_ Das Smart Car vernetzt sich im Internet der Dinge nicht nur mit anderen Fahrzeugen und seiner Umgebung. Wird im Sekundentakt der Standort eines Fahrzeugs über ein globales Navigationssystem (GNSS) wie GPS oder zukünftig auch Galileo, GLONASS oder Beidou bestimmt, lässt sich die Fahrstrecke lückenlos aufzeichnen und auswerten.
Mittelbar ist die Ortung auch über den Fahrer selbst möglich: Führt dieser ein aktuelles Smartphone oder Wearable mit sich, kann dessen Standort aufgezeichnet und ausgewertet werden.
Standortbestimmungen sind für Arbeitgeber und Fuhrparkbetreiber aus verschiedenen Gründen sinnvoll: Bei Geld-, Wertpapier- und Gefahrguttransporten dienen sie der Sicherheit und für die Logistikbranche sind sie aus Gründen der effizienten Einsatz- und Routenplanung unverzichtbar. Solange Elektro-Autos nur über begrenzte Reichweiten verfügen, lässt sich frühzeitig erkennen, wann ein E-Car sich so aus der Reichweite der nächstgelegenen Elektro-Zapfsäule bewegt, dass es mit der restlichen Akku-Aufladung dort nicht mehr ankommen wird.
Den Preis hierfür bezahlen die Fahrer: Statt über Abfahrtszeit, Ankunftszeit und Spritverbrauch nur zu offenbaren, welche Fahrzeit sie für welche Fahrstrecke mit welchem Energieeinsatz benötigt haben, lässt sich bei einer fortlaufenden Positionsermittlung lückenlos jeder Fehler und jede Abweichung von der optimalen Route aufdecken.
Nebenbei lässt sich mit einem Matching der Fahrstrecke mit aufgezeichneter Geschwindigkeit feststellen, ob etwaige Geschwindigkeitsbeschränkungen oder andere Verkehrsregeln missachtet wurden. Allerdings steht das Datenschutzrecht einer solchen Profilbildung vielfach entgegen.
Bewegungsdaten = personenbezogene Daten
Personenbezogene Daten sind nach § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) "Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person". Hierunter fallen auch Beziehungen einer Person zu ihrer Umwelt, zum Beispiel ihr Aufenthaltsort (BGH, Urteil vom 4.6.2013, Az. 1 StR 32/13, Rn. 52).
Der Umstand, dass stets nur der Standort eines Endgeräts ermittelt wird, spielt keine Rolle - gleich ob es sich dabei um ein Smartphone oder Fahrzeug handelt. Kann der Standort des Endgeräts einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden, ist dies für einen Personenbezug im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG ausreichend (BGH, Urteil vom 4.6.2013, Az. 1 StR 32/13, Rn. 53 f.).
Ob derjenige, der die Positionsdaten erhebt, speichert, verarbeitet und nutzt, weiß, wer der jeweilige Fahrer zum Zeitpunkt der Standortermittlung gewesen ist, spielt ebenfalls keine Rolle. Das Datenschutzrecht verlangt nicht die Zuordnung zu einer bestimmten, unveränderlich feststehenden Person. Vielmehr genügt es nach § 3 Abs. 1 BDSG, wenn der spätere Nutzer der Standortdaten durch ein ihm oder Dritten verfügbares Zusatzwissen herausfinden kann, wer der Fahrer zum Zeitpunkt der Standortermittlung gewesen ist.
Beispiel: Die Route eines Gefahrguttransporters wird nicht vom Transportunternehmen selbst verfolgt, sondern von einem externen Sicherheitsdienst. Dieser ordnet die von ihm erhobenen Routendaten einem Fahrzeug mit einem Kennzeichen zu, ohne den Fahrer zu kennen. Das Transportunternehmen kann jedoch später auf die Routenauswertungen zugreifen und auch die Zuordnung zum Fahrer vornehmen. Die erhobenen Daten sind dann schon bei ihrer Erhebung personenbezogen und das Datenschutzrecht ist anwendbar.
