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Wie Fürsorge zur Stärke wird

02.11.2016 06:00 Uhr

Mit Riskmanagement im Fuhrpark sollen Mitarbeiter geschützt und die Kosten gesenkt werden. Eine Fachtagung ermittelte Gefahren und Gegenmaßnahmen.

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_ Der Malteser Hilfsdienst (MHD) betreibt seit rund 30 Jahren Riskmanagement (RM) zur Minimierung von Schaden- und Unfallrisiken in den Fahrdiensten der Bezirke. So hat die gemeinnützige Organisation die Schadenzahlen und die Aufwendungen dafür für die deutschlandweit rund 5.000 Fahrzeuge Stück für Stück verringert.

Die Verantwortlichen in der Zentrale und den Dienststellen vor Ort ruhen sich aber nicht auf dem Erreichten aus. Vielmehr arbeiten sie weiter an den Maßnahmen, da sich interne wie externe Gefahrenquellen beständig wandeln.

Selbstreflexion als Basis für Prävention

Dazu treffen sich Fuhrparkmanager, Fahrdienstleiter und die sogenannten Moderatoren regelmäßig zur Fahrerausbildung und -einweisung, um ihr Wissen durch Fachvorträge zu vertiefen und sich auszutauschen. Daraus werden oft neue Aktivitäten entwickelt oder bestehende optimiert. Jüngste Zusammenkunft dieser Art: die 4. Malteser Fachtagung "Verkehrssicherheit und Fahrdienste - Risiken gestern, heute, morgen" mit knapp 50 Teilnehmern am 11. Oktober in Ehreshoven nahe Köln, wo es darum ging, die aktuelle Schadensituation und vorhandene Risiken im MHD zu erfahren und erste Ideen für Lösungen festzuhalten. Zu diesem Zweck müsse die eigene Sichtweise immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden - Selbstreflexion sei bei allen Beteiligten gefragt, so Benedikt Liefländer, Bereichsleiter MHD im Generalsekretariat.

Tagungs- und Diskussionsleiter Michael Plewka weist darauf hin, dass die Sensibilisierung für Gefahren fortgesetzt werden müsse, gemäß dem Spruch: "Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein." Zugleich lobt er aber, dass die Zahlen und Entwicklungen bei Schäden und Unfällen für die Mitarbeiter und Fahrer sprechen.

Schadenzahlen im Rückblick

Ralf Strunk, Geschäftsführer der FSP-Gruppe als Kooperationspartner des TÜV Rheinland, setzt mit den Maltesern die Verkehrssicherheitsmaßnahmen rund um die Dienstfahrzeuge in die Praxis um. In seinem historischen Abriss zu Unfallursachen und Risiken hob er hervor, dass vor allem der Druck von Versichererseite und das hohe Schadensaufkommen dazu geführt hätten, Lösungen zu suchen und im ersten Schritt den Status quo zu erheben. Die Unfallquote, gemessen an den Fahrzeugzahlen, lag 1985 bei rund 60 Prozent, was, gemessen an vergleichbaren Tätigkeiten, jedoch nicht außergewöhnlich sei.

RM und Entwicklung bis heute

Nichtsdestotrotz wurden damals an mehreren Standorten auch die Ursachen für die Kollisionen erhoben. Dabei wurden beispielsweise die Anzahl der zurückgelegten Kilometer bis zum Schadensereignis, Fahrzeug- und Einsatzarten sowie die örtlichen Gegebenheiten analysiert. Das Ergebnis: Neben mangelnden Einweishilfen führten etwa die fehlenden Erfahrungen vor allem der Zivildienstleistenden und ehrenamtlichen Mitarbeiter mit den Fahrzeugen zu Unfällen.

Aus den Erkenntnissen entstand dann ein Katalog an RM-Maßnahmen. Dazu zählen die Einrichtung eines zentralen Fuhrparkmanagements mit Fuhrparkleiter in den Regionen, systematische Entwicklung von Schulungskonzepten und stringente Umsetzung anhand eines Moderatoren-Handbuchs und die kontinuierliche Durchführung von Fahrerauswahl und -qualifizierung. Aufgrund der eingeleiteten Maßnahmen sei die Unfallquote inzwischen auf elf Prozent gesunken."Das entspricht etwa dem Niveau eines Privatfahrers, bei deutlich höherem Risiko des MHD-Fahrers", lobt Strunk. Dies sei ein Wettbewerbsvorteil für den MHD.

Risikogruppen: Junge und ältere Fahrer

Gleichwohl hat der MHD neue Risiken zu berücksichtigen. Während anfänglich die Zivildienstleistenden und Ehrenamtlichen die Rennlisten anführten, ist die Schadenverteilung durch Wegfall der Ersteren und mehr junge Fahrer im Freiwilligenjahr oder Bundesfreiwilligendienstler von 60 Prozent über 29 Jahre auf 23 Prozent in 2014 gesunken. Bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern reduzierte sie sich von 14 auf 5,6 Prozent.

Hauptsächliche Unfallbeteiligte sind zudem mit 43,8 Prozent geringfügig Beschäftigte. Auf Altersgruppen bezogen haben sich die Unfälle überall reduziert, ausgenommen bei den älteren Fahrern ab 40 Jahren. Deren Anteil ist im Laufe der Zeit von fünf auf 41,6 Prozent gestiegen.

