Urteil des OLG Hamburg

Bei winterlichen Straßenverhältnissen dürfen also nur Winter- oder Ganzjahresreifen gefahren werden. Da jedoch keine ausdrückliche Winterreifenpflicht besteht, war es lange streitig, ob zum Beispiel bei der Vermietung von Fahrzeugen der Vermieter verpflichtet ist, alle Fahrzeuge mit Winterreifen auszurüsten. Winterreifen mussten deshalb vom Kunden ausdrücklich extra bestellt und auch zusätzlich bezahlt werden.

Allerdings wurde – und wird auch zum Teil noch heute – die bereits 2007 vom OLG Hamburg getroffene Entscheidung zu dieser Thematik übersehen. „Selbst wenn im konkreten Fall keine ausdrückliche vertragliche Regelung zwischen Kfz-Vermieter und Kfz-Mieter bezüglich der Reifenausstattung des Mietfahrzeugs geschlossen wurde und zum (Zeitpunkt des) Vertragsschluss die aktuelle Fassung des § 2 Abs. 3a StVO noch nicht gegolten hat, ist der Senat … der Auffassung, dass ein Kfz-Mieter nach Treu und Glauben von einem professionellen Autovermieter erwarten darf, in den Wintermonaten bei winterlichen Straßenverhältnissen ein Miet-Kfz mit Winterreifen zu erhalten.“ (OLG Hamburg, DAR 2007, 336) Spätestens seit der neuen Rechtslage dürfte die Frage „Winterreifen, ja oder nein?“ also endgültig im Interesse des Mieters entschieden sein.

Auch die Rechtsprechung zum Themenkreis der Winterreifen und Haftung dürfte sich verändern. Sie wird zum einen zu einer deutlich höheren Mithaftung bei Verwendung nicht geeigneter Reifen im Winter in der Schadenregulierung von Verkehrsunfällen führen und zum anderen auch zu weitergehenden Urteilen unter dem Aspekt der Gefahrerhöhung durch Fahren mit Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen.

Letztlich wird sich die „klare“ Regelung bis hin zur Auslieferungspraxis neuer Fahrzeuge, seien es gekaufte oder geleaste, auswirken. Der Kunde muss ein mit Sommerreifen ausgestattetes Fahrzeug bei winterlichen Straßenverhältnissen nicht abnehmen – vorausgesetzt, er hat Winterreifen bestellt und bezahlt.

Nimmt der Kunde das Fahrzeug dennoch ab, etwa um selbst zum Reifenwechsel zu fahren, trägt er allerdings auch das volle Risiko selbst.

Dr. Michael Ludovisy

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Kein Nutzungsausfall, wenn ein Ersatzfahrzeug existiert

Wird bei einem Verkehrsunfall ein Fahrzeug beschädigt, so steht dem Geschädigten für die Dauer der Reparatur kein Anspruch auf Nutzungsausfall zu, wenn ihm in seinem Haushalt ein Zweitfahrzeug zur täglichen Nutzung zur Verfügung steht.

Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Gemessen an diesen Ausführungen besteht im verhandelten Fall kein Entschädigungsanspruch. Zwar kommt ein solcher grundsätzlich bei Beschädigung eines Fahrzeugs in Betracht, wenn der Geschädigte darlegt, dass er auf die tägliche Verfügbarkeit als Beförderungsmittel angewiesen ist. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass ihm ein Pkw als Ersatzfahrzeug zur Verfügung steht. Hierauf muss er sich nach Ansicht der Kammer im Rahmen des Entschädigungsanspruchs verweisen lassen.

LG Köln, Aktenzeichen 9 S 378/10, VRR 201, 229

Anmietung eines Ersatzfahrzeugs bei Totalschaden zulässig

Rechnet der Geschädigte auf Totalschadenbasis ab und nimmt die Reparatur selbst vor, so ist er berechtigt, für den im Gutachten ausgeführten Wiederbeschaffungszeitraum einen Ersatzwagen anzumieten. Es ist zulässig, für die Erstattung der Mietwagenkosten auf den Modus der Schwacke-Liste abzustellen, da dies ein Tarif ist, der von Mietwagenunternehmen für gewöhnlich angeboten wird.

AG Regensburg, Aktenzeichen 4 C 3841/10, ADAJUR-Archiv

AG Berlin-Mitte, Aktenzeichen 106 C 3150/09; SP 2011, 139

+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++

Haftungsteilung trotz

Verzichts auf Vorfahrt

Steht fest, dass der Vorfahrtsberechtigte (durch Zeichen) gegenüber dem Wartepflichtigen auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet hat, führt dies nur zu einem Verzicht zwischen den beiden Verkehrsteilnehmern. Kommt es dennoch zu einer Kollision mit einem Dritten, wird der Schaden geteilt, wenn sich aus den Gesamtumständen vor Ort ergibt, dass der Wartepflichtige gegenüber dem nunmehr geschädigten Dritten seiner Wartepflicht hätte nachkommen müssen, der Dritte hingegen wegen der unklaren Verkehrslage nicht hätte am Vorfahrtsberechtigten vorbeifahren dürfen. Der Verzicht auf den Vorrang befreit den Wartepflichtigen nicht von den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten gegenüber sonstigen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmern.

AG Pforzheim, Aktenzeichen 6 C 159/10, SP 2011, 179

Keine Umsatzsteuer bei Minderwertausgleich nach ordentlicher Beendigung eines Leasingvertrages

Ein Minderwertausgleich, den der Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf wegen einer über normale Verschleißerscheinungen hinausgehenden Verschlechterung der zurückgegebenen Leasingsache vom Leasingnehmer beanspruchen kann, ist ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil ihm eine steuerbare Leistung des Leasinggebers, § 1 I Nr. 1 UStG, nicht gegenübersteht und der Leasinggeber deshalb darauf keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.

BGH, Aktenzeichen VIII ZR 260/10, ADAJUR-Archiv

Berufliche Situation bei Fahrerlaubnisentzug

Ist dem Verkehrsteilnehmer die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, weil er die Grenze von 18 Punkten im Verkehrszentralregister überschritten hat, ist der Behörde kein Ermessen mehr eingeräumt, mit der Konsequenz, dass auch besondere Belange des Betroffenen – beispielsweise aufgrund seiner beruflichen Situation als Berufskraftfahrer – nicht berücksichtigt werden können.

VG Gelsenkirchen, Aktenzeichen 7 L 271/11, ADAJUR-Archiv

Steuerhinterziehung bei falscher Kilometerangabe

Macht der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung überhöhte Entfernungsangaben hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte geltend, kann dies eine Steuerhinterziehung darstellen. Die Finanzbehörde hat hierbei ihre Amtsermittlungspflicht erst dann verletzt, wenn sie offenkundigen Zweifeln oder Unklarheiten nicht nachgegangen ist.

FG Neustadt; Aktenzeichen 3 K 2635/08, BB 2011, 1174

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