Erlaubnis für Standortermittlung
Handelt es sich bei Standortermittlung und Auswertung von Bewegungsdaten um eine Verarbeitung personenbezogener Daten, ist sie nach § 4 Abs. 1 BDSG nur zulässig, wenn hierfür eine Erlaubnis vorliegt. Diese kann sich entweder aus einer Betriebsvereinbarung, einem Gesetz oder einer Einwilligung der betroffenen Fahrer ergeben.
Einwilligung
Die Einwilligung in die Ermittlung von Standorten oder die Erstellung von Bewegungsprofilen muss freiwillig, bestimmt und informiert erteilt werden. Der Fahrer muss bei Erteilung der Einwilligung wissen, welche personenbezogenen Daten zu welchem Zweck von wem für welche Dauer gespeichert und an welche Dritten diese gegebenenfalls übermittelt werden. Außerdem muss der Fahrer wissen, was die Nichterteilung der Einwilligung zur Folge hat.
Wichtig ist, dass die Einwilligung jederzeit grundlos frei widerruflich ist. Macht der Fahrer von diesem Recht Gebrauch, sind Aufzeichnungen mit sofortiger Wirkung für die Zukunft zu beenden.
Problematisch ist im Arbeitsverhältnis die Freiwilligkeit. Wegen des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer halten die Aufsichtsbehörden im Datenschutz Einwilligungen von Arbeitnehmern für ausgeschlossen. Anders sieht dies das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11. 12.2014, Az. 8 AZR 1010/13). Sind die übrigen Voraussetzungen einer Einwilligung gegeben und hat der Arbeitnehmer keine Nachteile im Arbeitsverhältnis, wenn er die Einwilligung verweigert, kann auch der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einwilligen. Dabei ist die Einwilligung regelmäßig schriftlich zu erteilen, § 4a Abs. 1 BDSG.
Gesetzliche Erlaubnis
Als gesetzliche Erlaubnis kommt § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG in Betracht. Ist die Standortbestimmung von Beschäftigten zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich, darf der Arbeitgeber hierauf zurückgreifen. Das gilt zum Beispiel für Geld- und Wertpapiertransporte oder bei Beschäftigten, die für Notfalleinsätze im Facility Management eingeteilt sind, beispielsweise bei steckengebliebenen Aufzügen. Allerdings gibt es keinen jederzeitigen unbeschränkten Zugriff auf die Standortdaten. Vielmehr sind Abfragen auf das erforderliche Maß zu beschränken. Für die Notfalleinsatzplanung genügt meist eine Abfrage der Standorte der bereitstehenden Beschäftigten, wenn die Notfallanfrage eingegangen ist.
Als weitere gesetzliche Erlaubnis kommen § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 BDSG in Betracht. Hiernach darf der Arbeitgeber oder Fuhrparkleiter Bewegungsdaten verarbeiten, wenn (a) dies zur Erfüllung eines Vertrags mit dem Fahrer erforderlich ist oder (b) hieran ein berechtigtes Interesse besteht und es keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der betroffenen Fahrer gibt, die einer Datenverarbeitung entgegenstehen.
Typischer Fall einer solchen Erlaubnis ist die Standortermittlung beim Carsharing: Wird fahrstreckenbezogen abgerechnet, ist der Nutzungsradius beschränkt (etwa auf eine Großstadt) oder sollen die verfügbaren Fahrzeuge in einer App auf einer Karte angezeigt werden, dürfen zur Erreichung dieser Zwecke die Standortdaten genutzt werden.
Ebenfalls typisch ist die Verwendung von Bewegungsdaten für die Einsatzplanung in der Logistik. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass die dafür erhobenen Daten nicht für andere Zwecke missbräuchlich genutzt werden, zum Beispiel für die allgemeine Leistungskontrolle der Beschäftigten oder die Zusammenführung mit anderen Datenquellen.