Über alle Fahrer hinweg dominieren Rangier-, Auffahrschäden, mangelnder Seitenabstand und Vorfahrtmissachtung mit insgesamt rund 75 Prozent. Der Diplom-Ingenieur erläutert: "Wo Trainingsansätze vorhanden sind, gibt es deutliche Verbesserungen, etwa beim Rangieren. Zudem können technische Hilfsmittel unterstützen." Er ergänzt allerdings, mit Blick auf die älteren Fahrer: "Kognitive Leistungsfähigkeit ist begrenzt beeinflussbar und diese lässt teilweise im Alter nach." Das wirke sich insbesondere in Situationen wie zum Beispiel dem Fahrspurwechsel aus.

Assistenzsysteme als Herausforderung

Ein Teilnehmer bemerkt daraufhin, dass die Fahrerassistenzsysteme in den neuen Modellen aber auch eine Herausforderung sein könnten. Strunk untermauert dies mit Zahlen zu den Unfällen nach Fahrzeugtypen. Hier kommen Krankentransportwagen (KTW) in 2014 auf 23 und Kleinbusse auf 42 Prozent. Die Begründung: "Den Fahrern fehlt oftmals die Erfahrung mit großen und unübersichtlichen Fahrzeugen. Der Fahrer bekommt heute subjektiv ein Pkw-ähnliches Fahrgefühl vermittelt, was zusätzlich zu einer falschen Einschätzung der Abmaße, des Fahrverhaltens und des Bremsvermögens bei diesen Fahrzeugen führt." Deshalb müssten die Fahrer der KTW und Kleinbusse nachhaltig geschult und für die Parameter sensibilisiert werden. Spontaner Tipp von Trainer Michael Plewka: Nicht nur auf die in jedem Einsatzwagen immer vorhandene Checkliste Abfahrtkontrolle setzen, sondern im Zweifelsfall auch einen Zettel mit der Auflistung von Besonderheiten des jeweiligen Fahrzeugs an Bord legen.

Ein anderes Thema im Fuhrpark zur Schulung der Fahrer ist nach wie vor der tote Winkel, dem sich der MHD annimmt. Gleiches gilt für das Wenden auf engstem Raum und das Fahren einer S-Kurve als Übung, gerade für schnelle Fahrten in engen Straßen.

Fahrtauglichkeit prüfen

Später zeigt Strunk die Veränderungen im Risikoverhalten von jungen und alten Fahrern unter dem Einfluss gesellschaftlicher Veränderungen und neuer Technologien auf.

Größter Einflussfaktor auf die Schaden- und Unfallentwicklung sei - neben der Technik und Umwelt - der Mensch. Seine Empfehlung: Gerade ältere Fahrer zum Sehtest zu schicken, weil das Sehvermögen deutlich abnimmt und die Dämmerung zu höheren Gefahren führt. Ab einem Alter von 55 Jahren sei der Test einmal im Jahr sinnvoll.

Daneben rät Strunk, den Unfalldatenspeicher, der in allen Fahrzeugen mit Blaulicht zur Pflichtausstattung zählt, bei Unfällen auszulesen und für Rückschlüsse auf das Fahrverhalten sowie die Gespräche mit den Mitarbeitern zu nutzen.

Der FSP-Geschäftsführer folgert aber, dass bei den Verbesserungen keine riesigen Sprünge mehr möglich seien, da schon weitestgehend optimiert wurde. Aus der Vielfalt an Informationen müssten daher die richtigen Schritte oder Änderungen mit Bedacht entstehen.

Fahrverhalten und Sanktionen

Warum wird jemand, der mit 20 Kilometern pro Stunde (km/h) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h im Ort überschreitet, genauso sanktioniert wie ein Fahrer, der dies auf der Autobahn tut, obwohl nach statistischen Auswertungen vom ersten Fahrer eine deutlich höhere Gefährdung mit eklatanten potenziellen Schädigungen für andere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger ausgeht? Das fragt sich Prof. Dr. Wilfried Echterhoff von der Universität Wuppertal, der Erhebungen zur Straßenverkehrssicherheit präsentierte. Seine zentrale Erkenntnis ist folglich, dass die derzeitigen Sanktionen bei Geschwindigkeitsverstößen nicht den jeweiligen Gefährdungssituationen von anderen Verkehrsteilnehmern entsprechen. Hier seien neue Ansätze gefragt.

Die Teilnehmer sorgen sich in der Abschlussdiskussion insbesondere um den Umgang mit den jungen und zunehmend älteren Fahrern und um deren Fahrtauglichkeit. Eine Frage lautet: Wann gilt jemand als alt? Wie kann generell die Fahrtauglichkeit eines älteren Fahrers festgestellt werden? Die Referenten sind sich einig: Hier darf nicht auf das kalendarische, sondern auf das funktionale Alter abgestellt werden. Wie fit ein Fahrer ist, lasse sich etwa durch die regelmäßigen Sehtests bewerten.

Aus dem Umgang mit Risiken werden nun organisatorische Schlussfolgerungen für die eigene Verkehrssicherheitsarbeit in den Dienststellen gezogen.

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