Sonderfall digitaler Tachograph
Am 2.3.2016 ist die europäische Verordnung 165/2014/EU in Kraft getreten. Durch diese Verordnung wird die ältere Verordnung 561/2006/EG ergänzt und die noch ältere Verordnung 3821/85/EG abgelöst. Bereits aus der Verordnung 561/2006/EG ergab sich die Verpflichtung, bestimmte Fahrzeuge im Straßengüter- und Straßenpersonenverkehr zur Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer mit (digitalen) Tachographen auszustatten.
Mit der Verordnung 165/2014/EU werden diese Pflichten erweitert, sodass neu zugelassene Fahrzeuge spätestens ab dem 2.3.2017 auch bestimmte Standortdaten aufzeichnen müssen. Die Verordnung ist damit zugleich der für die Verarbeitung personenbezogener Daten relevante Erlaubnistatbestand im Sinne des § 4 Abs. 1 BDSG. Nach Art. 8 der Verordnung sind vom digitalen Tachographen automatisch aufzuzeichnen (a) der Standort zu Beginn der täglichen Arbeitszeit, (b) der Standort nach jeweils drei Stunden kumulierter Lenkzeit sowie (c) der Standort am Ende der täglichen Arbeitszeit. Die Standorte zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit waren schon früher bei analogen Fahrtenschreibern manuell zu erfassen und sind jetzt in der digitalen Welt angekommen.
Wichtig: Die vom digitalen Tachographen aufgezeichneten Standortdaten dürfen gemäß Art. 7 der Verordnung 165/2014/EU nicht für andere Zwecke als die Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten genutzt werden und sind vor einer zweckwidrigen Verwendung besonders zu schützen. Und: Digitale Tachographen dürfen keine anderen Standortdaten aufzeichnen. Will der Arbeitgeber oder Fuhrparkbetreiber zu anderen Zwecken weitergehende Standort- und Bewegungsdaten verarbeiten, muss er hierfür ein anderes Endgerät nutzen.
Mitbestimmung des Betriebsrates
Bewegungsprofile erlauben eine Überwachung von Leistung und Verhalten der betroffenen Arbeitnehmer. Das Fahrverhalten, beispielsweise Verkehrsordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, wird ebenso offenbart wie die Fahreffizienz, zum Beispiel bezogen auf den Energieverbrauch, Reifenverschleiß oder die Auswahl der Fahrstrecke. Diese Überwachung wird ermöglicht durch die technische Einrichtung, mit der die Standortermittlung vorgenommen wird, also das Fahrzeug, eine Telematik-Box oder das Smartphone des Fahrers.
Ist eine technische Einrichtung zur Überwachung von Leistung oder Verhalten der Arbeitnehmer geeignet, besteht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wegen der Einführung und Anwendung dieser Einrichtung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Dies gilt entsprechend für Personalräte und Mitarbeitervertretungen. Erst nach Freigabe durch den Betriebsrat und gegebenenfalls Abschluss einer Betriebsvereinbarung, mit der die Nutzung von Ortungsverfahren geregelt wird, dürfen diese tatsächlich eingeführt und angewendet werden.
Fazit
Standortdaten und Bewegungsdaten sind personenbezogene Daten. Die Verarbeitung bedarf einer datenschutzrechtlichen Erlaubnis. Diese kann sich aus dem Beschäftigungsverhältnis, einem Vertrag mit dem Fahrer oder einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers oder Fuhrparkbetreibers ergeben, insbesondere an der sicheren, effizienten und wirtschaftlichen Nutzung der Flotte. Besteht ein Betriebsrat, ist die Einführung und Anwendung von Verfahren zur Erfassung von Standorten und Bewegungsprofilen regelmäßig mitbestimmungspflichtig.
Sascha KremerFachanwalt für IT-Recht bei Login Partners, Pulheim, sowie externer Datenschutzbeauftragter, Datenschutzauditor und Lehrbeauftragter
- Ausgabe 09/2016 Seite 28 (135.9 KB, PDF)